Das Hin und Her bei Lamborghini rund um das Ende des nur einjährigen Werks-Engagements in der WEC und die Zusammenarbeit mit dem Einsatzteam Iron Lynx hat möglicherweise noch weitreichende Folgen und Konsequenzen.

Fakt ist, dass am 22.11.2024 - wie erwartet - kein Lamborghini auf der vorläufigen Nennliste aufgeführt war, was Interims-Motorsportchef Rouven Mohr am Tag zuvor gegenüber Motorsport-Magazin.com sogar angekündigt hatte. Aber, so sagte der eigentliche Technik-Vorstand der Italiener vorab: "Sollte Lamborghini nicht auf einer vorläufigen Teilnehmerliste stehen, heißt das noch lange nicht, dass wir 2025 in der WEC nicht an den Start gehen. Wir führen mit dem ACO konstruktive Gespräche über ein mögliches Engagement unsererseits und erwarten eine baldige Entscheidung, die definitiv bis Ende dieses Jahres fallen muss."

So erklärt Lamborghini das WEC-Aus

Erstaunlicherweise war davon aber nicht einmal 24 Stunden später keine Rede mehr! In einem offiziellen Statement hieß es nämlich seitens Lamborghini in einer Aussendung an Pressevertreter: Die Änderung des WEC-Reglements, die nun Marken vorschreibt, ab 2025 zwei Fahrzeuge in der Hypercar-Klasse einzusetzen, "ändert die Bedingungen, unter denen Lamborghini in diesem Jahr in die Meisterschaft eingestiegen ist, und stimmt nicht mehr mit der Strategie des Unternehmens überein".

Lamborghini hätte daher seine Optionen geprüft und entschieden, "2025 nicht an der FIA WEC teilzunehmen, während es weiterhin an der Entwicklung des SC63 durch den Einsatz in der IMSA in den USA arbeitet." Die Pause im WEC-Programm würde es Lamborghini ermöglichen, "sich auf die Entwicklung des neuen Temerario GT3 zu konzentrieren, der nach Abschluss der Testphase 2025 offiziell vorgestellt wird".

Mohr, den wir mit dieser Entscheidung konfrontiert haben, antwortete dazu schriftlich nur: "Wir haben bezugnehmend auf die aktuelle Einschreibesituation eine Pressemitteilung herausgegeben." Zu weiteren Details, die wir gerne ins Spiel gebracht hätten, gab es bisher keine Rückmeldung. Das könnte nach Informationen von Motorsport-Magazin.com aus unterschiedlichen Quellen auch damit zu tun haben, dass womöglich Anwälte die gesamte Gemengelage juristisch prüfen.

Der Lamborghini SC63 von Mirko Bortolotti, Andrea Caldarelli und Daniil Kvyat bei der WEC 2024 in Spa-Francorchamps
Lamborghini stieg erst 2024 in die WEC ein, Foto: LAT Images

Lamborghini-Team wechselt zu Mercedes-AMG

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass fast zeitgleich der ACO und Mercedes-AMG eine Zusammenarbeit mit dem laut Mohr aktuellen Lamborghini-Werksteam Iron Lynx für die LMGT3-Klasse der WEC 2025 unter der Bewerbung "Iron Lynx MERCEDES-AMG" öffentlich kommuniziert haben.

In einem Exklusiv-Interview von Motorsport-Magazin.com mit Stefan Wendl erklärte der Leiter Mercedes-AMG Customer Racing: "Iron Lynx ist ein Kundenteam, kein Performance-Team." Auf unsere Frage, ob es eine Vertragsklausel gebe, die besagt, dass Iron Lynx nicht mit anderen Herstellern in der WEC oder weiteren Rennserien zusammenarbeiten darf, hieß es laut Wendl: "Nein, so etwas gibt es nicht."

