MotoGP-Gigant Honda hängt den eigenen Erwartungen in der Saison 2024 mehr hinterher denn je. Lediglich 60 Punkte konnten die Japaner an den ersten 13 von insgesamt 20 Rennwochenenden mit ihren vier Stammfahrern und Testpilot Stefan Bradl bislang sammeln - nochmal 16 Zähler weniger als das ebenfalls kriselnde Yamaha (76) mit lediglich zwei Fahrern. Nie stand der einstige MotoGP-Dominator zu einem solch späten Zeitpunkt in der Saison schlechter da. Auf dem Misano-Test am Montag ruhten daher große Hoffnungen, präsentieren die Hersteller dort doch in aller Regel erste Konzepte für die neue Saison, doch diese wurden einmal mehr enttäuscht.

"Ich konnte testen, das ist schon ein Sieg für uns", zog Joan Mir am Montagabend in seiner Medienrunde die einzig positive Erkenntnis seines achtstündigen Testtages in Misano. Das Rennwochenende an der Adriaküsten den drei Tagen zuvor hatte er bekanntlich mit einer Magen-Darm-Grippe auslassen müssen, die am Sonntag auch noch auf Teamkollege Luca Marini übergeschwappt war. Bei weitem noch nicht vollständig erholt, war der 27-jährige Spanier am Montag immerhin wieder so weit auskuriert, dass er den kompletten Testtag durchziehen konnte - sonderlich viel zu tun gab es dabei aber nicht.

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Joan Mir schonungslos: Hätte viel mehr von Honda erwartet!

"Nein, ehrlich gesagt nicht", antwortete Mir sichtlich enttäuscht auf die Frage, ob er einen produktiven Tag gehabt hätte. Anschließend verriet er: "Ich hätte viel mehr erwartet. Wir haben ein paar aerodynamische Dinge ausprobiert und auch auf Chassis-Seite. Das neue Aero-Paket war in Ordnung, das werden wir wahrscheinlich in den nächsten Rennen benutzen. Es gab aber nichts Revolutionäres. Ich hätte deutlich mehr neue Teile zum Testen erwartet."

Begründet sieht der MotoGP-Weltmeister von 2020 seine Erwartungen mit einem Blick in die Vergangenheit. So debütierte Honda in den zurückliegenden Jahren beim Misano-Test gerne den neuen Prototypen für die kommenden Saison, so auch im letzten Jahr. 2024 war davon aber nichts zu sehen, die vier Stammfahrer konnten lediglich mit einem neuen Chassis, neuen Aero-Elementen und einer neuen Seitenverkleidung experimentieren. HRC-Testfahrer Stefan Bradl hatte bereits während des San Marino Grand Prix an einem neuen Konzept gearbeitet, dies entpuppte sich aber als Fehlschlag. Am Montag testete der Deutsche daher lediglich noch mit einer neuen Schwinge. "Ich erinnere mich, dass sie hier in der Vergangenheit ganze neue Motorräder zum Testen gebracht haben. Jetzt hatten wir nur ein paar neue Teile. Ich denke, dass wir da viel mehr hätten machen können, ich hätte viel mehr erwartet", sagt Mir. "Der nächste Test findet jetzt in Valencia statt, das macht mich ziemlich besorgt."

Schlechte Aussichten also für die Honda-Piloten, im Verlauf der restlichen Saison noch große Fortschritte erzielen und bessere Resultate einfahren zu können. Denn während der eng getakteten Asien-Rennen in Indonesien, Japan, Australien, Thailand und Malaysia sind weitere private Testfahren, die Herstellern im Concession-Rang D ja erlaubt sind, praktisch unmöglich. "Ich glaube nicht, dass wir aktuell einen Testplan haben", bestätigt Mir.

Honda testete in Misano eine neue Seitenverkleidung mit verändertem Aero-Konzept, Foto: LAT Images
Honda testete in Misano eine neue Seitenverkleidung mit verändertem Aero-Konzept, Foto: LAT Images

Honda-Fahrer einig: Immerhin Aero-Paket ein Fortschritt

Somit werden die HRC-Fahrer wohl erst beim Valencia-Test (19.11.) wieder echte Entwicklungsarbeit leisten können - womöglich aber zu spät, da dort bereits erste Prototypen der Motorräder für die neue zum Einsatz kommen. Die Basis muss bis dahin also stehen - und diese sieht bei Honda nicht gerade rosig aus. Immerhin: Einen Fortschritt beim Aero-Konzept erkannte Montag nicht nur Mir, sondern auch das restliche Honda-Line-Up. "Es ist ein Fortschritt, um das Bike besser 'turnen' zu lassen. Ich mag sie", kommentierte etwa Luca Marini und a id="701" type="topic" linktext="Takaaki Nakagami" inline="true"] verriet: "Unsere Priorität war die neue Verkleidung. Sie ist in einigen Bereichen besser, die Balance insgesamt muss aber noch angepasst werden. Ich mag die Bremsphase nicht, aber das Turning ist etwas besser."

Johann Zarco wollte sogar von einem recht positiven Testtag in Misano sprechen. "Wir haben drei größere Sachen ausprobiert, die recht gut funktioniert haben. Wir haben ein paar Fortschritte gemacht. Die Rundenzeit spiegelt das nicht wider, aber das Gefühl ist besser geworden. Wir haben uns neue Möglichkeiten geschaffen", erklärte der Franzose. Doch LCR-Honda-Teamkollege Nakagami weiß: "Wir haben unseren Job gemacht, jetzt liegt es an den Ingenieuren. Sie haben genug Daten von vier Fahrern bekommen, um die Bike-Performance für das zweite Misano-Rennen zu verbessern. Sie haben zehn Tage Zeit, um alles gründlich zu prüfen und zu verstehen."