14,221 Sekunden trennten den siegreichen Ferrari beim Zieleinlauf der 24 Stunden von Le Mans vom Toyota #7. Damit war der zweite Erfolg der Scuderia in Serie bei dem Langstrecken-Klassiker besiegelt. Da es diesmal der Wagen #50 mit Antonio Fuoco, Miguel Molina und Nicklas Nielsen war, der den Sieg davontrug, können sich nun alle Werksfahrer im Aufgebot des Hypercar-Programmes von Ferrari Le-Mans-Sieger nennen.

Nach dem Rennen schwebte das erfolgreiche Trio auf Wolke sieben. Fuoco brach bei Interviews nach der Pressekonferenz sogar vor Freude in Tränen aus. "Das sind Emotionen, die kann man nicht mit Worten beschreiben", erklärte der Italiener seinen Gefühlsausbruch. "Alle haben immer dieses eine Rennen im Kopf und heute war einfach unser Tag", ergänzte er.

Drama bis ins Ziel: Regenwetter rettet Ferrari auf den letzten Metern

Ein spannendes Rennen nahm vor allem in den letzten Runden noch einmal einige dramatische Wendungen. So sah der Ferrari zwei Stunden vor Schluss nach einem verpatzten Toyota-Boxenstopp bereits wie der sichere Sieger aus, doch eine offene Fahrertür schien der Scuderia in Form eines Extra-Boxenstopps den Erfolg zu kosten.

Nicklas Nielsen, saß zu diesem Zeitpunkt am Steuer des 499P. "Nachdem wir das Problem mit der Tür hatten, dachte ich, dass alles verloren wäre. Als mir die Jungs an der Boxenmauer sagten, dass der Sieg noch möglich ist, gab ich alles und am Ende kam das heraus", so Nielsen.

Der zusätzliche Boxenstopp für die lose Tür warf den #50-Ferrari zwar aus seiner Boxenstopp-Strategie, doch das Wetter hatte ein Einsehen mit der Marke aus Maranello. Denn die starken Niederschläge verlangsamten die Pace des gesamten Feldes. Bedeutete: Weniger Spritverbrauch, langsamere Rundenzeiten und somit auch weniger Rennrunden bis ins Ziel.

Nielsen musste die letzten beiden Stints auf jeweils 13 Runden verlängern. Unter normalen Rennbedingungen schaffte der Ferrari nur zwölf Runden um den 13,626 Kilometer langen Circuit de la Sarthe mit einer Tankfüllung. "Nicklas hat in den letzten beiden Stunden einen tollen Job erledigt. Denn er musste einerseits die Führung vor dem Toyota kontrollieren, andererseits musste er Sprit sparen", so Teamchef Antonello Coletta.

Bei trockenen Bedingungen wären die Zeiten etwa 20 Sekunden schneller gewesen und das Rennen hätte grob hochgerechnet zwei bis drei Runden länger gedauert. So viel Sprit sparen und dabei die Pace halten, das wäre wohl ein Ding der Unmöglichkeit gewesen.

Jose Maria Lopez: Toyota-Fehler spiel Ferrari in die Karten

Etwas einfacher machte diese Aufgabe auch Toyota-Fahrer Jose Maria Lopez. Der Argentinier, der aufgrund der Verletzung von Mike Conway nachträglich in die Formation des GR010 mit der #7 gerutscht war, absolvierte den Final-Stint für Toyota. Dabei unterlief ihm ein gravierender Fahrfehler, der einen Dreher in Kurve 2 zur Folge hatte und ihm über zehn Sekunden kostetet.

Wetterschlacht in Le Mans: Toyota im Regen schneller, Ferrari im Trockenen

In Summe kostete das Problem dem siegreichen Ferrari so nur circa 20 bis 25 Sekunden, wie Coletta nach dem Rennen vorrechnete. Der Weg zum Sieg war für den #50-Ferrari aber auch zuvor keine Einbahnstraße. Im Trockenen war der 499P das schnellste Auto auf der Strecke im sehr ausgeglichenen Hypercar-Feld. Im Regen und vor allem bei Wechselbedingungen hatte das Auto aber Probleme und Toyota war stattdessen die tonangebende Kraft.

In einem Rennen, das von zahlreichen Wetterumschwüngen geprägt war, kein zu vernachlässigender Nachteil. Andererseits auch jeweils eine Chance, durch richtige strategische Entscheidungen viel Boden gutzumachen. Beim ersten Regenschauer des Rennens in der zweiten Stunde setzte Ferrari bei beiden Autos auf das richtige Pferd und verzichtete auf einen Reifenwechsel.

Ferrari lernt aus Imola-Fehler

Bei einem späteren Regenguss am frühen Abend versuchte man dies erneut. Doch diesmal war der Regen zu stark und der #50-Wagen fiel zurück. Es dauerte bis Sonntagvormittag, ehe der Bolide wieder an der Spitze war. Es war die einzige strategische Fehlentscheidung im Rennen für das Team, das beim WEC-Lauf in Imola noch aufgrund eines Strategie-Schnitzers unter Regenbedingungen einen möglichen Dreifach-Sieg wegwarf.

Coletta erklärte, dass der Le-Mans-Sieg gewissermaßen auch ein Produkt der Analyse des damaligen Rennens war: "Das Rennen in Imola war wahrscheinlich eine große Hilfe für die letzten 24 Stunden. Damals führte ein Missverständnis zwischen dem Team und den Fahrern dazu, dass wir das Rennen verloren hatten." Nach dieser Niederlage habe es viel Analysearbeit und zahlreiche Meetings gegeben, die einen weiteren derartigen Fehlschlag verhindern sollten. In Le Mans trug das offenbar Früchte.

Sieger-Ferrari mit früher Strafe und später Untersuchung

Ein weiteres Problem, das sich dem siegreichen Ferrari in den Weg stellte, war eine Strafe für einen Unsafe Release beim ersten Boxenstopp. Nielsen zog aggressiv direkt vor dem #3-Cadillac (Bourdais/van der Zande/Dixon) in die Fastlane und erhielt dafür eine 10-Sekunden-Strafe. Zudem gab es am Sonntagvormittag eine Untersuchung gegen Ferrari aufgrund eines potenziellen technischen Vergehens.

Doch die Stewards beließen es bei einer Verwarnung. Erst nach dem Rennen wurde bestätigt, dass es sich dabei um einen einmaligen Verstoß gegen die Einsatz-Geschwindigkeit des ERS-Systems ging. Ferrari entging auch bei einer zweiten 'Unsafe-Release-Untersuchung' einer Strafe.

Wieso die Stewards in diesem Fall anders urteilten, könnt ihr hier nachlesen:

Der zweite Ferrari #51 konnte in den letzten Stunden übrigens nicht mehr in den Kampf um den Sieg eingreifen. Das lag einerseits daran, dass Alessandro Pier Guidi im letzten trockenen Stint des Rennens auf Medium-Reifen auf der Strecke war - zu diesem Zeitpunkt die falsche Wahl - und andererseits an der sich daraus ergebenden Track Position des Ferraris. Im Zweikampf fehlte dem 499P die Power.