Die Formel 1 bietet abseits der Rennstrecke Spannung pur. Zahlreiche Baustellen auf dem Fahrermarkt sorgen für Spekulationen im Fahrerlager. Das Prunkstück der Baustelle ist eindeutig Fernando Alonso. Der Polier am Bau - der Rest des Feldes tanzt nach seiner Pfeife. Was passiert, wenn der Spanier den ersten Spatenstich unternimmt? Motorsport-Magazin.com unterwegs auf dem Bau.

Baustelle 1: Polier Alonso

Der Spanier hat die größte Schaufel in der Hand. Wenn Alonso seine Entscheidung bekanntgibt, dürfte er die große Lawine auf dem Fahrermarkt lostreten. Er selbst hält sich weiter bedeckt und lässt die Welt im Ungewissen. So ziemlich alle Zeichen deuten jedoch darauf hin, dass der zweimalige Weltmeister zu McLaren zurückkehrt. Ein Vertrag über zwei Jahre plus Option auf eine weitere Saison soll ihm unterschriftsreif vorliegen. Bislang laufe alles nach Plan, ließ er sich lediglich entlocken. "Wenn das eintritt, werden die Leute sehr aufgeregt sein - so wie ich es bin", sagte Alonso zuletzt.

Obwohl McLaren als logischste Wahl erscheint, muss zumindest erwähnt sein, dass Alonso selbst niemals von einem Ferrari-Abschied gesprochen hat. Lediglich der frühere Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo hatte ausgeplaudert, dass sein Lieblingsfahrer die Scuderia verlassen wird.

Dass Alonso die Ruhe weg hat, scheint McLaren allerdings etwas zu nerven. Wenn er nicht bald eine Entscheidung treffe, müsse sich das Team nach Alternativen umsehen, erzeugte Eric Boullier zuletzt sanften Druck. Alonsos Antwort: "Ich glaube nicht, dass es eine Deadline gibt." Bis zum Saisonende soll der McLaren-Kader für 2015 allerdings feststehen - es gibt schließlich noch einen anderen Fahrer neben Alonso.

Die Ruhe in Person: Fernando Alonso, Foto: Sutton
Die Ruhe in Person: Fernando Alonso, Foto: Sutton

Baustelle 2: McLarens Ungewissheit

Wenn Alonso kommt, wer muss dann gehen? Diese Frage beschäftigt aktuell die beiden McLaren-Stammfahrer Jenson Button und Kevin Magnussen. In Brasilien deutet sich an, dass das Pendel zugunsten des jungen Dänen ausschlägt. Button zog am Donnerstag eine kleine Abschiedstournee im Paddock durch. Er habe alles in der Formel 1 erreicht, wolle nächstes Jahr nur in einem siegfähigen Auto sitzen, sprach von der guten alten Zeit. Am einprägsamsten war folgende Aussage des Briten: "Viele F1-Piloten haben nach all den Jahren einen Tunnelblick und glauben, es gibt nichts anderes außer der Formel 1, aber das stimmt nicht. Die letzten drei Monate haben mir die Augen geöffnet."

Buttons Abschied wäre Magnussens Gewinn. Der Rookie würde aktuell bei keinem stärkeren Team als McLaren unterkommen - und niemand weiß genau, was in der Honda-Wundertüte 2015 steckt. Magnussen selbst kann allerdings nur auf die Entscheidung des Teams warten. Er selbst wisse nichts über seine Zukunft, bekräftigte er am Donnerstag. "Ich kann nur warten und sehen, was passiert", sagte er. "Das Team macht es aber nicht, um mich zu ärgern." Magnussen ist nicht glücklich mit der aktuellen Situation, würde aber einen Teufel tun und gegen McLaren wettern. Woking ist seine mit Abstand beste Option.

Abschiedstour für Jenson Button?, Foto: Sutton
Abschiedstour für Jenson Button?, Foto: Sutton

Baustelle 3: Vettel in der Warteschleife

Was sich Magnussen nicht herausnehmen kann, kann Vettel umso mehr. Seit einem Monat steht fest, dass er Red Bull verlassen wird. Im Minutentakt muss er seitdem an den Rennwochenenden Fragen zu seiner Zukunft beantworten. Die häufigste: Wann kommt die offizielle Bestätigung? Es ist fast unausweichlich, dass Vettel zu Ferrari wechselt, die Frage nach dem Arbeitgeber stellt sich eigentlich gar nicht mehr.

Im Fahrerlager von Interlagos schien der vierfache Weltmeister leicht genervt. "Es gibt keine Neuigkeiten", wiederholte er gebetsmühlenartig. "Hoffentlich bald. Aber auf das 'bald' habe ich schon vor ein paar Wochen, oder vor einem Monat, gehofft. Ich hoffe weiter." Der weitere Fahrplan ist recht offensichtlich: Sobald sich Alonso entscheidet, erfolgt unmittelbar die Ferrari-Bekanntgabe zu Vettel.

