Das MotoGP-Projekt von Yamaha befindet sich 2024 im Wandel. Nachdem der Hersteller seit dem 19. Juni 2022 auf einen Sieg in der Königsklasse wartet, wurde in den vergangenen Wochen und Monaten viel in die Wege geleitet, um wieder an die Spitze zurückkehren zu können. So konnte am Trainingsfreitag zur Dutch TT die Verpflichtung eines neuen Kundenteams kundgetan werden: Pramac Racing verlässt Ducati und fungiert ab 2025 als eine Art 'zweites Werksteam' bei Yamaha.
Wer dort im kommenden Jahr an den Start gehen wird, war lange ein großes Fragezeichen. Zunächst verkündete Teamgründer Paolo Campinoti, zwei gestandene MotoGP-Piloten unter Vertrag nehmen zu wollen. Rund um den Sachsenring gab Yamaha-Star Fabio Quartararo jedoch an, gerne Fabio Di Giannantonio und einen Rookie aus der Moto2 bei Pramac sehen zu wollen. Doch daraus wurde nichts, vielmehr scheint es nun doch zur Rolle Rückwärts zu kommen: Miguel Oliveira und Jack Miller befinden sich in fortgeschrittenen Verhandlungen mit dem Rennstall. Woher kam dieser Sinneswandel?
Pramac Yamaha wechselt: Erfahrung statt Rookie
"Wir haben keine Zeit, wir müssen uns schnell verbessern. Mit zwei erfahrenen Piloten kann das schneller gehen", erklärte Quartararo am Rande des Spielberg-Wochenendes die Entscheidung seines Arbeitgebers gegen einen Moto2-Rookie. Di Giannantonio hatte sich zuvor aus eigenen Stücken gegen einen Wechsel zu Pramac entschieden. "Ein junger Fahrer kann großartig für die Zukunft sein. Speziell dann, wenn er wie [Fermin] Aldeguer zu einem Hersteller auf ein funktionierendes Motorrad wechselt. Dann kann man ihn aufbauen. Wir brauchen aktuell aber eher erfahreren Fahrer. Du kannst in beiden Optionen Vorteile finden, momentan wären zwei erfahrene Piloten mit Blick auf unseren Zeitdruck aber besser."
Durchaus sinnvoll also, sich mit Oliveira und Miller zu verstärken, die kombiniert auf 16 Jahre MotoGP-Erfahrung kommen und bereits für vier verschiedene Hersteller (Ducati, Honda, KTM, Aprilia) fuhren. Doch Yamaha will sich offensichtlich nicht nur auf Unterstützung durch das voraussichtliche neue Pramac-Duo beschränken. Denn zusätzlich soll 2025 auch noch das Testteam erweitert werden. Dort steht bislang nur Ex-MotoGP-Pilot Cal Crutchlow unter Vertrag. Ein zweiter Fahrer soll den Briten ab der kommenden Saison unterstützen. Dabei in der Pole Position: Der scheidende Tech3-Pilot Augusto Fernandez.
Augusto Fernandez vor Testfahrerrolle bei Yamaha
"Ich pushe Yamaha schon seit einigen Monaten, einen Testfahrer zu verpflichten, der kürzlich noch auf einem MotoGP-Bike saß", berichtet Quartararo, der große Stücke auf den Moto2-Weltmeister von 2022 hält. Seine Idee: Ein junger, hungriger Testfahrer ist besser als ein Alter ohne großen Ansporn. "Um Augusto bemühe ich mich schon seit geraumer Zeit. Er ist jung und schnell, wird sicherlich einige Wildcard-Einsätze absolvieren. Wenn er schnell ist, kann er auch dauerhaft in die MotoGP zurückkommen, da wir ab nächster Saison wieder vier Yamahas im Grid haben werden. Daher ist es wichtig, einen solchen Fahrer zu finden, der zurückkommen will und uns wirklich auch hilfreiche Informationen liefern wird", meint 'El Diablo'.
Eine Interpretation der Testfahrerrolle, mit der Quartararo bei Fernandez ein Umdenken eingeleitet hat. "Fabio ist vor einigen Rennen auf mich zugekommen und hat mir gesagt, dass Yamaha ein neues Testteam auf die Beine stellt und einen Fahrer braucht. Dabei hat er an mich gedacht. Mein erster Gedanke war, dass das wie ein Karriereende für mich wäre", unterstrich der Tech3-Pilot in Spielberg zunächst. Zuvor war er speziell mit einem Wechsel in die WorldSBK in Verbindung gebracht worden, nun steht der Transfer ins Yamaha-Testteam schon kurz vor dem Abschluss. "Dann ist mir aber klargeworden, dass dies die beste Möglichkeit ist, wieder dauerhaft in dieses Paddock zurückzukehren - viel besser als die Superbike-WM. Ich kann ein Werksmotorrad fahren, viele Tests und Wildcards. Und wenn ich so abliefere, wie ich mir das vorstelle, kann ich wieder hierher zurückkommen."
Augusto Fernandez: Als Testfahrer für MotoGP-Comeback empfehlen
Die Chancen ein solches Comeback stehen jedoch eher schlecht. Bislang konnte sich einzig Lorenzo Savadori über die Testfahrerrolle für einen Stammplatz in der MotoGP empfehlen - und auch das nur, weil Andrea Iannone wegen Dopings gesperrt wurde, Bradley Smith nicht überzeugen konnte und angefragte Moto2-Talente wie Joe Roberts freiwillig auf einen Aufstieg mit Aprilia verzichteten. Allerdings: Zur Wahrheit gehört an dieser Stelle auch, dass Testfahrer wie Michele Pirro oder Mika Kallio ganz andere Intentionen verfolgten. Sie befanden sich zumeist bereits im fortgeschrittenen Alter und eher am Ende ihrer aktiven Rennfahrerkarriere als am Anfang.
Fernandez zählt mit seinen 26 Jahren hingegen noch zum jüngsten Drittel der aktuellen MotoGP-Fraktion. Der Spanier hat also zumindest auf dem Papier noch einige Jahre auf Topniveau im Tank. Eine Rückkehr in die MotoGP scheint aufgrund der verzwickten Vertragslage - fast alle Stammfahrer haben bis 2026 unterschrieben - im Grid zwar frühstens 2027 möglich, aber "ich werde dann erst 28 Jahre alt sein. Aleix [Espargaro] hat seinen Höhepunkt erst im hohen Alter erreicht und einige andere Fahrer auch. Ich bin hier noch nicht fertig."
Hoffnungsvoll stimmt Fernandez, dass ihm die Yamaha-M1 besser liegen sollte als die KTM RC16. "Dort musste ich meinen Fahrstil seit dem ersten Moment anpassen", beschreibt er und hofft, bei Yamaha wieder befreiter auffahren zu können. "Ich liebe die Superbike-WM, ich habe dort angefangen. Ich bin aber noch nicht bereit, mein MotoGP-Kapitel abzuschließen, ich will noch hierbleiben und wieder hier Rennen fahren. Ich habe zu Fabio gesagt, dass ich bei Tests wie in einem Grand Prix pushen werde. Ich will die gleichen Rundenzeiten wie Fabio fahren, um zu zeigen, dass ich hier einen Platz verdiene."
Was hättet ihr an Fernandez' Stelle gemacht: Testfahrerrolle oder doch lieber Superbike-WM? Und glaubt ihr, dass er sich tatsächlich nochmal in die MotoGP zurückkämpfen kann? Sagt uns eure Meinung in den Kommentaren!
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