Der Australien-Grand-Prix ist das wohl ungewöhnlichste Rennen im MotoGP-Kalender. Dieses Streckenlayout voller Hochgeschwindigkeitskurven, das sich eine Gruppe rund um sechs Geschäftsmänner Anfang der 1950er-Jahre für Phillip Island ausdachte und schließlich auf dieser malerischen Insel an der Südküste Australiens erbauen ließ, käme heutzutage keinem Streckendesigner mehr in den Sinn.
MotoGP auf Phillip Island: Geil, aber gefährlich
Dafür gibt es gute Gründe: Für moderne MotoGP-Bikes und ihre Geschwindigkeiten sowie ihre Fahrdynamik ist die Strecke brandgefährlich. Das zeigten dramatische Kollisionen wie jene zwischen Marco Bezzecchi und Maverick Vinales sowie mehrere Verletzungen über alle Klassen hinweg am vergangenen Wochenenden ebenso wie viele ähnliche Schreckmomente in den vergangenen Jahren.
Fakt ist aber auch, dass es für MotoGP-Fans wenig Schöneres gibt, als die Raketen der Königsklasse auf dieser Strecke zu erleben. Auch die Fahrer lieben Phillip Island, stellt der Kurs für sie doch die ultimative Herausforderung da. Außerdem werden hier fast immer gute Rennen geboten. Auch dafür ist das Layout verantwortlich. Es kommt fast völlig ohne harte Bremspunkte aus und sorgt so nicht für die sonst üblichen Probleme mit Temperatur und Druck am Vorderreifen. Darüber hinaus machen die Highspeed-Kurven Phillip Island zu einer der letzten Mutstrecken der MotoGP. Risiko und Talent der Piloten können hier den Unterschied machen - in einer Zeit, in der das technische Paket in der Königsklasse eine immer größere Rolle spielt.
Ducati fährt MotoGP-Gegner in australischen Grund und Boden
Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass sich Hersteller wie KTM oder Aprilia in Form ihrer jeweiligen Fahrer auf Phillip Island gute Chancen ausrechneten, die zuletzt in Sprints und Grands Prix bereits 21 Rennen dauernde Siegesserie von Ducati zu beenden. Doch daraus wurde nichts: Auf einen Fünffachsieg im Sprint ließ die Armada aus Borgo Panigale einen Sechsfacherfolg im Grand Prix folgen. So dominant war Ducati an einem Rennsonntag in der MotoGP überhaupt noch nie. Und generell muss man in den Geschichtsbüchern der Königsklasse weit zurückblättern, um eine derartige Übermacht eines Herstellers zu finden: Zuletzt gelang Honda ein Sechsfachsieg. Das war am 8. Juni 1997 im Frankreich-GP am Circuit Paul Ricard. Mick Doohan siegte damals vor Carlos Checa, Tadayuki Okada, Alex Criville, Takuma Aoki und Alex Barros.

Ist Phillip Island also doch keine Fahrerstrecke mehr? Mitnichten. Innerhalb das Ducati-Lagers war das Australien-Wochenende wohl jenes in der MotoGP-Saison 2024, an dem die Piloten auf dem Vorjahresmodell GP23 ihre technischen Nachteile gegenüber den GP24-Kollegen am besten kaschieren konnten. Marc Marquez siegte im Grand Prix trotz eines kuriosen Zwischenfalls am Start und hätte wohl auch im Sprint Jorge Martin fordern können, wäre er nicht von dessen abruptem Bremsmanöver in Kurve eins überrascht und so im Feld weit zurückgereicht worden.
MotoGP-Verfolger Vinales, Binder und Co. erneut ohne Chance
Fabio Di Giannantonio überzeugte trotz seiner anhaltenden Schulterprobleme mit Platz vier am Sonntag und auch Marco Bezzecchi überzeugte mit guter Pace, blieb aber aufgrund der Kollision mit Vinales im Sprint und einem selbst verschuldeten Sturz im Grand Prix unbelohnt. Phillip Island bietet den Piloten also sehr wohl noch die Möglichkeit, technische Nachteile mit fahrerischer Finesse auszugleichen. Dennoch blieben derartige Glanzlichter bei Fahrern außerhalb des Ducati-Lagers an diesem Wochenende völlig aus: Maverick Vinales konnte von Startplatz zwei aus weder im Sprint noch im Grand Prix um die Spitzenpositionen kämpfen, seine Aprilia-Kollegen erst recht nicht. Und auch die KTM-Fraktion erlebte ein enttäuschendes Australien-Wochenende. Im Vorjahr in Person von Brad Binder noch auf Augenhöhe mit den Ducati-GP23-Fahrern - Binders Rückstand auf GP-Sieger Johann Zarco betrug damals gerade einmal 0,816 Sekunden - wuchs diese Lücke auf erschreckende 15,450 Sekunden an. Die restlichen KTM-Fahrer hatten auf Phillip Island dieses Jahr nie etwas mit den Spitzenposition zu tun.
Nun wäre es sicher nicht fair, Fahrern wie Vinales, Binder, Pedro Acosta oder Fabio Quartararo ihr Können abzusprechen - erst recht auf Basis eines einzigen Rennwochenendes. Ihr Abstand zu den Ducati-Stars fiel auf der Fahrerstrecke Phillip Island aber keinesfalls kleiner aus, als etwa zuletzt in Motegi, wo Motorleistung und Grip der Bikes die entscheidende Rolle spielen. Das sollte jenen Fans, welche die Erfolge der Ducati-Piloten lediglich auf die zweifelsohne überlegene Performance ihrer Motorräder zurückführen, zu denken geben.
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