Zu Beginn dieses Jahres kündigte der Mönchengladbacher Nick Heidfeld den "wichtigsten Monat meiner Karriere" an. Am Ende dieser 31 Tage stand nun ein Happy End für den sympathischen Deutschen: Nick Heidfeld bekam nach mehreren Testduellen gegen Antonio Pizzonia das zweite BMW-Williams Stammcockpit für 2005 zugesprochen. Somit beginnen für den Ex-Jordan-Pilot nun die nächsten elf wichtigsten Monate seiner Karriere.

Volles Vertrauen in Heidfeld

"Wir haben uns in allerletzter Sekunde dafür entschieden, dass Nick Heidfeld unser zweiter Stammfahrer wird." Mit diesen Worten löste Teamboss Frank Williams in Mönchengladbach einen Jubelsturm aus. Dabei hat der Sir in seinen neuen Schützling "volles Vertrauen": "Unsere Fahrer werden in dieser Saison ein großer Antrieb sein."

Diese Fahrer hören dabei auf die Namen Mark Webber und Nick Heidfeld. Damit geht das erfolgsverwöhnte Team, welches seit 1997 sehnsüchtig auf einen WM-Titel wartet, ohne einen GP-Sieger in die neue Saison.

Mark Webber, der mit seinem Ex-Jaguar-Teamkollegen Antonio Pizzonia ohnehin einige harte Wortgefechte ausficht, freut sich jedenfalls über seinen neuen Partner – der sogar noch erfahrener und erfolgreicher als der Australier selbst ist.

"Es war ein ziemlich harter Kampf um das Cockpit und ich bin glücklich, dass Nick mein Teamkollege wird", so der Aussie in Valencia. "Ich habe noch keine Podestplätze wie Nick erzielt", machte er den Deutschen quasi zum Teamleader wider Willen, "und ich freue mich mit ihm zusammenarbeiten zu können damit wir das Team gemeinsam nach vorne pushen können."

Während Nick immerhin schon 84 GP-Teilnahmen, 28 WM-Zähler sowie einen Podestplatz vorzuweisen hat, kommt Mark Webber gerade einmal auf 50 Grand Prix, in denen er keinen Podestrang, dafür aber 26 WM-Zähler für Jaguar und Minardi (wo er bei seinem Debüt in Australien mit Rang fünf auch seine bislang beste Platzierung erzielen konnte) einfahren konnte.

"Die Ziele des Teams sind sehr hoch. Mit dem zweiten oder dritten Platz will man sich nicht zufrieden geben", gibt Heidfeld die Richtung vor. "Mein persönliches Ziel ist es, alle zu schlagen, nicht nur Michael Schumacher, und in Zukunft die Weltmeisterschaft zu gewinnen. Wann, weiß ich noch nicht."

Größte Chance der Karriere

Webber ist sich deswegen im Klaren, dass das Team von ihm Siege erwartet. Frank Williams ist von seiner Fahrerpaarung trotz dieses enormen Drucks dennoch überzeugt: "Sie werden nicht nur jede Möglichkeit nutzen um zu zeigen, dass unsere Wahl sie zu verpflichten richtig war, sondern darf man auch den Schub für alle Leute in der Fabrik und an der Rennstrecke nicht vergessen, den sie durch neue Gesichter erhalten."

Nick Heidfeld ist sich jedenfalls dessen bewusst, dass dies nach Jahren des Hinterherfahrens bei Jordan, Prost und Sauber endlich seine "große Chance" ist. "Ich wollte dieses Cockpit unbedingt haben", erklärte er. "Für das BMW WilliamsF1 Team anzutreten, ist die größte Chance meiner Karriere. Ich werde alles daran setzen zu beweisen, dass ich diesen Platz verdient habe und zähle die Tage bis zum ersten Grand Prix. Mit Antonio sozusagen um die Wette zu fahren, hat viel Spaß gemacht. Er ist ein toller Teamkollege. Ich respektiere ihn und hätte auch die Testfahreraufgabe angenommen."

Enttäuschung beim Jungle Boy

Dieses Los bleibt nun Antonio Pizzonia beschieden. "Ich bin Rennfahrer, und natürlich würde ich lieber bei allen Grands Prix starten", verlieh der Jungle Boy seiner Enttäuschung Ausdruck. "Aber ich habe in der Vergangenheit auch gelernt, wie wichtig die Testarbeit für den Erfolg des gesamten Teams ist. Obwohl mir eine andere Entscheidung lieber gewesen wäre, bin ich sehr froh, 2005 zum BMW WilliamsF1 Team zu gehören und werde mein Bestes für den Erfolg der Mannschaft geben."

