Um Lamborghini ranken sich wenige Tage nach dem WEC-Saisonfinale in Bahrain wilde Gerüchte. Laut einem Bericht von Daily Sportscar sei der Ausstieg der Italiener sowohl aus der Hypercar- als auch aus der LMGT3-Klasse quasi beschlossene Sache. Autosport spekuliert unterdessen, dass ein vollständiges Ende des LMDh-Programmes in der WEC und in der IMSA-Serie zumindest eine Möglichkeit darstelle.
Der Ursprung über das angebliche Lamborghini-Aus nach nur einem Jahr liegt in der Forderung des WEC- und Le-Mans-Veranstalters ACO begründet, dass ab 2025 alle Hersteller mindestens zwei Prototypen in der WEC einsetzen müssen. Nur Lamborghini und das bereits ausgestiegene Isotta Fraschini führten dieses Jahr in der Top-Klasse lediglich ein Fahrzeug an den Start.
Die Regeländerung führte der ACO kurz vor den 24 Stunden von Le Mans Mitte Juni ein. Lamborghini-CEO Stephan Winkelmann hatte am Rande des Frankreich-Klassikers noch bestätigt, dass die Marke aus Sant'Agata ein zweites LMDh-Auto an den Start bringen werde. Der Unmut von Lamborghini über diese vor dem Saisonbeginn noch nicht beschlossene Maßnahme war allerdings deutlich herauszuhören.
Das änderte sich auch nicht mit dem weiteren Verlauf der Saison. Lamborghini-Technikvorstand und Interims-Motorsportchef Rouven Mohr bekräftigte die Bedenken über den WEC-Einsatz eines zweiten Autos ab 2025 beim DTM-Finale in Hockenheim Mitte Oktober gegenüber Motorsport-Magazin.com. Von einem möglichen Ausstieg war allerdings nicht die Rede.
Lamborghini-Technikchef: "Zweites WEC-Auto ist ein Problem"
"Das zweite Auto in der WEC ist für uns ein Problem", machte der frühere Audi-Mann klar. "Wir sind der einzige Hersteller, den das betrifft. Das bringt unseren Plan durcheinander. Für uns ist es ein großer Unterschied, ob wir zwei oder drei Autos (in WEC und IMSA; d. Red.) haben. Das IMSA-Engagement ist aus logistischer Sicht günstiger. Die WEC ist teuer".
Mohr hätte sich vom ACO gewünscht, ein Jahr länger Zeit zu haben, ein zweites Auto für die Langstrecken-WM zu bauen. Das dafür benötigte Geld sei ein Faktor, die vorhandenen Ressourcen bei der Lamborghini Squadra Corse aber ebenso nicht zu unterschätzen.
Mohr: "Selbst, wenn ich das Geld habe, bedeutet das nicht, dass ich so schnell reaktionsfähig bin, um meine internen Strukturen zu ertüchtigen. Normalerweise braucht man bis zu einem Jahr dafür. Wir sind bei Lamborghini 25 bis 30 Leute. Ich habe keine Spielmasse mit beliebig vielen Ressourcen. Das Auto muss betreut werden, primär vom Team, aber auch vom Hersteller."
Mohr räumte ein, dass es Gerüchte über den verpflichtenden Zwei-Wagen-Einsatz schon seit Anfang des Jahres gegeben habe, meinte aber ebenso: "In einer seriös geführten Firma mache ich keine Planungen anhand von Gerüchten. Ich brauche etwas Schriftliches. Wir reden hier über Millionenbeträge."
WEC-Aus: Können sich Lamborghini und der ACO das leisten?
Vor diesem Hintergrund erscheint ein WEC-Ausstieg von Lamborghini zumindest nicht ausgeschlossen zu sein, wenn die Parteien keine Lösung finden. Das hätte allerdings einige Konsequenzen: Der so wichtige Startplatz bei den weltweit beachteten 24 Stunden von Le Mans wäre futsch. Dieses Jahr brachte Lamborghini auch das IMSA-Auto beim Klassiker an den Start. Zudem wären die beiden Startplätze in der GT3-Kategorie arg bedroht. Und der ACO würde einen weltberühmten Sportwagenbauer als Marke verlieren.
