Max, wie ist deine Debütsaison bislang für dich verlaufen?
Max Chilton: Ich werde den Moment nie vergessen, als in Australien die Startampeln ausgingen. Die Vorbereitung war sehr anstrengend. Ich hatte viele Testtage, weil wir lange nicht wussten, wer mein Teamkollege sein würde. Das kam mir natürlich entgegen. Als Rookie ist es wichtig, dass man die Lektionen vom ersten Rennen aufs nächste überträgt. Das hat für mich gut funktioniert. Ich hatte einige gute Rennen, zum Beispiel meinen 14. Platz in Monaco. Dort fuhr ich ein gutes Qualifying und hatte auch ein gutes Rennen. Leider hatte ich den Zwischenfall mit Pastor Maldonado und erhielt eine Drive-Through-Strafe, aber ich war schneller als Giedo van der Garde und Jules Bianchi und holte sie ein. Mein Heimrennen in Silverstone war leider nicht so toll, aber ich habe die Erfahrung dennoch genossen. Die Fans waren einfach unglaublich.

In dieser Saison gibt es einige back-to-back-Rennen. Kommt dir das entgegen?
Max Chilton: Ich bin kein riesiger Fan von back-to-back-Rennen. Nach einem schlechten Wochenende ist es schön, ein weiteres Wochenende zu haben, um das erste vergessen zu machen. Bei Überseerennen sind back-to-back-Rennen gut, aber in Europa ist es nicht so toll - dann würde man durchgängig in einem Flugzeug leben.

Du sagst, du wirst den Start in Melbourne nie vergessen. Warst du etwas nervös?
Max Chilton: Diese Frage wird mir häufig gestellt und ich sage immer, dass ich nicht nervös gewesen bin. Man hat so viel zu tun, man hat regelrecht keine Zeit, um nervös zu sein. Vor meinem ersten Qualifying war ich nervös, denn das fand bei nassen, schwierigen Bedingungen statt. Danach dachte ich schon, dass ich vor dem Rennen nervös sein würde. Aber sobald ich im Auto festgeschnallt war, ging es schon los mit der Out-Lap, dann kam die Startaufstellung, ein letzter Gang auf die Toilette und kaum bist du wieder im Auto, gehen die Ampeln schon aus. Man hat einfach keine Zeit, um nervös zu werden.

Wie neu waren die ganzen Gespräche im Funk für dich?
Max Chilton: Ich hatte schon immer Funk in anderen Serien, aber in der Formel 1 haben die Teams viel mehr Daten zur Verfügung. Also halten sie dich darüber ständig auf dem Laufenden. Sie sagen dir, dass du anders herangehen sollst oder die Temperaturen nach oben bringen musst, wo die anderen Autos vor oder hinter dir liegen, ob du blaue Flaggen gezeigt bekommst... In den Nachwuchsserien musst du dir keine Gedanken um die blauen Flaggen machen, weil du meistens an der Spitze fährst.

Chilton hatte gar keine Zeit, nervös zu sein, Foto: Sutton
Chilton hatte gar keine Zeit, nervös zu sein, Foto: Sutton

Wie sieht es mit den ganzen Änderungen am Lenkrad aus?
Max Chilton: Darin bin ich ziemlich gut. Ich muss gar nicht nach unten schauen, welche Knöpfe ich drücke. Das kostet zu viel Zeit. Dafür gibt es Testfahrten im Winter und Simulatoren, um all das zu lernen.

In der modernen Formel 1 darfst du nicht so viele schnelle Runden fahren, wie es dir lieb wäre. Du kennst die geringen Trainingszeiten bereits aus der GP2.
Max Chilton: In der GP2 ist es sogar noch schlimmer. Es gibt eine halbe Stunde Freies Training und dann geht es direkt ins Qualifying. Insofern wird man also gut auf die Formel 1 vorbereitet. Denn dort gibt es zwar kaum Testfahrten, aber viel mehr Trainingszeit vor dem Qualifying.

Lernst du in der GP2, dich effizienter vorzubereiten und zu arbeiten?
Max Chilton: Absolut. Man wird quasi dazu gezwungen, denn alle sitzen im gleichen Boot. In der GP2 ist es oft auch nützlich, den Reifensatz aus dem Training zu sparen - dadurch fährt man dann noch weniger Runden.

Achtest du darauf, was über dich in den Medien geschrieben wird?
Max Chilton: Sehr wenig. Wenn es eine schöne, exklusive Geschichte ist, vielleicht schon, aber ansonsten ist es einfach viel zu viel. Das kann ich nicht alles lesen.

Als Formel-1-Fahrer hast du viele Aufgaben - vor allem abseits des Cockpits. Du musst Interviews geben, Sponsorenevents besuchen, deine Crew motivieren. Gefällt dir das?
Max Chilton: Es ist toll, dass so viele Leute involviert sind. Alle sind voller Leidenschaft und arbeiten unermüdlich, um zu gewinnen. Es ist wie eine große Familie. Wir gewinnen und verlieren zusammen. Es ist schön, dass es außerhalb des Autos so viel zu tun gibt. Das gehört einfach zu unserem Job.

Wie wichtig ist es für dich, dir Ziele für die anstehenden Rennen zu setzen?
Max Chilton: In den Nachwuchsklassen änderst du deine Ziele relativ häufig. In der Formel 1 haben wir ein Ziel für die Saison: den ersten Punkt für Marussia einzufahren. Natürlich habe ich auch persönliche Ziele, die aber im Verlauf der Saison gleich bleiben. Wenn ich diesen einen Punkt holen könnte, wäre das unglaublich. Das Team hat drei Jahre sehr hart gearbeitet, um diesen Zähler zu holen und ich würde ihn der Mannschaft liebend gerne schenken.

Motorsport-Magazin.com verhört Max Chilton, Foto: Sutton
Motorsport-Magazin.com verhört Max Chilton, Foto: Sutton

Macht es diese Veränderung für dich noch schwieriger?
Max Chilton: Es ist nicht schwieriger, man weiß ja, dass es so sein wird. Wenn ich aber meinen Teamkollegen schlagen kann, ist das für mich wie eine Pole Position.

Werfen wir noch einen Blick voraus: Denkst du manchmal in einer stillen Minute über deine Zukunft nach?
Max Chilton: Auf jeden Fall, die Zukunft ist wichtig. Andererseits sollte man nicht allzu viel Zeit damit verbringen, über die Zukunft nachzudenken. Viel wichtiger ist, was man im Hier und Jetzt leistet. Ich denke nicht darüber nach, ob ich in fünf Jahren Rennen gewinne oder für wen ich dann fahren werde. Die harte Arbeit steht jetzt an - darauf konzentriere ich mich.

Die Formel 1 kann ein sehr harsches Umfeld für junge Fahrer sein. Machst du dir manchmal Sorgen, dass es auch dein Traum jäh beendet werden könnte?
Max Chilton: Das ist Teil unserer Welt. Überall rücken junge Talente nach, egal ob in der Formel 1 oder im Fußball. Man muss einfach immer sein Bestes geben und hoffen, dass man so lange wie möglich dabei bleiben darf.

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