Pro: Grundlagen für bessere Zukunft gelegt

von Philipp Dunker

Die Zukunft des Marussia-Virgin-Rennstalls ist gesichert. Nachdem Ende 2010 bereits der russische Sportwagenhersteller Marussia beim Team eingestiegen ist und somit die finanzielle Zukunft des britischen Rennstalls geklärt ist, tat sich im Laufe des Jahres auch auf der technischen und der Fahrerseite einiges. Für das junge Team sicherlich das Positivste an der sportlich durchwachsenen Saison.

In seiner zweiten Saison in der Formel 1gab der Rennstall um Team-Chef John Booth eine umfassende technische Partnerschaft mit McLaren bekannt. Neben Tests im McLaren-Windkanal in Woking, stehen dem Team des Deutschen Timo Glock auch die Prüfstände des Traditionsrennstalls zur Verfügung. Außerdem können die Virgin-Piloten den Simulator mitbenutzen. Zusätzlich erhält Virgin McLarens Unterstützung in Strategiefragen.

Jerome d'Ambrosios 14. Platz im Regen von Kanada blieb das beste Saisonergebnis, Foto: Sutton
Jerome d'Ambrosios 14. Platz im Regen von Kanada blieb das beste Saisonergebnis, Foto: Sutton

Wie das Beispiel Force India zeigt, ist es möglich, sich binnen zweier Jahre vom Schlusslicht in der Startaufstellung zum Favoritenschreck hochzuarbeiten. Force India hat sich auch dank McLaren-Hilfe inzwischen als Mittelfeldteam etabliert. Der sechste in der Konstrukteurswertung konnte im letzten Saisonrennen sogar das Mercedes-Werksteam hinter sich lassen. Ein ähnlicher Weg schwebt auch Virgin vor. Nach der Mitte der Saison erfolgten Trennung vom langjährigen Chef-Designer Nick Wirth scheint das Team zudem auch technisch auf den richtigen Weg umzuschwenken und sich nicht mehr vollends auf die CFD-Technik zu konzentrieren.

Dabei ist der ehemalige Technische Direktor des Renault-Rennstalls Pat Symonds dem Team als Berater behilflich. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Pluspunkt ist die langfristige Vertragsverlängerung von Timo Glock. Der Wersauer hat sich bis 2014 an das Team gebunden und garantiert fahrerisch und in Sachen Feedback kompetente Kontinuität.

Contra: Desaströse zweite Saison

von Frederik Hackbarth

Das alte Sprichwort, wonach das zweite Jahr immer auch das schwierigste ist, passt bei Virgin wie die Faust aufs Auge. Die Briten konnten sich im Vergleich zum Vorjahr nicht steigern. Einzig und allein die Haltbarkeit des Boliden wurde verbessert, bei dem eklatanten Mangel an Grundspeed war das aber völlig nebensächlich. Das einzig Gute am Virgin-Jahr 2011 war die längst überfällige Entlassung des gescheiterten CFD-Gurus Nick Wirth. Das Mittelfeld war meilenweit entfernt und der Abstand zu Lotus alles andere als gering.

Bitter auch der sportliche Rückschritt im Verlauf des Jahres: War man in Australien noch weit vor HRT, fiel man bis zum Saisonfinale sogar hinter die Spanier zurück. Im Interlagos-Qualifying lagen die Virgin-Piloten bereits eine halbe Sekunde hinter Liuzzi. Für das Team kam das Jahresende gerade recht, wirkte es doch so, als sei man nahezu im freien Fall.

Sinnbild für eine völlig verkorkste Saison: Glocks Reifenpanne war der traurige Abschluss des Jahres, Foto: Sutton
Sinnbild für eine völlig verkorkste Saison: Glocks Reifenpanne war der traurige Abschluss des Jahres, Foto: Sutton

In Kanada und Belgien schaffte Jerome d'Ambrosio nicht einmal die Qualifikationshürde. Die Gnade der Stewarts rettete ihn vor der Zuschauerrolle, genauso wie Timo Glock in Indien. In der Türkei konnte der Hesse trotzdem nicht mitfahren - noch vor dem Start gab sein Getriebe den Geist auf. Unüberlegt auch die Politik der Teamleitung: Trotz respektabler Leistungen wurde D'Ambrosio relativ stillos vor die Tür gesetzt. Anstatt sich jedoch Erfahrung ins Boot zu holen, setzt man mit Charles Pic in Zukunft auf den nächsten Rookie.

Es stellt sich die Frage, wer die Entwicklung des Autos entscheidend vorantreiben soll - ein Glock allein macht noch kein Spitzenteam und auch dem Deutschen geht langsam die Geduld aus. Mit Kritik an Team und Auto sparte er 2011 nicht. Wer will es ihm verübeln? Dass er am Ende trotzdem verlängerte, resultierte vornehmlich aus dem Mangel an Alternativen. Wenn Virgin seine Schwächen nicht bald in den Griff kriegt und weiterhin in die falschen Bereiche investiert, bleibt das Team 2012 der absolute Top-Anwärter auf die rote Laterne.