24h Le Mans GEWINNER: Ferrari
Natürlich beginnen wir mit dem offensichtlichen Sieger bei den 24 Stunden von Le Mans: Ferrari. Das zweite Jahr in Folge triumphierte der italienische Sportwagenhersteller an der Sarthe, und das, obwohl doch einiges danebenging. Jedes Hypercar der Italiener erhielt im Laufe des Rennens mindestens einmal eine Strafe, auch das spätere Siegerauto. Dazu kam noch ein strategischer Fehler am Samstagabend, der die #50 (Fuoco/Molina/Nielsen) weit zurückwarf. Das alles mal ganz abgesehen von der offenen Tür, die Ferrari beinahe den Sieg gekostet hatte.
Doch in dem turbulenten 24h-Rennen kann kein Hersteller und wohl auch kaum ein Auto von sich behaupten, ohne einen Fehltritt durchgekommen zu sein. Es galt das Prinzip: Wer die wenigsten Fehler macht, gewinnt. Der #50-Ferrari manövrierte am besten seinen Weg durch die phasenweise chaotische Regenschlacht und obwohl Porsche bis zum Schluss Druck machte, schaffte es auch das zweite Werksauto der Roten mit 1,2 Sekunden Vorsprung aufs Podium. Da ist es sogar verschmerzbar für die Italiener, dass der AF-Corse-Kundeneinsatz mit einem Defekt am Elektromotor ein paar Stunden vor Schluss aufgeben musste.
24h Le Mans GEWINNER: Manthey-Porsche
Klar, bei den 24 Stunden von Le Mans steht die gesamtsiegfähige Hypercar-Kategorie im Fokus. Das soll aber den LMGT3-Klassensieg von Manthey -Porsche nicht im Geringsten schmälern. Im Feld der 23 GT3-Autos setzte sich nach 281 Runden der #91 Neunelfer mit Richard Lietz, Morris Schuring und Yasser Shahin vor dem #31 BMW M4 GT3 durch. Für das langjährige Porsche-Werksteam Manthey war es nach 1999, 2013, 2018 und 2022 der fünfte Klassensieg in Le Mans.
Der Österreicher Lietz feierte bei seinem 18. (!) Le-Mans-Start den fünften GT-Triumph. Der Schwester-Porsche mit der #92 fiel nach Problemen mit dem Schaltaktuator zurück. Bemerkenswert: In der WM-Tabelle der WEC liegen die beiden Manthey-Porsche nun gleichauf an der Spitze. "Hier mit Porsche teilnehmen und dann noch um den Sieg mitfahren zu dürfen, ist etwas sehr Besonderes, und dann den Sieg zu erzielen - das ist natürlich ein Traum", freute sich Manthey-CEO Nicki Raeder.
24h Le Mans GEWINNER: Zuschauer-Rekord
Rekord im zweiten Jahr in Folge überboten: Der Hypercar-Boom lockte am Wochenende laut ACO-Angaben 329.000 Zuschauer an den Circuit de la Sarthe - 4.000 mehr als im Vorjahr. Zeitweise gab es im Fan Village kein Durchkommen, dafür lief der Verkehr rund um die 13,626 Kilometer lange Rennstrecke ziemlich flüssig.
TV-Sender Nitro freute sich ebenfalls über reges Zuschauerinteresse bei seiner durchgängigen Live-Übertragung: Im Schnitt schalteten 130.000 Menschen beim RTL-Spartensender ein - trotz laufender Fußball-EM. Den Rennstart verfolgten in der Spitze 340.000 Fans, beim Zieleinlauf waren es rund 300.000. In der Zielgruppe der 14-59-Jährigen erreichte Nitro am Sonntag 3,0 Prozent.
24h Le Mans GEWINNER: #12 Jota-Porsche
Dass man auch mit einem achten Gesamtplatz bei den 24 Stunden von Le Mans zu den Gewinnern zählen kann, bewies das Porsche-Kundenteam Jota eindrucksvoll. Nach einem Trainings-Unfall von Callum Ilott am Mittwoch kurz vor Mitternacht, musste der #12 Porsche 963 komplett neu aufgebaut werden. Eine Arbeit, die laut Teamchef Dieter Gass eigentlich drei Wochen Zeit beanspruche, setzte das Team innerhalb von nur rund 24 Stunden um!
Am Freitagmittag stand die #12 (Will Stevens, Callum Ilott, Normal Nato) wieder auf vier Rädern, nachdem das Penske-Werksteam mit einem Auto als Teilespender ausgeholfen hatte, das zuvor nur die Paraderunde im Stadtzentrum gefahren und nicht für einen Renneinsatz vorgesehen war. Mit der Hinzunahme von Ersatzteilen aus dem Jota-Kontingent konnte der Porsche am Freitagabend einen kurzen Rollout auf dem Flugplatz-Rollfeld direkt hinter der Rennstrecke absolvieren, um im Rennen später die vollen 311 Runden durchzuhalten.
