Es ist die große Frage nach dem Großen Preis von Malaysia: Warum ordnete Mercedes in den Schlussrunden eine Teamorder an und ließ den schnelleren Nico Rosberg seinen Teamkollegen Lewis Hamilton nicht überholen? Allen im Team war klar, dass Rosberg der Schnellere der beiden war und den Platz auf dem Podium absolut verdient hätte. Die Mercedes-Erklärung: Das Team um Ross Brawn wollte auf den letzten Kilometern kein Risiko mehr eingehen und die 27 WM-Punkte - die meisten für Mercedes seit der F1-Rückkehr - sicher heimbringen. Verständlich: Ein riesiger Aufschrei wäre durchs Land und vor allem die Daimler-Chefetage gegangen, wenn sich die beiden Silberpfeile gegenseitig abgeschossen hätten.

Mercedes zählte vor dem Malaysia GP zu den stärksten Teams im Feld und endlich, ja endlich, konnte die Mannschaft problemlos vorn mitfahren und sogar Red Bull Paroli bieten. Warum also die starke Team-Performance riskieren, indem man Rosberg und Hamilton frei fahren lässt? Hamilton nahm schon frühzeitig Pace raus und sparte Sprit, weil Mercedes etwas zu knapp kalkuliert hatte. Aber kein Problem, Gegner waren weit und breit nicht zu sehen auf der Strecke. Da war nur Rosberg - und zwar ganz dicht dahinter.

No risk, no fun? Egal, Foto: Sutton
No risk, no fun? Egal, Foto: Sutton

Rosberg forderte das Team sogar auf, ihn an Hamilton vorbei zu lassen. Er sei schneller, wie er völlig richtig feststellte. Das sah sicherlich auch Brawn, doch grünes Licht gab er nicht. "Ich möchte bitte beide Autos heil nach Hause bringen", lautete Brawns Begründung. Kein Risiko eben. Aber hier stellt sich die Frage, wie hoch das Risiko gewesen wäre, Rosberg an Hamilton vorbeizuschleusen. Rosberg hinter Hamilton halten war kein Problem, anders herum anscheinend schon? Was hat sich Brawn wohl genau bei dieser Entscheidung gedacht? Klar ist: Der Teamchef steht unter Druck, ein Erfolgserlebnis war nach der langen Dürrezeit eine wunderbare Abwechslung und der Brite wollte diesen Erfolg mit aller Macht.

Klar ist auch, dass die Entscheidung, Hamilton vor Rosberg zu halten, die sicherste war. Hätte Hamilton wirklich Probleme mit seinem Sprit bekommen, hätte Rosberg nach hinten absichern können gegen einen Felipe Massa, der jedoch beträchtlichen Rückstand hatte und sein eigenes Rennen fuhr. Was hätte aber passieren können, wenn Rosberg an Hamilton vorbei gelassen worden wäre; mögliche Horror-Szenarien: Rosberg leckt Blut, jagt die Red Bulls und begeht einen Fehler oder verheizt das Auto auf den letzten Kilometern. Oder Hamilton, manchmal doch etwas eigen, akzeptiert die Teamorder nicht und sucht das riskante Duell mit Rosberg. Oder Hamilton wird allein gelassen und muss sich allein gegen Massa verteidigen, der zumindest theoretisch hätte rankommen können.

Enge Kiste bei Mercedes, Foto: Sutton
Enge Kiste bei Mercedes, Foto: Sutton

Alles mögliche Situationen, die Mercedes zu den - wie es Toto Wolff bezeichnete - Silberdeppen hätten verkommen lassen. Mercedes wusste, dass Rosberg sich zwar grün und blau ärgert, seine Loyalität zum Team aber über allem steht und deshalb keine Gefahr einer Teamorder-Widersetzung besteht. Wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass wirklich etwas passiert wäre, wenn Rosberg P3 bekommen hätte, sei einmal dahingestellt. Bei zwei so erfahrenen Piloten doch sehr gering, möchte man allerdings annehmen.

Die Teamorder war also die sicherste Lösung, die wichtigen Punkte nicht zu gefährden. Mercedes handelte erfolgsorientiert. Aber: Was leider völlig unterging war der Fakt, dass sich Mercedes wirklich verbessert und ein richtig gutes Auto auf die Beine gestellt hat. Stattdessen drehte sich die Berichterstattung in Sepang fast exklusiv um die Teamorder und einen Rosberg, bei dem noch nicht klar ist, wie er diese Entscheidung verdaut. Risiko-Minimierung ist im Sport keine schlechte Sache. Risiken abwägen hingegen auch nicht.