Die vergangenen Wochen waren für Francesco Bagnaia ein einziges Desaster: Null Punkte in Le Mans, nur vier Zähler in Silverstone und auch im MotoGP-Sprint von Aragon blieb der zweifache Weltmeister als Zwölfter ohne Punkte. Bagnaia klagte dabei stets über dieselben Probleme. Er hatte absolut kein Gefühl für die Front seiner Ducati, das Vorderrad blockierte bei fast jedem Anbremsmanöver. Eine Katastrophe für Bagnaia, der gerade in der Verzögerung immer besonders stark war. "Ich habe meine gesamte Karriere darauf aufgebaut", sagte er selbst am Samstag.

Francesco Bagnaias Crewchief liefert zündende Idee

Bagnaia und seine Ducati-Crew hatten zu diesem Zeitpunkt bereits scheinbar alles versucht, um ihm das verloren gegangene Gefühl zurückzugeben: Das Setup der Desmosedici GP25 wurde in alle Richtung adaptiert. Unterschiedliche Rahmen, Aerodynamik-Konzepte und Fahrwerksspezifikationen wurden am Motorrad verbaut. Doch an Bagnaias Problemen änderte sich nichts.

Francesco Bagnaia im freien Fall: Neuer MotoGP-Tiefpunkt (06:12 Min.)

Am Samstagabend kam es in Aragon zur Krisensitzung - und diese brachte einen Geistesblitz von Christian Gabbarini, Bagnaias routiniertem Crewchief. "Wir haben eine andere Bremsscheibe an der Front gewählt", verriet 'Pecco' nach einem starken Rennen und Platz drei am Sonntag. Bagnaia setzte eine größere Scheibe als zuvor ein. Sechs Varianten von Lieferant Brembo haben die MotoGP-Stars zur Auswahl: Diese verteilen sich auf die Durchmesser 320, 340 und 355 Millimeter. Das 320er-Modell gibt es in einer Standardvariante und in einer High-Mass-Ausführung mit mehr verbautem Material, das dementsprechend auch mehr Hitze absorbieren kann. Die beiden größeren Durchmesser sind in den Spezifikationen 'High Mass' und 'Extreme Cooling' verfügbar, wobei zweitere mit Belüftungsschlitzen für zusätzliche Kühlung geliefert wird.

Ungewöhnlich: Francesco Bagnaia setzt auf größere Bremsscheibe

Nur auf drei Strecken, den klassisches Stop-and-Go-Kursen von Motegi, Spielberg und Buriram sind 340 oder mehr Millimeter vorgeschrieben. Ansonsten gibt Brembo lediglich eine Empfehlung ab, in Aragon umfasste diese die 340er-Varianten 'High Mass' und 'Extreme Cooling'. Grundsätzlich wählen Fahrer und Teams innerhalb der Möglichkeiten stets das kleinste Modell. Einerseits um Gewicht zu sparen, andererseits um die bis zu 850 Grad heißen Karbonscheiben möglichst weit vom Reifen entfernt zu halten und so eine Überhitzung des Gummis zu vermeiden.

Vorderreifen der Ducati von Marc Marquez
Die mächtigen Bremsscheiben reichen fast bis an den Reifen, Foto: Michelin

Ein freiwilliger Wechsel auf ein größeres Modell schien Bagnaia und seiner Crew daher bislang nicht sinnvoll. "Wir haben schlicht und ergreifend nicht daran gedacht", gesteht er. Doch der Umbau brachte schon im Warm Up am Sonntagmorgen und später auch im Rennen einen deutlichen Fortschritt: "Ich musste damit weniger stark bremsen und konnte dennoch mehr Geschwindigkeiten abbauen. Gestern war ich der Fahrer mit dem höchsten Bremsdruck, habe gleichzeitig aber am wenigsten Verzögerung generiert."

Talsohle durchtaucht: Francesco Bagnaia am Weg zurück

Für Bagnaia scheint mit der Entdeckung von Aragon das Schlimmste überstanden, er kann sich nun wieder nach vorne orientieren: "Dieser dritte Platz fühlt sich wie ein Sieg an. Die kleine Veränderung hat einen gewaltigen Unterschied gemacht, mir viel Gefühl gegeben und so konnte ich von Runde zu Runde schneller werden. Darauf wollen wir jetzt im Test am Montag aufbauen und dann können wir in Mugello vielleicht sogar an den Sieg denken."

Die Krise der vergangenen Wochen hat allerdings dafür gesorgt, dass Bagnaia nach acht von 22 Rennwochenenden in der Weltmeisterschaft schon 93 Punkte hinter Marc Marquez zurückliegt. Er verschwendet daher keine Gedanken an eine Aufholjagd im Titelkampf. "Das wäre nach den jüngsten Rennwochenenden nicht richtig", sagt Bagnaia, der 2022 91 Punkte Rückstand auf Fabio Quartararo gutmachte und erstmals MotoGP-Weltmeister wurde. "Ich habe eine schwierige Zeit hinter mir, in der ich völlig das Selbstvertrauen verloren habe. Marc [Marquez] ist aktuell deutlich schneller und auch Alex [Marquez] macht einen fantastischen Job. Ich muss jetzt an mir arbeiten, um wieder ein besseres Gefühl zu haben. Das ist das erste Ziel und dann können wir versuchen, wieder Rennen zu gewinnen."