Davon ist auch BMW-Motorsportchef Mario Theissen überzeugt: "Antonio weiß, dass er als Testfahrer ebenfalls eine Schlüsselrolle im Team übernimmt."

Eine wahnsinnig knappe Entscheidung

Die Entscheidung zugunsten des Deutschen fiel dem Team dabei nicht gerade einfach. "Die Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen. Beide Fahrer sind ebenbürtig, und jeder von ihnen wäre ein Gewinn für jedes Formel-1-Team", streute Williams beiden Cockpitanwärtern Rosen. "Letztlich hat Nick den Zuschlag als Stammfahrer bekommen. Und wir schätzen uns glücklich, in Antonio einen so hochkarätigen Test- und Reservepiloten zu haben."

"Alle drei Fahrer waren in den letzten Tests sehr stark, und zwar nicht nur im Auto, sondern auch in der Zusammenarbeit mit den Ingenieuren", fügte Theissen hinzu. "Das neue Team ist schnell zusammengewachsen und harmoniert. Ich freue mich für Nick, er hat sich das zweite Renn-Cockpit mit einer souveränen Vorstellung verdient."

Dennoch betonte Technikchef Sam Michael, dass es "eine wahnsinnig knappe Angelegenheit" zwischen Heidfeld und Pizzonia gewesen sei. "Beide Fahrer haben sechs Wochen für das Team getestet", fuhr Mario Theissen fort. "Es war nicht nur ein Shoot-Out. Sie arbeiteten beide sehr gut mit dem Team und es war viel enger als es nun den Anschein hat."

Zurück auf die Erfolgsspur

Mit dem neuen Fahrerduo Heidfeld/Webber möchten die Weiß-Blauen nun in diesem Jahr an den guten Saisonausklang mit dem Sieg in Interlagos anknüpfen und die Probleme des Vorjahres vergessen machen sowie die Fehler von 2004 nicht wiederholen.

"Wir möchten wieder in die Erfolgsspur zurück", forderte Frank Williams. "Die Fehler von 2004 dürfen nicht wiederholt werden. Wir müssen die neuen Regeln zu unserem Vorteil ausnutzen und wenn es soweit ist damit voll vertraut sein."

"Vier Jahre lang haben wir unsere Ziele übertroffen", erinnert Mario Theissen an die ersten vier Jahre der britisch-bayrischen Zusammenarbeit zwischen 2000 und 2003. "Dann fielen wir 2004 in ein Loch und konnten unsere Ansprüche zum ersten Mal nicht erfüllen. Nun versuchen wir die Erfolge mit vereinten Kräften zurück zu holen."

Mit dem Kaminkehrer an die Spitze

Bei all dem Trubel um die Fahrerwahl rückte die Präsentation des neuen FW27 beinahe in den Hintergrund. Doch auch dieser verlangt nach etwas Beachtung.

Wie bei allen Boliden der 2005er Generation beeinflussten auch beim neuen BMW-Williams die neuen Aerodynamikregeln das Aussehen des Boliden sowie vor allem des Front- und Heckflügels. Während Letzterer nicht wie beim F2004 M in der hinteren Ecke an den Endplatten beschnitten wurde, weist er aber auch nicht eine rein rechteckige Form wie bei den anderen 2005er Autos auf.

Stattdessen wurden die hinteren Ecken leicht nach oben gezogen. Beim Frontflügel, über dem wie schon beim Quasivorgänger FW26B/C eine sehr schmale und hohe Nase prangt, gingen die Mannen aus Grove einen ähnlichen Weg wie British American Racing und bauten eine u-förmige Delle unter der Nase ein.

Im Bereich der Seitenkästen wurde der FW27 im Vergleich zu seinem Vorgängermodell zudem mehr abgerundet, was kleinere, ovale statt rechteckige Lufteinlässe sowie geschwungene Seitenkästen zur Folge hat. Aus den Seitenkästen heraus ragen derweil extrem groß proportionierte Luftkamine, welche die Kiemen des FW26 ersetzen. Bei der Aufhängung kehrte man nach dem gescheiterten Doppelkielexperiment beim FW26 zu einem konventionellen Einzelkiel zurück.

"Während wir das Gewicht reduzierten, mussten wir auch viel Aufmerksamkeit auf die Zuverlässigkeit, besonders im Getriebebereicht, richten", erklärte Technikdirektor Sam Michael über den komplett unter seiner Regie entstandenen FW27. "Das Getriebe des FW27 wurde seit November 2004 ohne größere Probleme auf der Strecke getestet und die Probleme mit dem letztjährigen Getriebe wurden beseitigt."