24h Le Mans GEWINNER: Lamborghini
Unter den Marken gab es abgesehen von Ferrari bei den 24h Le Mans kaum echte Gewinner. Die einen (wie Toyota, Porsche oder Cadillac) können sich über eine mehr oder weniger knappe Niederlage ärgern, die anderen (wie Alpine, BMW oder Peugeot) wahlweise über mangelnde Pace oder einen verkorksten Rennverlauf. Lamborghini ist die Ausnahme: Die Luxusmarke aus der Emilia-Romagna machte sich gar nicht erst Illusionen über einen potenziellen Sieg, sondern nahm das Rennen als Testlauf, um wertvolle Erfahrungen im Rennumfeld zu sammeln.
Das gelang auf voller Linie. Es erreichten nicht nur die beiden von Iron Lynx eingesetzten SC63 ohne augenscheinlichen Defekt das Ziel, sondern in Form des #63er-Autos (Bortolotti/Kvyat/Mortara) sogar einer davon die Top-10. 2025 wird man damit nicht mehr zufrieden sein, wenn dann zwei Lambos permanent in der WEC mitmischen, aber für den Moment lässt sich P10 als Erfolg verbuchen.
24h Le Mans GEWINNER: Isotta Fraschini
Im ultra-wettbewerbsfähigen Starterfeld gelang es Isotta Fraschini tatsächlich, die Zielflagge zu sehen: Gesamtplatz 14 für den kleinsten Hypercar-Vertreter, 9 Runden Rückstand auf den siegreichen Ferrari und in der Spitze 4 Sekunden langsamer. Nur ein Kontakt mit einem anderen Auto zwang den Tipo 6 Competizione für eine Weile in die Garage, ansonsten hielt das LMH-Hypercar. Die im Rennsport unerfahrenen Le-Mans-Debütanten Carl Bennet (19) und Antonio Serravalle (21) machten an der Seite von Jean-Karl Vernay (36) einen überraschend zuverlässigen Job am Steuer.
Unter der Haube des Isotta-Hypercars steckt größtenteils Technologie aus Deutschland: Der 3-Liter-V6-Turbomotor stammt aus Affalterbach von HWA. Bosch, gleichzeitig Exklusivausstatter der LMDh-Hybridantriebe, lieferte einen Großteil der Elektronik. Das von ARS entwickelte Chassis durchlief seine Windkanal-Läufe unterdessen bei Williams Advanced Technologies.
24h Le Mans VERLIERER: BMW
Drei der vier BMW-Rennwagen im 62 Autos umfassenden Starterfeld fielen nach nur wenigen Stunden vorzeitig aus bzw. hatten keinerlei Siegchancen. Der #15 LMDh (Dries Vanthoor, Marciello, Wittmann) fiel zunächst nach einem frühen Dreher von Marco Wittmann zurück und wurde später von Robert Kubicas Ferrari abgeschossen.
Das Schwesterauto #20 mit der Art-Car-Lackierung warf Robin Frijns nach rund zweieinhalb Stunden weg. In der Nacht crashte auch noch Bronze-Fahrer Ahmad Al-Harthy den #31 BMW M4 GT3, auf dem Valentino Rossi sein Le-Mans-Debüt gab. Einziger Lichtblick: Der zweite GT3-BMW (Leung, Gelael, Farfus) errang P2 in der LMGT3-Klasse. "Die Performance ist da, das Ergebnis aber enttäuschend", resümierte Sportchef Roos.
24h Le Mans VERLIERER: Alpine
Alpine war bei den 24 Stunden von Le Mans so etwas wie das Anti-Peugeot. Im Debüt-Jahr lieferte die Renault-Marke bislang gute Leistungen ab und auch beim Saisonhighlight war der A424 voll im Geschäft dabei. Paul-Loup Chatin pilotierte das Auto #35 (Chatin/Habsburg/Milesi) sogar ins Hyperpole-Qualifying.
Im Rennen blieben die Autos von Mick Schumacher und Ferdinand Habsburg auf der Führungsrunde, wenn auch nach ganz vorne noch etwas fehlte. Jedenfalls bis Stunde 4. Dann gingen die Probleme los. An beiden Autos gab innerhalb kurzer Zeit der Mecachrome-Motor den Geist auf. Ob es die Verantwortlichen bei der Renault-Marke, die in Viry-Chatillon Formel-1-Motoren produziert, bereuen, dass Alpine seine WEC-Verbrenner nicht in Eigenregie herstellt?