Befeuert wurden die letzten Gerüchte von der Tatsache, dass die Noch-Lamborghini-Fahrerin Michelle Gatting beim Rookie-Test in Bahrain einen Porsche 911 GT3 R von Manthey fuhr. Ein Markenwechsel der Iron Dames (Michelle Gatting/Sarah Bovy/Rahel Frey und bald auch Celia Martin) von Lambo zu Porsche steht seit einer Weile im Raum. Das Team Iron Lynx, das auch die Iron Dames betreut, setzt in der WEC sowohl das LMDh-Auto als auch die GT3-Fahrzeuge für Lamborghini ein. Beim Rookie-Test sowie bei den zwei Tage später folgenden Michelin-Tests fuhr auch Lambos LMDh-Bolide.
Lamborghinis WEC-Projekt einst mittel- bis langfristig geplant
Mohr sprach uns gegenüber allerdings von einem mittel- bis langfristig angelegten Hypercar-Projekt in der WEC. Beim Einstieg zur Saison 2024 zusammen mit BMW und Alpine habe man sich zunächst auf den üblichen Drei-Jahres-Plan geeinigt. Die bisher ausbleibenden Erfolge sollen beim kolportierten Ausstieg übrigens keine Rolle spielen. Das Lambo-Trio bestehend aus den drei Top-Fahrern Mirko Bortolotti, Daniil Kvyat und Edoardo Mortara erlebte ein schwieriges Debütjahr. Das beste und einzige Punkte-Ergebnis war der zehnte Platz ausgerechnet bei den 24 Stunden von Le Mans.
"Wir fahren gegen extrem starke Marken, die teilweise Motorsport seit Jahrzehnten betreiben und auf große Ressourcen und Netzwerke zurückgreifen können", sagte Mohr und formulierte die weitere Zielsetzung eher konservativ. "Für nächstes Jahr ist ganz klar das Ziel, im soliden Mittelfeld zu stehen und im einen oder anderen Rennen auch mal ums Podium zu kämpfen. Das wäre der logische Schritt. Ich würde natürlich gerne Rennen gewinnen, aber wir sind ein Newcomer."
Neuer LMDh-Lamborghini 30 bis 40 Kilo zu schwer
Die Schwachstellen des Lamborghini SC63 sind bekannt und liegen vor allem im Übergewicht begründet. Mohr sprach von 30 bis 40 Kilogramm, die das Auto noch abspecken könne, um das Homologations-Mindestgewicht zu erreichen. Auf den Einsatz von Jokern zur Performance-Steigerung verzichteten die Italiener dieses Jahr.
Mohr: "Das Gewicht ist ein großer Schritt, den wir mit anderen Homologations-Maßnahmen kombinieren wollen und die Anzahl der Joker mit den Sportbehörden abstimmen. Es gibt auch Optimierung-Potenzial bei der Fahrwerks-Kinematik. Auf Strecken mit anspruchsvolleren Oberflächen haben wir uns schwergetan. Wir haben Maßnahmen, um das hinzukriegen. Mit der Aerodynamik sind wir eigentlich ziemlich zufrieden."
Neuer Lambo-Motorsportchef wird im November vorgestellt
Bei aller Unsicherheit über die Zukunft, soll zumindest ein Thema schon bald geklärt sein: die Ernennung des neuen Motorsportchefs, nachdem Mohr interimsmäßig für den aus weiter unbekannten Gründen rausgeworfenen Giorgio Sanna übernommen hatte. Der Neue soll beim Weltfinale von Lamborghini in Jerez (17.-18. November) vorgestellt werden. Den Namen wollte Mohr, der sich dann wieder auf seine Tätigkeiten als Technik-Chef von Lamborghini fokussieren wird, noch nicht verraten. Nur so viel: "Er ist ein Motorsportler, alles andere wäre keine Option gewesen."
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