Pro Räikkönen, Contra Ricciardo: Leistung von Beginn an

von Annika Kläsener

Ohne Daniel Ricciardo zu nahe treten oder sein Talent schmälern zu wollen - Kimi Räikkönen ist der schnellere Pilot. Der Finne ist ein Ausnahmetalent, das mit weniger Pech mit dem Defektteufel bereits mehr als einen Weltmeistertitel auf dem Konto haben könnte. Ich will nicht ausschließen, dass Ricciardo einmal ähnlich schnell sein kann wie Räikkönen, aber dafür braucht er sicher noch ein paar Jahre. Red Bull ist nicht unbedingt der ideale Ort, sich nach und nach zu entwickeln, da dort von Anfang an Ergebnisse erwartet werden. Unter diesem Druck kann auch ein unbeschwert wirkender Sunnyboy zerbrechen.

Foto: Lotus F1 Team
Foto: Lotus F1 Team

Räikkönen dagegen weiß genau, was von ihm erwartet wird und ist sicherlich in der Lage, ab dem ersten Rennen für Red Bull seine Leistung auf den Punkt abzurufen. Eine weitere Stärke des Finnen ist, dass er konstant Punkte sammelt, was er unlängst mit einem Rekord bewiesen hat. Das ist vor allem deshalb wichtig, weil Red Bull sehr hohen Wert auf die Konstrukteurs-WM legt. Was dem Team in dieser Hinsicht ebenfalls zugutekäme, sind die hohen Ansprüche, die Räikkönen selbst stellt. Mit einem zweiten Platz, den Ricciardo überschwänglich feiern würde, gibt sich der Iceman nicht zufrieden. Er will gewinnen. Und genau so einen Mann braucht Red Bull.

Pro Ricciardo, Contra Räikkönen: Wenn nicht jetzt, wann dann?

von Christian Menath

Wieso den unerfahrenen Youngster ins Team holen und nicht mit Räikkönen einen erfahrenen Weltmeister? Ganz einfach: Genauso wie die Jugend gegen Riccardo spricht, so spricht sie auch für ihn. Natürlich ist es eine riesige Leistung , überhaupt in die Formel 1 zu kommen, doch in der Königsklasse hat Ricciardo noch nichts erreicht - was natürlich überwiegend auf das vorhandene Material zurückzuführen ist. Entsprechend hungrig ist der Australier noch und wird bei Red Bull an der Seite von Sebastian Vettel alles - und vielleicht noch ein bisschen mehr - geben, um diese eine Chance zu nutzen.

Ricciardo steht noch am Anfang seiner Karriere, Foto: Red Bull
Ricciardo steht noch am Anfang seiner Karriere, Foto: Red Bull

Im Gegenzug frage ich mich, wie motiviert Kimi Räikkönen bei Red Bull wäre. Immerhin holte der Finne bei Ferrari schon 2007 seinen heißersehnten Weltmeistertitel, kurz darauf verlor er die Motivation und verließ die Formel 1. Erst nach einem Rallye-Intermezzo fand er wieder die Lust an der Königsklasse und unterschrieb bei Lotus. Dort erledigt er zwar einen fantastischen Job, Lustlosigkeit will ich ihm auch nicht anheften, doch es darf berechtigt die Frage gestellt werden, wie lange er den Formel-1-Zirkus noch mitmachen will. Merkt der Iceman nach einem Jahr plötzlich, dass Vodka doch besser schmeckt als Champagner, muss Red Bull wieder nach einem neuen Fahrer Ausschau halten.

Während Räikkönen mit 33 schon im Herbst seiner Formel-1-Karriere angekommen sein dürfte, befindet sich der fast zehn Jahre jüngere Ricciardo noch im Frühling. Auch wenn Räikkönen auf einem absoluten Top-Niveau fährt, große Sprünge sind nicht mehr zu erwarten. Riccardo hingegen hat Potential. Wie weit es reichen wird? Ungewiss, doch vielleicht überflügelt er sogar den coolen Finnen - das muss ja noch nicht in der ersten Saison passieren. Solange kein teaminterner Zwist entsteht und der Australier gute Punkte für das Team einfahren kann, hat er seinen Job erledigt. Und das Konfliktpotential - Freundschaft hin oder her - zwischen Vettel und Räikkönen sollte doch etwas größer sein.

Soll Scott Speed der Junioren-Höhepunkt bleiben?, Foto: Sutton
Soll Scott Speed der Junioren-Höhepunkt bleiben?, Foto: Sutton

Unabhängig von allen Leistungen: Das Red-Bull-Junior-Programm sollte schön langsam einmal Früchte tragen. Bislang sieht es da eher mau aus. Da Vettel - entgegen der häufigen Darstellung - kein Red-Bull-Mann ist, sondern die BMW Jugendförderung genoss, bleiben große Namen bislang aus. Oder sollen Scott Speed und Jaime Alguersuari die Höhepunkte bleiben? Red Bull steckt nicht nur viel Geld in die Formel 1, sondern auch in die Nachwuchsförderung. Ob Ricciardo der richtige Mann dafür ist? Aus dem Pool der bisherigen Nachwuchskandidaten ist er vermutlich der vielversprechendste Pilot. Wann also wagen, wenn nicht jetzt?