2021? Podium! 2022? Podium! 2023? Rennsieg! Der Silverstone Circuit zählte in den vergangenen drei Jahren zu den absoluten Lieblingsstrecken von Aprilia. Mit seinen schnellen, fließenden Kurven passte der 5,891 Kilometer lange Traditionskurs perfekt in das Anforderungsprofil der agilen RS-GP. Kein Wunder also, dass sich die Verantwortlichen aus Noale auch 2024 wieder einiges ausgerechnet hatten. Und nach dem Qualifying sah es zunächst auch gut aus, stellte Aleix Espargaro die Aprilia doch mit einer neuen Rekordrunde auf die Pole Position. Mit dem Kampf um den Rennsieg hatte in Silverstone letztlich aber kein Pilot der Italiener etwas zu tun.

Einzig im Sprint schaffte es Espargaro als Dritter immerhin noch auf das Podest - was vor allem aber auch dem Patzer von Francesco Bagnaia geschuldet gewesen sein dürfte. Am Sonntag zog Bagnaia nämlich problemlos am Aprilia-Piloten vorbei. Und nicht nur das: In der Schlussphase des Hauptrennens wurde Espargaro auch noch von Marc Marquez und Fabio Di Giannantonio, die von den Rängen sieben und zehn gestartet waren, passiert. Im Großbritannien Grand Prix stand für den Vorjahressieger trotz Pole Position somit nur Platz sechs zu Buche. Auf Rennsieger Enea Bastianini fehlten bei Zielankunft happige 9,514 Sekunden.

Marquez-Verpflichtung ein Fehler? Bastianini stichelt gegen Duc (08:19 Min.)

Maverick Vinales katastrophal: Negativtrend setzt sich fort

Doch damit war der scheidende Aprilia-Kapitän noch gut bedient, denn Teamkollege Maverick Vinales erwischte es in Silverstone noch deutlich schlimmer. Nach teils ordentlicher Pace in den Trainings konnte der Spanier sein Potenzial weder in Sprint noch in Grand Prix auch nur ansatzweise entfalten. Im Gegenteil: Von Position acht gestartet, wurde er im Hauptrennen sogar bis auf Platz 13 zurückgereicht. Sein Rückstand betrug fast 27 Sekunden - die Fortsetzung eines erschreckenden Trends. Denn vom fünften Platz in den Niederlanden abgesehen, schaffte es Vinales seit dem Katalonien GP bestenfalls als Achter ins Ziel. Dreimal landete er nun sogar außerhalb der Top Ten.

Und all das, nachdem er in Austin noch dominiert und beide Rennen gewonnen hatte. "Es ist schwer, ein solches Resultat zu akzeptieren", sagt die Startnummer 12 deshalb. "Wir müssen verstehen, was da passiert ist. Was uns fehlt, dass wir jetzt am Ende des Feldes leiden, anstatt Rennen zu gewinnen. Nach der fünften Runde hatte ich keinen Hinterreifen mehr übrig, er war komplett zerstört. Ich habe jede Runde zwei Sekunden verloren. Wir müssen verstehen, was wir hier nicht gefunden haben. Auf einer Strecke, auf der wir eigentlich die Referenz sein sollten."

Im Vorjahr waren in Silverstone noch drei Aprilias in den Top Fünf gelandet, nun schaffte dies keine Einzige mehr. "Ich weiß, dass wir das besser können", kommentiert Vinales und schlägt deshalb Alarm: "Unser Reifenverschleiß ist nicht normal. Wir müssen verstehen, warum wir in den letzten vier Rennen nicht auf dem Level waren, auf dem wir hätten sein sollen. In den Sprints konnte ich manchmal mithalten, aber sobald wir den Medium-Rear aufgezogen haben, bin ich nur noch gecruist. Die Fabrik muss eine Lösung finden, denn es wird immer schlimmer und schlimmer. Es scheint, als hätten wir unseren Weg verloren. Ich glaube nämlich nicht, dass Ducati besser geworden ist. Wir sind es, die ihr Potenzial nicht mehr abrufen und jetzt zurückschlagen müssen."

Maverick Vinales kämpfte in Silverstone mit Fabio Quartararo um Platz 11, Foto: LAT Images
Maverick Vinales kämpfte in Silverstone mit Fabio Quartararo um Platz 11, Foto: LAT Images

Aleix Espargaro chancenlos gegen Ducati: Sehr frustrierend!

Teamkollege Espargaro wollte die Situation nicht ganz so schwarzsehen. Auch er sprach die Probleme aber klipp und klar an: "Wir hatten eigentlich ein solides Wochenende. Ich bin gestern [Samstag, Anm.] eine Rekordrunde gefahren und heute [Sonntag] erneut. In Sachen Hinterreifenmanagement konnte ich allerdings nicht mehr machen. Es war frustrierend zu sehen, wie mich eine Ducati nach der anderen überholt hat und weggezogen ist. Ich habe alles versucht: Elektronik, Motorbremse, TC [Traktionskontrolle], aber nichts hat geholfen."

Dass der 35-jährige Katalane dennoch als klar bester Nicht-Ducati-Pilot ins Ziel kam, war wohl einzig einer mutigen Vorderreifenwahl zu verdanken. Espargaro entschied sich nämlich als einer von nur zwei Fahrern, mit der harten Variante ins Rennen zu gehen. Das restliche Feld vertraute auf den Medium. "Das war die richtige Entscheidung und zum Glück haben wir sie auch getroffen, denn im Grid war ich ziemlich skeptisch." Dort waren kurz vor Rennbeginn vereinzelte Regentropfen gemeldet worden. Ein stark bewölkter Himmel und niedrige Asphalttemperaturen von 28 Grad erschwerten den Start auf der harten Front zusätzlich. Espargaro pokerte jedoch und wurde dafür belohnt - zumindest teilweise. "Ich konnte viel Zeit auf der Bremse gutmachen", sagt er, hängt aber an: "Du konntest nichts gegen sie [die Ducatis] machen. Das ist frustrierend, denn ich hatte das Gefühl, ein wirklich gutes Wochenende hinzulegen. Ich habe keine Fehler gemacht und war immer nah am Limit. Dann mit einem sechsten Platz nach Hause zu gehen, schmerzt."

Aleix Espargaro (Aprilia Racing Team)
Aprilia fuhr in Silverstone nicht nur im Retro-Design, sondern auch mit neuem Aero-Paket, Foto: LAT Images

Zumindest eine positive Note konnte Espargaro dem Silverstone-Wochenende dann aber doch abgewinnen. Das neue Aero-Paket, welches Aprilia während der Sommerpause hatte homologieren lassen, erzielte die erhofften Verbesserungen. Die zuvor körperlich sehr fordernde RS-GP lässt sich nun deutlich kräfteschonender fahren. "Nach dem Sprint habe ich auf dem Podium mit Jorge [Martin] und Enea [Bastianini] gesprochen. Sie waren erschöpft, ich nicht. Und heute [Sonntag] habe ich mich nach dem Rennen wie davor gefühlt. Das bedeutet, dass es tatsächlich geholfen hat."

Ein erster Schritt in die richtige Richtung also. Um Ducati wieder ernsthaft herausfordern zu können, muss jedoch noch deutlich mehr kommen. Wie dominant der Hersteller aus Borgo Panigale aktuell unterwegs ist, verdeutlichen wir euch in nachfolgendem Artikel: