Die MotoGP darf sich 2024 schon das zweite Jahr in Folge an einem packenden WM-Zweikampf zwischen Titelverteidiger Francesco Bagnaia und Herausforderer Jorge Martin erfreuen. Legendäre Duelle des Duos auf der Strecke blieben dabei bislang jedoch aus, zumeist enteilte ein Fahrer dem anderen in Sprint und/oder Grand Prix. Am Sonntag änderte sich das endlich - und zwar auf die bestmögliche Art und Weise.

Hatte mit Blick auf die vermeintliche WM-Vorentscheidung vom Samstag wohl die große Mehrheit im MotoGP-Paddock, auf den Tribünen und vor den TV-Geräten mit einer vorsichtigen, verwaltenden Herangehensweise des WM-Führenden Martin gerechnet, lieferte sich dieser völlig überraschend ein Jahrhundertduell für die MotoGP-Ewigkeit mit Widersacher Bagnaia. Nicht weniger als 16 Überholmanöver zählte Motorsport-Magazin.com in den ersten drei Runden nach dem Restart, die sich Martin und Bagnaia da um die Ohren warfen. Phasenweise wechselte die Führung im Malaysia-GP sogar mehrfach innerhalb weniger Augenblicke.

Jorge Martin: Volle Attacke statt WM-Verwaltung

"Das war ein geniales Rennen, ich habe das sehr genossen. Ich möchte mich auch bei Pecco dafür bedanken, denn zwischen uns gibt es immer diesen nötigen Respekt. Wir wollen nicht Rennen fahren, um das Rennen des anderen zu zerstören. Wir wollen einfach beide gewinnen und ich denke, dass wir die Fans gut unterhalten haben", jubelte Martin kurz nach Rennende im MotoGP-Format 'After The Flag' und erklärte seine überraschend offensive Herangehensweise: "Ich hätte vielleicht etwas ruhiger bleiben können, aber ich hatte das Gefühl, dass ich mit ihm [um den Sieg, Anm.] kämpfen könnte. Das wollte ich versuchen."

Tatsächlich hatte Martin schon am Samstag nach dem Sprint angekündigt, nicht in den Verwaltungsmodus verfallen zu wollen. "Wenn ich durchatme und entspanne, werde ich nur nervöser und alles wird schwerer. Ich will nicht Zweiter oder Dritter werden, ich will den Sieg holen", sagte er damals in seiner Medienrunde und ließ diesen Worten am Sonntag eindrucksvoll Taten folgen. Der spektakuläre Zweikampf mit Bagnaia hatte allerdings auch einen ernsten Hintergrund: "Wenn du hier hinter einem anderen Fahrer bist, funktioniert alles an deinem Motorrad schlechter. Ich musste aber pushen, weil ich Marc [Marquez] direkt hinter mir hatte. Erst als Marc gestürzt ist, konnte ich etwas entspannen, weil ich eine Lücke zu Enea [Bastianini] hatte."

Francesco Bagnaia und Jorge Martin stürmten trotz beinhartem Zweikampf davon, Foto: LAT Images
Francesco Bagnaia und Jorge Martin stürmten trotz beinhartem Zweikampf davon, Foto: LAT Images

Francesco Bagnaia trauert: Verfolgerfeld trotz Zweikampf zu langsam

Einen Rückfall hinter Marc Marquez musste Martin unbedingt verhindern, um möglichst wenig Punkte auf WM-Verfolger Bagnaia einzubüßen. Daher die Flucht nach vorne. Für den Italiener wäre ein Überholmanöver von Marquez dagegen das Wunschszenario gewesen. "Jorge war sehr aggressiv, aber wir hatten einen sauberen Zweikampf, haben uns nie berührt. Ich habe einfach nur auf den richtigen Moment gewartet, um mit meiner Pace zu attackieren. Ich wusste, dass sie gut genug war, um eine Lücke aufzufahren. Als ich das getan hatte, habe ich nur noch gehofft, dass Marc und Enea zu Jorge aufschließen und ihn überholen würden", beschreibt er.

Doch daraus wurde bekanntlich nichts. In der Weltmeisterschaft bleibt Bagnaia vor dem Saisonfinale in Barcelona damit nur noch eine Resthoffnung, enttäuscht zeigte er sich am Sonntag allerdings nicht. "Wir haben den Leuten hier und zuhause eine große Show abgeliefert", strahlte auch er und lobte: "Heute haben wir einfach wieder gezeigt, dass wir einen besseren Job als alle anderen abliefern. Was wir dieses Jahr machen, ist einfach nur unglaublich. Ich habe keine Worte dafür."

Besonders beeindruckend war das Gigantenduell vor allem mit Blick auf die enorme Bedeutung eines Ausfalls im WM-Kampf sowie der schwierigen Verhältnisse dank drückender Hitze und der zwischenzeitlichen Rennunterbrechung. Trotzdem schreckten Martin und Bagnaia nicht zurück und legten dabei in den ersten drei Runden auch noch eine solch hohe Pace an den Tag, dass einzig Marc Marquez - ohne dabei je selbst in eine Überholposition zu kommen - noch folgen konnte. Als Bagnaia dann ausbrach, wurde der Unterschied noch deutlicher. Enea Bastianini verlor als Dritter schon ganze 10,484 Sekunden auf seinen Ducati-Teamkollegen, Alex Marquez und Co. fielen noch weiter zurück.

Francesco Bagnaias Sturz und WM-Super-GAU: Die Erklärung (05:23 Min.)

Künstliche MotoGP-Bremse? Bagnaia: Will fair gewinnen!

Doch eigentlich war das ja schlecht für Bagnaia, hätte dieser doch möglichst viele andere Piloten zwischen sich und Martin gebraucht. Hätte es also nicht mehr Sinn gemacht, die Rennpace künstlich einzubremsen? Bagnaia winkt entschieden ab: "Ich kein Typ, der so etwas macht. Wenn ich das getan hätte, könnte ich nicht glücklich sein. Das kam mir gar nicht erst in den Sinn, denn das ist nicht fair und ich will auf faire Art und Weise gewinnen."

Wie die beiden Titelkontrahenten nun, da Barcelona als Saisonfinale feststeht, ihr Chancen einschätzen, das könnt ihr hier nachlesen: