Es ist das Duell der Saison: Nico Rosberg gegen Lewis Hamilton. Beide Mercedes-Piloten kämpfen dieses Jahr konkurrenzlos um die Weltmeisterschaft. Mercedes trägt nicht nur mit seinem starken Silberpfeil dazu dabei, sondern auch, indem das Team beide Fahrer frei fahren lässt. Klare Ansage aus der Führungsetage: Teamorder gibt es nicht. Kein Geheimnis: Das funktioniert nur so lange, wie sich Rosberg und Hamilton auf der Strecke nicht gegenseitig über den Haufen fahren. Unterm Strich steht der Erfolg des Teams über allem.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Teamorder bedeutet bei Mercedes nicht, dass beide Seiten der Garage machen können, was sie wollen. Stichwort: Datenaustausch und absolute Transparenz zwischen beiden Titelanwärtern. Es geht vielmehr darum, dass innerhalb des Teams Ruhe herrscht und sämtliche Parteien für den gemeinsamen Erfolg der Silberpfeile in der Formel 1 kämpfen. "Es gibt in der Box immer zwei Lager", erklärte Toto Wolff. "Auf beiden Seiten hast du Ingenieure, die ultra-wettbewerbsfähig sind und wollen, dass ihr Fahrer gewinnt." Aufgabe des Teammanagements sei es, dies abzufangen und zu schauen, dass der interne Wettbewerb nicht Überhand nimmt.

Mercedes dominiert das Geschehen in der Formel 1, Foto: Sutton
Mercedes dominiert das Geschehen in der Formel 1, Foto: Sutton

Dann beginnen die schmutzigen Tricks

Wolff versteht, dass sowohl Rosberg als auch Hamilton in erster Linie auf den eigenen Erfolg bedacht sind. Konkret ausgedrückt: den Gewinn der Weltmeisterschaft. Wenn sich der Wettstreit allerdings innerhalb des Teams fortsetzt, leidet das Kollektiv. "Dann beginnen die schmutzigen Tricks", sagte der Motorsportchef am Rande des Belgien Grand Prix. "Dann hast du im eigenen Team zwei gegnerische Mannschaften. Das wollen wir unter Kontrolle behalten." Heißt im Klartext: Auf der Strecke darf gegeneinander gekämpft werden, abseits jedoch nicht.

Wolff war klar, dass dies kein einfacher Kompromiss ist. Die jüngere Vergangenheit hat gezeigt, dass es immer wieder zu Reibereien zwischen Rosberg und Hamilton kommt. Beides sind Alphatiere - da steckt niemand freiwillig zurück. "Manchmal wird einer mehr darunter leiden als der andere", machte sich Wolff mit seiner Herangehensweise nichts vor. "Das sehen wir ja jetzt schon: Manchmal ist der eine ein bisschen grantig, dann der andere." Bisher sei es noch niemandem gelungen, dies über einen längeren Zeitraum zu kontrollieren. Wolff war aber zumindest guter Dinge, dass Mercedes dieses Husarenstück schafft.

Keine einfache Zeit für die Mercedes-Führungsetage, Foto: Sutton
Keine einfache Zeit für die Mercedes-Führungsetage, Foto: Sutton

Wir wollen keine Roboter

Würde das Team einen Fahrer absichtlich einbremsen, um dem anderen einen Vorteil zu verschaffen, wäre es wohl sowieso schnell dahin mit der Harmonie. Der Verzicht auf Teamorder sorgt zumindest dafür, dass sich beide Piloten bei Mercedes gleichwertig behandelt fühlen. "Wir wollen keinen Roboter in den Autos, die kommentar- und emotionslos alles hinnehmen", machte Wolff klar. "Denn sonst könnten wir wirklich Roboter reinsetzen oder die Autos ferngesteuert fahren lassen. Wir wollen Persönlichkeiten in den Autos haben. Und wenn du eine Persönlichkeit hast, musst du dich auch manchmal auf eine Diskussion einlassen."

Diskutiert wird bei Mercedes genug. Nach beinahe jedem Rennwochenende gibt es Klärungsbedarf. Das Team ist darauf bedacht, die Fahrer nicht unwissend abziehen zu lassen. Devise: Probleme werden nicht unter den Tisch geklärt, sondern offen besprochen und dann gelöst. Das funktioniert mal besser, mal schlechter. "Es ist ganz wichtig, dass diese Diskussion so stattfindet, dass sie das Team nicht schädigt", sagte Wolff. "Das wissen auch beide Fahrer."

Rosberg und Hamilton: Keiner will zurückstecken, Foto: Sutton
Rosberg und Hamilton: Keiner will zurückstecken, Foto: Sutton

Entscheidungen werden befolgt

Doch am Ende hat eben die Teamführung den längeren Arm und trifft die Entscheidungen. Auch das sei Rosberg und Hamilton bewusst, versicherte Wolff. "Es gibt am Kommandostand einen Verantwortlichen", so der Österreicher. "Und wenn dieser Verantwortliche etwas sagt, dann gilt das. Das heißt: Wenn wir eine glasklare Entscheidung treffen, wird es nicht mehr zu einer Situation kommen, in der diese Entscheidung nicht befolgt wird."

Mercedes ist nicht das erste Team in der Formel 1, das diese Politik fährt - und doch ging es in der Vergangenheit immer wieder schief, wenn es auf der Strecke hitzig wurde. Die Frage lautet also: Kann Mercedes auf jeden Fall verhindern, dass es zwischen Rosberg und Hamilton auf der Strecke knallen wird?

Nach Doppel-Pole: Mercedes-Doppelsieg in Spa?, Foto: Sutton
Nach Doppel-Pole: Mercedes-Doppelsieg in Spa?, Foto: Sutton

Kein Mach-alle-glücklich-Business

Die Antwort lieferte Wolff: "Nein. Das wollen wir auch nicht. Du kannst nicht alles kontrollieren und fernsteuern. Im Sport ist es wichtig, dass es Persönlichkeiten gibt, die sich nichts schenken und sich bekämpfen. Das wollen wir auch hochheben. Das ist gut für uns und auch für die Marke. Deswegen können Kontroversen entstehen. Ob es da knallen muss, ist die Frage. Es bleibt spannend bei uns." Wolff war zumindest guter Hoffnung, dass sich Rosberg und Hamilton aus dem Weg gehen. Beiden sei schließlich bewusst, dass sie damit nur dem Team schaden würden.

Gleichzeitig zeigte der Motorsport-Verantwortliche Verständnis für die Ansprüche seiner beiden Fahrer. "Das ist nicht nur ein Rennen auf der Strecke, sondern auch abseits", so Wolff. "Teil davon ist, sich selbst zu positionieren und sicherzustellen, dass du die bestmögliche Position innerhalb des Teams hast, um das Beste für dich selbst herauszuholen." Doch irgendwann sei ein Punkt erreicht, an dem nicht beide Piloten durchweg zufrieden sein können. Wolff in klaren Worten: "Wir wollen das Maximum für beide herausholen. Wir sind aber auch nicht im Mach-alle-glücklich-Business."