Es war ein bitterer Moment für Sebastian Vettel. Während Daniel Ricciardo siegestrunken und champagnerbespritzt in der internationalen Pressekonferenz Rede und Antwort stand, musste der Heppenheimer den versammelten Journalisten im Paddock einmal mehr erklären, warum er schon wieder hinter seinem Teamkollegen zurückgeblieben war, der nun stallintern bereits 9:2 die Nase vorne hat.

Verkorkste Saison

Champagnerdusche für den Teamkollegen in Montreal, Foto: Sutton
Champagnerdusche für den Teamkollegen in Montreal, Foto: Sutton

Der Große Preis von Ungarn war ein Spiegelbild der gesamten bisherigen Saison. Während Vettel, der letztlich Siebter wurde, wie so oft mit den äußeren Umständen, wie dem unglücklichen Einsatz des Safety Cars und einem plötzlichen Leistungsabfall beim Restart, haderte, lief für Ricciardo alles wie am Schnürchen. Der stets fröhliche Australier setzte auf die genau richtige Strategie und überholte in den letzten Runden sowohl Lewis Hamilton als auch Fernando Alonso, was ihm den zweiten Sieg nach Montreal bescherte.

"Ich fühle mich in dieser Umgebung wohl. Ich bin ein anderer Rennfahrer und auf gewisse Weise auch eine andere Person, ein anderer Sportler als ich es letztes Jahr war", gab Ricciardo mit breitem Grinsen zu Protokoll. "Ich glaube nun mehr an mich und das ist cool. Ich spüre definitiv, dass ich hier her gehöre und habe Selbstvertrauen."

Solche Worte hörte man aus Vettels Mund schon lange nicht mehr. Seit Anbeginn der Saison, seit den Testfahrten, zog es der Heppenheimer vor, sich über die neue Formel 1 zu beschweren. Man könnte nahezu meinen, mit seiner negativen Herangehensweise zog er die zahlreichen Defekte, die er erlitt, magnetisch an, während der frohgemute Ricciardo von technischen Gebrechen weitestgehend verschont blieb.

Verheerende Bilanz

Was unter dem Strich bleibt, ist eine ziemlich verheerende Bilanz für Vettel. Ricciardo hat in allen relevanten Vergleichen die Nase ganz klar vorne, sei es in Siegen (2:0), Podestplätzen (5:2), im Qualifyingduell (7:4) und nicht zuletzt natürlich in der Punktewertung (131:88). Diese Zahlen schmerzen Vettel noch deutlich mehr, als die Tatsache, dass er als Weltmeister schon lange entthront ist und sein Nachfolger aus dem Mercedeslager kommt.

Ricciardo sieht Vettel zumeist im Rückspiegel, Foto: Sutton
Ricciardo sieht Vettel zumeist im Rückspiegel, Foto: Sutton

Es ist ein ungewohntes Gefühl für den Heppenheimer, im Team nicht die erste Geige zu spielen. Seit seiner ersten vollen Formel-1-Saison im Jahr 2008 war er seinen Stallgefährten immer überlegen, zunächst bei Toro Rosso, dann bei Red Bull. Jetzt scheint sich das Blatt zu wenden, wenngleich man Vettel natürlich nie abschreiben darf, denn gerade im Herbst fährt der Heppenheimer traditionell stark und entschied bereits so manch verloren geglaubtes Duell für sich.

Ob es auch diesmal so kommt? Teamchef Christian Horner ist davon überzeugt. "Er wird zurückkommen, denn er hatte in den letzten Monaten viel Pech", sagte der Brite in Budapest. Sollte die Misere allerdings andauern, werden die Gerüchte um einen möglichen Teamwechsel Vettels nicht verstummen, denn auch ein vierfacher Weltmeister hat noch Ziele und verspürt wenig Lust, sich im Schatten seines Teamkollegen jenseits des Podiums aufzureiben.