24h Le Mans VERLIERER: Robert Kubica
BMW-Fahrer Dries Vanthoor hatte Glück, dass er vom Unfall mit Robert Kubicas AF-Corse-Ferrari nur Kopfschmerzen davontrug. Die Kollision der beiden Hypercars am Samstag um 23 Uhr auf dem Weg zur Mulsanne-Kurve zählte zu den schwersten des Rennens. "Sorry, FIA, aber ich verliere das Vertrauen", twitterte Dries nach der 30-Sekunden-Boxenstopp-Strafe für den Ferrari, der danach in der Führungsrunde blieb, während der #15 BMW M Hybrid V8 komplett zerstört wurde.
Dries' älterer Bruder und Porsche-Werksfahrer Laurens Vanthoor fragte nach der Aufnahme des gemeinsamen Podcasts zu Le Mans, ob diese Folge in Polen vielleicht besser geo-geblockt werden sollte... "An der Stelle eine Kollision zu haben, ist sehr gefährlich", sagte BMW-Motorsportchef Andreas Roos zu Motorsport-Magazin.com, ohne öffentlich das Strafmaß beurteilen zu wollen. "Das war ein Unfall mit 280 bis 300 km/h, das Auto ist ein Totalschaden."
24h Le Mans VERLIERER: Toyota
Toyota muss sich nach Le Mans nicht verstecken. Der Start in das Wochenende ging mit dem verpatzten Qualifying komplett daneben, in Le Mans glücklicherweise kein großer Verlust. Im Rennen zeigten die Japaner, dass sie auch mit Konkurrenz die 24 Stunden gewinnen könnten.
Doch am Ende wurde es eine bittere Niederlage mit nur 14 Sekunden Rückstand. Bitter vor allem deshalb, weil der Sieg bis kurz vor Schluss möglich schien, doch der Regen ebnete Nicklas Nielsen bei seiner Benzinsparfahrt im Ferrari den Weg. Lange wird man in Köln noch über die französischen Wettergötter klagen: Hätte der letzte Regenguss nicht früher aufhören können?
24h Le Mans VERLIERER: Jose Maria Lopez
Im Toyota #7 (Buemi/Kobayashi/Lopez), der nur knapp am Sieg scheiterte, muss man einen Fahrer hervorheben: Jose Maria Lopez. Er hätte die ganz große Story des Rennens werden können. Als Ersatzpilot die 24 Stunden gewinnen! Das wäre für den Le-Mans-Sieger von 2021, der anstelle des verletzten Mike Conway kurzfristig ins Hypercar-Cockpit gerückt ist, wohl die ultimative Krönung gewesen. Doch stattdessen kam es anders und der dreifache Tourenwagen-Weltmeister war an der Niederlage des Toyotas nicht ganz unbeteiligt.
Im letzten Stint unterlief ihm der womöglich entscheidende Fehler, als er weniger als eine Stunde vor Schluss bei der Verfolgung des Sieger-Ferraris seinen GR010 drehte. Dabei verlor er etwa 15 Sekunden. Zur Erinnerung: 14,2 Sekunden fehlten auf den Sieg (auch wenn eine 1:1-Hochrechnung nicht zwangsläufig möglich ist). Natürlich ist es etwas undankbar, ihn für diesen Fehler hervorzuheben, denn ansonsten ist er ein gutes Rennen gefahren. Die Bedingungen waren schwierig und anderen Fahrern unterliefen ebenfalls teils gravierende Fehler (zB: Kobayashi mit seinem Crash im Qualifying). Aber es gilt trotzdem: Wer im entscheidenden Moment patzt, darf sich nicht wundern, wenn er kein Hypercar-Cockpit bekommt.
24h Le Mans VERLIERER: Peugeot
Bis kurz vor Schluss hielt der Peugeot 9X8 mit der Startnummer 94 (Vandoorne/Di Resta/Duval) noch P10, nur um dann doch noch gegen Lamborghini zu unterliegen. Nicht als ob ein zehnter Platz den Auftritt der Franzosen bei ihrem Heimrennen so viel besser gemacht hätte. Dem seit Imola vollkommen überarbeiteten Auto mangelte es schlicht und ergreifend an Pace und das über das gesamte Wochenende. Den Fahrern war schon vor dem Rennen klar: Ohne einen chaotischen Rennverlauf wird das nichts.
Nach Le Mans feierte sich die Teamführung dafür, dass beide Peugeots ohne Technik-Problem ins Ziel gekommen waren. Den Debütanten Lamborghini und Isotta-Fraschini gelang das übrigens ebenfalls. Der Anspruch im Stellantis-Konzern sollte eigentlich ein anderer sein - vor allem im zweiten Jahr. Um eine alte Motorsport-Weisheit zu zitieren: Ein schnelles Auto zuverlässig zu machen ist einfacher als ein zuverlässiges Auto schnell zu machen.
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