Eigentlich sollten die MotoGP-Sprints am Samstagnachmittag für zusätzliche Action, Spannung und Unterhaltung pur sorgen, wurden zuletzt aber immer langweiliger und langweiliger. In der Saison 2025 blieb noch kein Sprint in besonderer Erinnerung - mit traurigem Höhepunkt in Jerez. Beim Sprint zum Spanien-Grand-Prix bekamen MotoGP-Fans nach der Startphase innerhalb der Top-Neun noch genau ein Überholmanöver zu sehen: Jenes von Marc Marquez gegen Fabio Quartararo in der zweiten Runde. Die restlichen elf Rennrunden verkamen daraufhin zur Schlaftablette.

Die gesamte MotoGP rätselte am Samstagabend dann, wieso die Sprints nicht mehr das Spektakel der ersten zwei Jahre seit Einführung zu Saisonbeginn 2023 boten. Die Erkenntnis: Es gibt wohl nicht den einen, fixen Grund. Dennoch brachte Luca Marini einen spannenden Lösungsansatz hervor: Volle Punkte im Sprint.

Bislang werden im Sprint nämlich nur die Top-Neun mit WM-Punkten entlohnt und verglichen mit dem GP-Punkteschlüssel auch nur mit der halben Anzahl, begründet in der halben Renndistanz. Der Sieger bekommt zwölf Punkte statt 25, der Zweite erhält neun Punkte statt 20 und so weiter. Marinis Ansatz: Es soll in Sprint und Grand Prix der gleiche Punkteschlüssel zum Einsatz kommen, um Überholmanöver lohnenswerter zu machen. Eine interessante Idee, die Vor- und Nachteile bietet. Motorsport-Magazin.com diskutiert:

PRO: Her mit den vollen Punkten! MotoGP-Sprints brauchen neuen Anreiz

Eigentlich sollten die Sprints ein kurzes, actionreiches Highlight am Samstagnachmittag darstellen. Geliefert hat das Kurzrennen zuletzt aber kaum noch, da - wie Luca Marini richtigerweise selbst erkannte - inzwischen alle Fahrer verstanden haben, dass es sich nicht lohnt, das nötige Zweikampf- und Sturzrisiko für einen WM-Punkt mehr oder weniger - oder im hinteren Mittelfeld schlicht für eine Position mehr oder weniger - einzugehen.

Die Fahrer blieben in Jerez auf Respektabstand, Foto: Gold & Goose / Red Bull Content Pool
Die Fahrer blieben in Jerez auf Respektabstand, Foto: Gold & Goose / Red Bull Content Pool

Es braucht also neue Anreize für die MotoGP-Fahrer, um mehr Risikobereitschaft zu erzeugen. Die Vergabe von 25 WM-Punkten pro Sprintsieg wäre zweifellos ein solcher Anreiz, weil sich die Bedeutung mit Blick auf die Weltmeisterschaft verdoppeln würde. Wer nun argumentiert, dass die Kurzrennen dadurch zu großen Einfluss auf die WM nehmen würden, der möge sich die Frage stellen: Haben die Sprints nicht auch jetzt schon entscheidenden Einfluss? 2024 verlor Francesco Bagnaia den WM-Titel schließlich primär aufgrund seiner Stürze im Sprint, nach der reinen GP-Tabelle hätte er sich problemlos zum dritten Mal in Folge zum Weltmeister gekrönt. Dieses Argument zählt also nicht.

Außerdem: Ein Sprint ist nicht einfacher als ein Grand Prix zu gewinnen, nur weil er über eine kürzere Distanz gefahren wird. Im Gegenteil. Die Sprints verlangen den MotoGP-Stars ebenso den vollsten Einsatz und das größtmögliche Können ab, um siegreich zu sein. Wieso sollte ein Sprintsieg also weniger reich an WM-Punkten belohnt werden als ein Grand-Prix-Sieg?

Yannik Grafmüller

CONTRA: Sollen wir den Rennsonntag gleich abschaffen?

Das Qualifying hat in der Motorrad-Szene seit jeher nicht den Stellenwert wie im Automobilsport, selbst wenn es in den letzten Jahren in der MotoGP sehr entscheidend geworden ist. Die Einführung der Sprints als ein Highlight am Samstag war da ein logischer Schritt. Und er hat funktioniert. Das Interesse am Samstag ist deutlich höher, die Tribünen sind nicht mehr halbleer. Die Sprints sind mittlerweile etabliert und das stellt auch selbst der Traditionalist in mir nicht mehr stark in Frage.

Sprint sei Dank: Die Tribünen sind auch am Samstag voll, Foto: Gold & Goose / Red Bull Content Pool
Sprint sei Dank: Die Tribünen sind auch am Samstag voll, Foto: Gold & Goose / Red Bull Content Pool

Aber volle Punkte für die Hälfte der Renndistanz? Was ist denn das bitte für ein Unsinn? Luca Marini ist einer der cleversten MotoGP-Piloten, aber hier spricht wohl eher der Frust, dass die ersten neun auch mit einer stark verbesserten Honda schwer zu erreichen sind, aus ihm. Natürlich geht es gerade auf den hinteren Plätzen im Sprint häufig um die goldene Ananas. Na und? In anderen Rennserien wird selbst im Hauptrennen bei weitem nicht so großzügig die Punktegießkanne ausgepackt. Hören die deswegen auf, Rennen zu fahren und gegeneinander zu kämpfen? Nein!

Der Grund für die langweiligen Sprints liegt doch vielmehr in der grundsätzlichen Überholproblematik der aktuellen MotoGP mit Aerodynamik, Ride-Height-Devices und (Vorder-)Reifen, die dem nicht mehr gewachsen sind. Im Grand Prix ist die Sache dann meist etwas besser, weil der Reifenverschleiß bei doppelter Distanz eine größere Rolle spielt und so Paceunterschiede deutlicher werden. Ein paar Punkte mehr im Sprint ändern daran nichts. Wer überholen kann, der tut es, weil er Rennfahrer ist. Im Moment können es die Piloten einfach nur nicht.

Zu guter Letzt möchte ich aber noch die wichtigste Frage im Angesicht dieses absurden Vorschlages stellen: Warum fahren wir dann überhaupt noch am Sonntag? Wieso sollten wir uns abmühen einen Grand Prix zu bestreiten, wenn es doch am Samstag die volle Ladung mit Qualifying und Sprint mit vollen Punkten gibt? Der Sonntag ist doch eigentlich der Feiertag der Rennsportfans. So würde er fast zum lästigen Beiwerk degradiert. Die Dramaturgie eines Wochenendes baut sich zum Höhepunkt auf - und das soll bitte auch so bleiben!

Tobias Mühlbauer

Was meint ihr? Sind volle Punkte im Sprint einen Versuch wert oder eher eine Schnapsidee? Sagt es uns in den Kommentaren.