Während es bei Alonso zumindest den Anschein erweckte, dass er sich mehrere Optionen offen hält - Stichwort: Sabbatjahr und Hoffen aufs Mercedes-Cockpit 2016 - ist die Angelegenheit für Vettel klar. Immerhin so viel durfte er verraten: "Ich weiß, was ich machen werde. Das ist also klar. Hoffentlich kann ich es bald bekanntgeben. Das Wichtigste ist aber, dass ich weiß, was geschehen wird." Im Raum steht ein Dreijahresvertrag bei Ferrari, weil das strauchelnde Team langfristig an einer erfolgreichen Zukunft basteln will. Alonso mit seinen 33 Jahren und angeblicher Forderung eines einjährigen Vertrages passt weniger gut ins Konzept der Roten.

Vettel muss wohl auf Alonso warten, Foto: Sutton
Vettel muss wohl auf Alonso warten, Foto: Sutton

Baustelle 4: Grosjeans letzte Hoffnung

Im Dominospiel der großen Namen ist Romain Grosjean der letzte Stein. Der Lotus-Pilot will unbedingt zu einem der Top-Teams - lieber heute als morgen. Spätestens 2016, sagte er kürzlich. Grosjean in Lauerstellung: Ganz abgeschrieben hat er ein Cockpit bei McLaren noch nicht. In Woking ist die aktuelle Lage undurchsichtig genug, um die Chance nicht frühzeitig abzuschreiben. Mit Eric Boullier arbeitet dort auch ein alter Bekannter.

Sollte sich diese Möglichkeit für 2015 nicht ergeben, hat er mit Lotus eine sichere Bank in der Hinterhand. Das Team aus Enstone würde Grosjean gern behalten. Jetzt könnte es ganz schnell gehen. Am Donnerstag erzählte Grosjean im Fahrerlager, dass sich schon an diesem Wochenende in Brasilien etwas entscheiden könnte. Sätze, die man in den vergangenen Wochen allerdings zuhauf aus sämtlichen Richtungen hören konnte. "Wir sind nah dran", so Grosjean, der kürzlich zugab, von Vettels Abschied überrascht worden zu sein.

Grosjean drängt weiter auf ein Sieger-Cockpit, Foto: Sutton
Grosjean drängt weiter auf ein Sieger-Cockpit, Foto: Sutton

Baustelle 5: Der ewige Vergne

Immer wieder Vergne: steigt er auf, geht er, bleibt er? Vom Red-Bull-Anwärter bis hin zum Arbeitslosen hat Jean-Eric Vergne innerhalb eines Jahres viele Gemütszustände durchgemacht. Jetzt könnte sich das Blatt wenden und er noch ein weiteres Jahr in der Formel 1 fahren - es wäre immerhin sein fünftes in der Königsklasse. Der Franzose könnte von Max Verstappens Verpflichtung profitieren und die Rolle des erfahrenen Piloten bei Toro Rosso einnehmen. Der junge Verstappen würde sich Vergne an seiner Seite wünschen, daraus machte er kein Geheimnis.

Selbst Teamchef Franz Tost legte ein gutes Wort für den 24-Jährigen ein. "Ich würde persönlich gerne mit ihm weiterarbeiten. Aber wir müssen abwarten, was Red Bull entscheidet", so der Österreicher. Sollte Red Bull allerdings sein Jugendkonzept weiter durchziehen, stünde Tost eine doppelte Rookie-Aufgabe bevor. Für Teamchefs gibt es leichtere Herausforderungen. Sowohl Vergne als auch Toro Rosso sind in dieser Angelegenheit komplett von Red Bull abhängig. Wenn sie Favorit Carlos Sainz Junior, Alex Lynn oder Pierre Gasly schon 2015 in der Formel 1 sehen wollen, dann wird es so kommen.

Rettet sich Jean-Eric Vergne in ein fünftes F1-Jahr?, Foto: Sutton
Rettet sich Jean-Eric Vergne in ein fünftes F1-Jahr?, Foto: Sutton

Baustelle 6: Die Leiharbeiter

Adrian Sutil, Esteban Gutierrez, Kamui Kobayashi, Max Chilton und Co. - selten war der Fahrermarkt voller gepackt mit aktuellen Stammfahrern. Jeder dieser Piloten erhofft sich ein festes Cockpit für 2015. Die Hoffnungen sind allerdings an die finanzielle Situation bei den beiden Pleite-Teams Caterham und Marussia geknüpft. Kehren sie in Abu Dhabi ins Starterfeld zurück, stehen die Chancen gut, sie auch 2015 wieder in der Formel 1 zu sehen.

Aufgrund der prekären Situation darf sich allerdings keiner der aktuellen Stammfahrer seines Jobs sicher sein. Caterham und Marussia stehen weiter unter strengster Beobachtung der FIA. Bis zum 30. November müssen sie eine halbe Million Euro als Nenngeld für 2015 aufbringen. Am Ende dürften die Fahrer mit den potentesten Sponsoren die besten Karten haben. Gerade für Sutil und Kobayashi könnte es also erst einmal schwierig werden, in der F1 zu bleiben.