Auch dieser Hinweis ist durchaus interessant, denn es ist offiziell nicht bekannt, ob Lamborghini Squadra Corse ein Exklusivrecht mit dem italienischen Einsatzteam Iron Lynx hat. Deshalb dürften juristische Auseinandersetzungen durchaus nicht aus der Luft gegriffen sein.

Mohr betonte, dass es bezüglich der WEC und IMSA "bestehende und gültige" Verträge mit Iron Lynx über die Saison 2024 hinaus geben würde. Was nichts anderes bedeutet als eine mögliche weitere Zusammenarbeit mit dem italienischen Team 2025.

Lamborghini-Verwirrung: Wie geht es in der IMSA weiter?

Mohr bestätigte uns am Wochenende vor der WEC-Starterlisten-Bekanntgabe während des Lamborghini-Weltfinales in Jerez, dass in der US-Sportwagenmeisterschaft IMSA 2025 ein LMDh-Prototyp sowie des Weiteren ein GTD Pro-Auto an den Start gehen werden. "Ein Einsatzteam (in der GTD Pro-Wertung; d. Red.) werden wir zu einem späteren Zeitpunkt kommunizieren", erklärte Mohr, der auch davon sprach, wegen möglicher Logistik-Probleme mit US-Teams Gespräche zu führen. Deshalb sei die GTD-Pro-Einschreibung auch unter dem Namen 'Lamborghini Squadra Corse' erfolgt, während der LMDh-Prototyp mit der #63 unter 'Lamborghini Iron Lynx' genannt ist.

Die Ungereimtheiten rund um Lamborghini Squadra Corse und Iron Lynx führen zurück auf eine sehr späte (offiziell im Juni 2024) Vorgabe des Le-Mans-Veranstalters Automobile Club de l'Ouest (ACO), dass 2025 alle Hersteller zwei Hypercars an den Start bringen müssen.

Das vom ACO geforderte zweite Auto sei laut Mohr ein Problem für Lamborghini. Dabei spiele weniger das Geld eine Rolle als vielmehr der zusätzliche Aufwand für die vergleichsweise kleine Motorsportabteilung Squadra Corse mit rund 30 Mitarbeitern. "Lamborghini hat den ACO schriftlich um einen Aufschub von einem Jahr gebeten, um dann in der FIA WEC 2026 mit einem zweiten SC63 anzutreten", verriet Mohr.

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Lamborghini-Technik-Vorstand und Interims-Motorsportchef Rouven Mohr, Foto: Gruppe C Photography

Wie geht es mit den Fahrern weiter - und wo bleibt der Motorsportchef?

Welche Fahrer im werksunterstützten IMSA-Engagement zum Einsatz kommen, sei laut Mohr noch offen. Theoretisch könnten die Lambo-Werksfahrer Mirko Bortolotti, Daniil Kvyat und Edoardo Mortara, die in der WEC 2024 eingeschrieben waren, eine Option sein. In der IMSA-Saison 2024 fuhren Romain Grosjean, Andrea Caldarelli und Matteo Cairoli den LMDh-Lambo.

Ob der kurzfristige Ausstieg aus der WEC auch eine Auswirkung auf andere werksunterstützte Lamborghini-Programme in der kommenden Saison hat, ist möglich, aber momentan noch nicht absehbar - auch, was die Werksfahrer betrifft. Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com haben einige unter ihnen, beispielsweise der frühere DTM-Vizemeister Edo Mortara, die Freigabe erhalten, sich für 2025 nach möglichen Alternativen umzuschauen.

Es bleibt diffus rund um Lamborghini, denn: Merkwürdig ist auch die Tatsache, dass der neue Motorsport-Chef von Lamborghini - Spekulationen zufolge ein hochrangiger BMW-Mann, der sich erst kürzlich vom Münchner Autobauer verabschiedet hat - beim Lamborghini-Weltfinale in Jerez nicht, wie angedacht, präsentiert wurde. Bei BMW hieß es dazu auf Anfrage: "Davon ist uns nichts bekannt. Der einzige Mitarbeiter, der uns Ende des Jahres verlässt, geht in Rente..."