Am 02. Juni musste Jorge Martin eine seiner schmerzhaftesten MotoGP-Niederlagen verarbeiten, als ihm das Ducati-Werksteam am Abend des Italien-GPs in Mugello mitteilte, sich gegen ihn und für Marc Marquez als neuen Teamkollegen von Francesco Bagnaia entschieden zu haben. Exakt fünf Monate steht der künftige Aprilia-Pilot als verstoßener Ducati-Mann nun vor dem größten Triumph seiner Karriere: Nach dem Sprintsieg in Malaysia hat Martin anderthalb Hände an der WM-Trophäe, am Sonntag gibt es den ersten Matchball.

Ein Szenario, dass noch vor 24 Stunden eigentlich undenkbar erschien. Lediglich 17 Punkten trennten WM-Leader Martin zu diesem Zeitpunkt von Titelrivale Francesco Bagnaia, der am Trainingsfreitag die Nase leicht vorne gehabt und damit auf eine Verkleinerung des Rückstandes gedrängt hatte. Auch im Qualifying gewann Bagnaia die Oberhand und brachte sich in die perfekte Ausgangslage für ein spätes WM-Comeback, doch nutzen konnte er diese nicht. Vielmehr schoss Martin schon beim Start in Front und bestimmte das Geschehen fortan von der Spitze.

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Jorge Martin nach Bagnaia-Crash zwischen Wunschszenario und Alptraum

Bagnaia musste daraufhin riskieren, um wieder vorbeizukommen - und riskierte schon im dritten Umlauf in Kurve neun zu viel. Der Ducati-Werkspilot stürzte und eröffnete Martin damit die große Gelegenheit, seinen WM-Vorsprung auf bis zu 29 Punkte auszubauen. Ein Wunschszenario, gleichzeitig aber auch ein Alptraum. Denn in den nachfolgenden sieben Runden hatte Martin plötzlich enorm viel zu verlieren. "Das war ein schwieriges Rennen. Ich hatte ein paar Probleme und speziell nach Peccos Crash war es nicht einfach, die gesamte Situation zu managen", erklärte er auch selbst nach dem Sprint in seiner Medienrunde.

Das Pramac-Team hatte den 26-jährigen Spanier schon wenige Sekunden nach Bagnaias Crash mittels Dashboard-Nachricht über dessen Ausfall informiert. Weitermachen wie zuvor wurde fortan zur Herausforderung, speziell mit Marc Marquez und Enea Bastianini im Rücken. "Es ist passiert, das konnte ich nicht komplett ausblenden. Natürlich habe ich darüber nachgedacht", gesteht Martin und ergänzt: "Ich wusste, dass ich jetzt vorsichtig sein und ins Ziel kommen musste. An einem Punkt habe ich sogar gedacht, dass ich Marc vorbeilassen und Zweiter werden muss. Aber ich hatte auch acht Zehntel Vorsprung. Da hat es keinen Sinn gemacht, jetzt auf ihn zu warten. Ich habe mich dann einfach auf das Fahren und meine Bremspunkte konzentriert und versucht, alles gleichzumachen wie zuvor."

Das klappte mit Bravour, Marquez kam nie näher als sechseinhalb Zehntel an den 'Martinator' heran. In der Weltmeisterschaft führt er damit nun 29 Punkte vor Bagnaia und hat im Malaysia GP am Sonntag seinen ersten Matchball. Von einer Vorentscheidung im Titelkampf will die Startnummer 89 aber nichts wissen und warnt vielmehr: "Es ist ein großes Privileg, nun mit diesem Vorsprung und dieser Chance hierzustehen. Aber nichts ist vorbei, bis es nicht vorbei ist. Ich muss fokussiert bleiben, es wird ein langes Rennen werden."

Jorge Martin musste sich gegen Marc Marquez und Enea Bastianini verteidigen, Foto: LAT Images
Jorge Martin musste sich gegen Marc Marquez und Enea Bastianini verteidigen, Foto: LAT Images

Jorge Martin: Kein Risikomanagement im MotoGP-Titelkampf

Zum vorzeitigen Titelgewinn - dem zweiten WM-Titel nach seinem Moto3-Triumph 2018, ebenfalls in Sepang - müsste Martin am Sonntag mindestens neun Punkte mehr sammeln als Bagnaia. Eine äußerst schwere Aufgabe. "Ich denke, dass Pecco sehr viel riskieren wird, um zu gewinnen. Ihn dann zu schlagen, wird sehr schwierig werden. Er hat nichts mehr zu verlieren, kann All-in gehen", weiß der Pramac-Pilot.

Ganz anders natürlich Martin, der spätestens jetzt alles zu verlieren hat. Ein Fehler in Form eines Sturzes ist nun nicht mehr erlaubt, ins Risikomanagement will der 26-jährige allerdings auch nicht verfallen. "Wenn ich durchatme und entspanne, werde ich nur nervöser und alles wird schwerer", beschreibt Martin und verrät: " Heute Morgen war ich etwas nervös, deswegen habe ich zu Gino gesagt, dass ich alles probieren werde. Ich will nicht Zweiter oder Dritter werden, ich will den Sieg holen. Wenn Pecco stärker ist, wird er so oder so gewinnen und wenn nicht, dann nicht. Morgen wird es wieder ähnlich werden. Wenn Pecco besser ist, ist das so. Ich werde aber erneut mein Bestes geben."

Was glaubt ihr: Kann sich Jorge Martin schon am Sonntag zum MotoGP-Weltmeister krönen oder vertagt Francesco Bagnaia die Titelentscheidung nochmal? Sagt uns eure Meinung in den Kommentaren!