Ferrari sorgte in Abu Dhabi für ausreichend Diskussionsstoff. An erster Stelle stand Fernando Alonsos Krankenhausbesuch, nachdem er im Rennen während eines Überholmanövers gegen Jean-Eric Vergne hart über die Kerbs gefahren war. Da ging ein anderer Zwischenfall schon fast unter: Schob Ferrari Alonso während des Rennens künstlich an Felipe Massa vorbei? Der Brasilianer hatte vor einigen Wochen, als sein Abschied aus Maranello zum Saisonende bestätigt war, angekündigt, keine Teamorder befolgen zu wollen - und sich zwischenzeitlich gegen Alonso durchgesetzt. In Abu Dhabi hatte Alonso nach einem diskutablen letzten Boxenstopp von Massa am Ende die Nase vorn.

Aus strategischer Sicht war der Yas Marina Circuit für Ferrari nie ein einfaches Pflaster. Alonso wird sich ungern an 2010 und einen gewissen Vitaly Petrov zurückerinnern... Auch diesmal war es nicht leicht. In der ersten Hälfte des Rennens machte es den Anschein, als ob Ferrari seine beiden Piloten gegeneinander fahren lassen würde. Beim Start behielt der von Platz sieben gestartete Massa die Oberhand gegenüber Alonso auf Startplatz zehn. Im ersten Stint hatte der Brasilianer, auch wegen seiner besseren Ausgangslage, permanent die Oberhand. Im zweiten Stint sah es ähnlich aus. Doch als die zweite Runde der Boxenstopps anstand, änderten sich die Verhältnisse.

Massas Boxenstopp in Runde 38, Foto: Sutton
Massas Boxenstopp in Runde 38, Foto: Sutton

Das Team zog bei Massas zweitem Stopp in Runde 38 einen Satz der Medium-Reifen auf, was nicht nur bei Beobachtern für Stirnrunzeln sorgte. Zuvor hatte Massa in seinem ersten Stint 18 Runden auf den weichen Reifen absolviert - der Mischung, die im Rennen deutlich schneller war. Nach dem zweiten Stopp wäre ein weiterer Stint auf Soft-Reifen über 17 Runden durchaus machbar gewesen, vor allem vor dem Hintergrund, dass Massas Auto zu diesem Zeitpunkt leichter war und die Asphalt-Temperaturen merklich abgekühlt waren, was der Überlebensdauer der Softs entgegenkommt.

Massa führte im zweiten Stint vor Alonso und wurde deshalb zuerst an die Box gerufen. Der Call in Runde 38 erschien zu früh, denn Massas Rundenzeiten nahmen nicht ab. Nichts erweckte den Anschein, dass Massa Probleme mit seinen Reifen hatte. Ferrari dachte möglicherweise aber, dass Alonso zu diesem Zeitpunkt eine überlegene Pace hatte. Nachdem sich der Spanier gegen Adrian Sutil und Lewis Hamilton durchgesetzt hatte, holte er schnell zu Massa auf. Das könnte Ferrari zu der Annahme veranlasst haben, dass Alonso besseren Speed und somit bessere Chancen auf ein gutes Punkte-Finish hatte.

Auch Massa war angesichts des Reifenwechsels auf die Medium-Reifen überrascht. "Es war eigentlich ein sehr gutes Rennen für mich, ich hatte die ganze Zeit über einen sehr guten Speed, aber beim zweiten Boxenstopp habe ich dann die falschen Reifen bekommen", sagte Massa im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Warum ich da die Mediums und nicht die Softs bekommen habe, die über eine Sekunde schneller waren, verstehe ich nicht." Massa war sicher, dass er das Rennen auf Platz fünf statt acht hätte beenden können - der Position, die Alonso am Ende erzielte.

Massa dachte anscheinend, dass die Reifenwahl sowieso auf die Soft-Mischungen fallen würde, deshalb erwähnte er dies nicht mehr am Teamfunk auf dem Weg an die Box. "Das Team hat mich in allerletzter Sekunde an die Box gerufen", so Massa. "Erst ein paar Kurven vor der Boxeneinfahrt bekam ich den Funkspruch. Ich hoffte, dass ich die weichen Reifen bekommen würde - aber das war leider nicht der Fall. Aber es war eben auch keine Zeit zum Diskutieren..."

Ergebnis: Alonso Fünfter, P8 für Massa, Foto: Sutton
Ergebnis: Alonso Fünfter, P8 für Massa, Foto: Sutton

Bei Alonsos zweitem Boxenstopp in der 44. Runde - auf die weichen Reifen - zweifelt der UBS Strategy Report an der Richtigkeit dieser Entscheidung. Alonso musste länger auf der Strecke bleiben als Massa, um eine Chance zum Überholen zu bekommen. Doch vielleicht rief Ferrari den Spanier ebenfalls zu früh an die Box. Dies führte schließlich zu dem Zwischenfall mit Vergne. Zu diesem Zeitpunkt fuhr Massa hinter den beiden. Wäre Alonso stattdessen eine Runde länger draußen geblieben, wäre er mit hoher Wahrscheinlichkeit deutlich vor Vergne wieder auf die Strecke zurückgekehrt und nicht über die Kerbs gebrettert.

Laut Pat Fry hatte Ferrari eigentlich geplant, beide Piloten auf eine Ein-Stopp-Strategie zu setzen. Doch dann merkte das Team, dass der Medium-Reifen im zweiten Stint nicht lange genug halten würde, um weiter konkurrenzfähige Rundenzeiten erzielen zu können. "Im Abgleich mit unseren Simulationen sagten wir Fernando und Felipe, dass sie Vollgas geben sollen, weil sie noch einen Stopp einlegen mussten", erklärte Fry die Entscheidung. "Mit Fernando schafften wir 44 Runden, was bedeutete, dass er die weichen Reifen bis zum Ende fahren konnte. Leider konnten wir bei Felipe nicht das gleiche machen und setzten ihn auf die Mediums, um nichts zu riskieren. Das war wirklich schade."

Ferraris Boxenstopps in Abu Dhabi

Alonsos Boxenstopps: Soft gebraucht / Medium neu (R. 16) / Soft gebraucht (R. 44)
Massas Boxenstopps: Soft gebraucht / Medium neu (R. 18) / Medium neu (R. 38)