New York, Freitagmorgen 5.58 Uhr - das Handy von Marco Mattiacci klingelt, auf der anderen Leitung ist Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo. "Als mir Montezemolo seine Idee verriet, habe ich ihm gesagt, dass es für einen Aprilscherz etwas spät ist. Erst im Verlauf des Gesprächs wurde mir klar, dass er es kein Scherz war, sondern absoluter ernst", erzählte Mattiacci. Drei Stunden später saß der Manager im Flugzeug von New York nach Milan.

Danach ging es für zwei Tage in die Ferrari-Fabrik nach Maranello, wo ihn sein Vorgänger Stefano Domenicali einwies. "Stefano ist ein toller Kerl und ein Freund von mir. Ich habe vor ihm privat und beruflich den größtmöglichen Respekt", betonte Mattiacci. Domenicali zog Anfang der Woche nach 23 Jahren bei Ferrari einen Schlusstrick und verkündete seinen Abschied als Teamchef. "Es gibt spezielle Momente in jedem Berufsleben, in denen man den Mut braucht, schwierige und qualvolle Entscheidungen zu treffen. Es ist nun Zeit für eine signifikante Veränderung", erklärte der Italiener. "Diese Entscheidung habe ich mit dem Ziel getroffen, die Leute, denen ich sehr nahe stehe, wachzurütteln."

Kritik an Mattiacci

Mit Marco Mattiacci zieht nun ein amerikanischer Management-Stil bei Ferrari ein, zuletzt leitete der Italiener als Präsident und Geschäftsführer die Geschicke von Ferrari Nordamerika. "Ich wollte jemanden aus der Ferrari-Familie und nicht um die Welt ziehen, um einen Söldner zu suchen. Ich habe entschieden, einen jüngeren Verantwortlichen einzusetzen, zu dem ich viel Vertrauen habe", erklärte Luca di Montezemolo seine Entscheidung, die nicht alle gut heißen. Italienische Medien kritisieren Mattiaccis mangelnde F1-Erfahrung, andere Medien spekulieren wiederum, dass Mattiacci nur ein Platzhalter für Flavio Briatore, Ross Brawn oder Gerhard Berger ist.

Doch Montezemolo stellte klar: "Ich glaube fest an Marco." Mattiacci selbst lässt die Kritik an seiner Person kalt. Er weiß, dass er nicht die F1-Erfahrung eines Domenicalis besitzt, aber das müsse nichts Negatives sein. "Manchmal ist es ganz gut eine andere Perspektive reinzubringen, um Probleme zu lösen und Möglichkeiten aufzuzeigen. Ich akzeptiere die Kritik. Ich weiß, dass ich mich noch beweisen muss - ich kann den Leuten nur sagen, dass ich extrem motiviert bin", betonte der Italiener abseits des China GP.

In Shanghai absolvierte er seinen ersten offiziellen Auftritt als Ferrari-Teamchef und löste ungewollt einen Sturm auf den sozialen Netzwerken aus. Trotz starker Bewölkung über dem Shanghai International Circuit lief Mattiacci den ganzen Tag mit schwarzer Sonnenbrille durch die Gegend, was von den Journalisten - unter anderem auch von Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner - kopiert wurde. Die Erklärung für sein Fashion-Statement hörte sich weit weniger aufregend an: "Wenn man in weniger als vier Tagen 40 Stunden im Flieger sitzt und nicht zum Schlafen kommt, dann braucht man eine Sonnenbrille", so Mattiacci.