Nun also doch! Was Herve Poncharal vor knapp vier Wochen noch als "Fake News" bezeichnet hatte, wurde am Freitag in Barcelona Realität. Ursprünglich nur als möglicher Investor angedacht, kauft Formel-1-Kultfigur Günther Steiner mit sofortiger Wirkung das Tech3-Team. Entsprechende Berichte vom Donnerstagabend bestätigten die MotoGP, der französische Rennstall und der Südtiroler am Freitagmittag in einer außerordentlichen Pressekonferenz am Circuit de Barcelona-Catalunya.

"Ich möchte Herve danken, dass er mir - wie er selbst sagt - sein 'Baby' anvertraut", begann Steiner und führte dann seine Gedankengänge aus: "Ich bin schon lange im Motorsport, arbeite jetzt aber erstmals mit zwei Rädern. Ich habe viel zu lernen, das weiß ich. Aber als ich die Formel 1 Ende 2023 verlassen habe, habe ich nach neuen Möglichkeiten für mich gesucht. Ich habe die MotoGP schon immer mit großem Interesse verfolgt und als ich letztes Jahr in Austin vor Ort dabei war, entstand in mir diese Idee. Ich habe nach Optionen gesucht, mit einigen Leuten gesprochen und dann Herve kennengelernt. Jetzt wollen wir seine Erfolgsgeschichte fortsetzen und der MotoGP helfen, weiter zu wachsen."

Netflix-Star Günther Steiner plant MotoGP-Einstieg bei Tech3 (07:59 Min.)

Günther Steiner: Vom möglichen Investor zum Tech3-Käufer

Erste Gerüchte um ein mögliches Engagement von Steiner in der MotoGP hatte es bereits Anfang Juni gegeben. "Wir haben mit Günther gesprochen. Er ist ein sehr netter und sehr direkter Kerl, was mir wirklich gut gefällt. Er könnte als Investor oder Minderheitsaktionär an Bord kommen, oder uns auch einfach nur bei der Sponsorensuche helfen", verriet Tech3-Teamgründer Poncharal damals gegenüber den britischen Kollegen von 'Crash.net'.

Seit 2019 als Kundenteam von KTM am Start, hatte Tech3 nach den finanziellen Schwierigkeiten des österreichischen Motorradbauers in den vergangenen Monaten erste Versuche gestartet, sich unabhängiger aufzustellen. Deshalb war auch zunächst nur von einem möglichen Einstieg Steiners als Investor die Rede. Doch die Gespräche mit dem ehemaligen F1-Teamchef von Haas verliefen offenbar so gut, dass Poncharal im 60-jährigen Südtiroler seinen potenziellen Thronfolger erkannte. Daraus, dass er sich in absehbarer Zeit mehr und mehr aus dem Tagesgeschäft zurückziehen wolle, hatte der inzwischen 68-jährige Poncharal schon länger kein Geheimnis mehr gemacht.

"Nichts bleibt für immer und ich habe schon länger darüber nachgedacht, meinem Leben eine neue Fahrtrichtung zu verpassen. Das ist ein sehr emotionaler Moment für mich, ich habe die MotoGP gelebt. Da kannst du nicht so einfach in ein anderes Leben wechseln. Das hier ist meine Familie", begann ein sichtlich bewegter Poncharal und erklärte dann: "Wenn du ein gesundes Kind hast, willst du, dass es irgendwann wächst und weiterzieht. Dann musst du die Zügel weitergeben. Ich habe schon länger darüber nachgedacht wie und mit wem ich das machen möchte. Speziell seit dem Einstieg von Liberty haben wir mit eigenen Leuten gesprochen und Günther ist der Gewinner. Anfangs hatte ich etwas Angst vor ihm, weil er aussieht, als würde er dich gleich schlagen, aber ehrlich gesagt ist er ein toller Mensch. Er hört dir zu und sieht, was dir wichtig ist. Wir sind nicht gleich, haben aber viel gemeinsam. Daher habe ich mich entschieden, das Team ab dem 1. Januar 2026 in seine Hände zu geben."

Herve Poncharal ging schon 2002 mit seinem Tech3-Team in der MotoGP an den Start, Foto: KTM
Herve Poncharal ging schon 2002 mit seinem Tech3-Team in der MotoGP an den Start, Foto: KTM

Tech3 bleibt 2026 bei KTM - doch was dann?

Über die Bühne gehen wird der Verkauf des Tech3-Teams an Steiner und ein amerikanisches Konsortium um das Unternehmen Apex für eine kolportierte Summe um 20 Millionen Euro. Steiner selbst wird zum neuen Tech3-CEO aufsteigen und Richard Coleman - Gründer und CEO von Mayfield Sports Management - Poncharal ab der kommenden Saison als Teamchef ablösen, ansonsten ist im Rennstall aber (vorerst) mit keinen Veränderungen zu rechnen. Sämtliche Teammitglieder sollen an Bord bleiben, die Fahrer Maverick Vinales und Enea Bastianini verfügen für 2026 ohnehin schon über gültige Verträge. Für eine reibungslose Übergabe wird Poncharal seine Expertise während der Saison 2026 weiterhin zur Verfügung stellen, ehe er sich anschließend wohl komplett aus der MotoGP zurückziehen wird. Was danach passiert, ist völlig offen. Mit Saisonende 2026 endet auch der Kontrakt zwischen Tech3 und KTM, ab 2027 könnte Steiner das Team also von einem anderen Hersteller beliefern lassen und sich damit auch freie Wahl bei der Fahrersuche verschaffen. Aktuell stellt KTM noch beide Piloten für Tech3, der Rennstall besitzt keine Entscheidungsfreiheit.

Theoretisch endet mit Saisonende 2026 auch der aktuelle Vertrag von Tech3 mit der MotoGP, doch Steiner soll bereits eine Zusage erhalten haben, auch 2027 noch mit dem Rennstall in der Königsklasse an den Start gehen zu können. Seine Ankunft in der MotoGP dürfte sicherlich auch sehr im Interesse der neuen Eigentümer von Liberty Media erfolgen. In der Formel 1 arbeiteten die Amerikaner nämlich schon erfolgreich mit Steiner zusammen, in der Netflix-Dokumentation 'Drive to Survive' stieg der langjährige Haas-Teamchef zu einem der Stars schlechthin auf und darf sich bei F1-Fans auch heute noch großer Beliebtheit erfreuen. Beim Versuch, neue Zuschauer für die MotoGP zu begeistern, dürfte Liberty also erneut auf Steiner zurückgreifen wollen.

MotoGP-Kundenteams nach F1-Vorbild?! Was plant Liberty Media? (05:47 Min.)

Steiner als neuer Tech3-Eigentümer - Was meint ihr: Eine gute Sache oder doch eher ein Reinfall für die französische Traditionsmannschaft? Sagt uns eure Meinung zum MotoGP-Einstieg der F1-Kultfigur in den Kommentaren!