"Unser Ziel war schon immer, unsere jungen Fahrer bestmöglich auf einen Wechsel in ein Werksteam vorzubereiten." - Mit diesen Worten verabschiedete VR46-Teammanager Pablo Nieto im November vergangenen Jahres Luca Marini in Richtung Repsol Honda und ermöglichte damit ein Novum. Denn mit Nachfolger Fabio Di Giannantonio fährt 2024 erstmals kein Academy-Pilot im MotoGP-Team von Valentino Rossi. Knapp sieben Monate später droht nun das Horror-Szenario: 2025 könnte gar kein offizieller VR46-Pilot mehr für den Rennstall fahren.

Denn Marco Bezzecchi, im Vorjahr noch WM-Dritter mit VR46, wechselt zur kommenden Saison zu Aprilia und ersetzt dort Maverick Vinales, den es überraschend zum KTM-Kundenteam Tech3 von Herve Poncharal zieht. Somit steht VR46 Racing aktuell als einer von vier MotoGP-Rennställen auf dem Fahrermarkt noch ohne Stammfahrer für 2025 dar. Ein Verbleib von Fabio Di Giannantonio gilt zwar als wahrscheinlich, kündigte Valentino Rossi doch bereits am Mugello-Samstag an, am liebsten mit dem 2024er-Lineup weitermachen zu wollen. Doch beim 25-jährigen Römer handelt es sich eben um keinen VR46-Academy-Piloten, was den Rennstall in eine kuriose Situation bugsiert.

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Nur ein VR46-Academy-Pilot in Moto2: Celestino Vietti nicht in MotoGP-Form

In Moto2 und Moto3 verfügt die VR46-Racing-Academy nämlich nur noch über einen einzigen Piloten: Celestino Vietti. Der 22-jährige Italiener ist das einzige Nachwuchstalent Rossis, das derzeit für eine Beförderung in das MotoGP-Team infrage kommen würde, da Andrea Migno und Niccolo Antonelli längst aus der Motorrad-WM verschwunden sind. Das Problem: Vietti konnte in der abgelaufenen Saison 2023 nicht gerade mit spektakulären Leistungen auf sich aufmerksam machen und auch der Wechsel in das Topteam Red Bull KTM Ajo, das die letzten drei Moto2-Weltmeister hervorbrachte, brachte 2024 bislang nicht den erhofften Aufschwung.

Vielmehr kam Vietti in der laufenden Saison bestenfalls als Siebter ins Ziel und sammelte erst 38 WM-Punkte. Damit liegt der Ajo-Pilot bereits 84 Zähler hinter WM-Leader Sergio Garcia, der geplante Titelkampf ist also schon nach dem ersten Saisondrittel geplatzt. Zwar scheint Boscoscuro Kalex in der Moto2 2024 ganz klar den Rang abgelaufen zu haben, selbst auf die beste Kalex von Joe Roberts fehlen Vietti aber ganze 77 Punkte. Ein MotoGP-Aufstieg kommt für den Mann, der 2022 immerhin noch drei Moto2-Rennen gewinnen konnte, somit eindeutig zu früh.

Celestino Vietti kommt 2024 in der Moto2 noch nicht ins Rollen, Foto: LAT Images
Celestino Vietti kommt 2024 in der Moto2 noch nicht ins Rollen, Foto: LAT Images

Letzter freier Academy-Pilot: Holt VR46 Racing Franco Morbidelli?

Und das wiederum bringt VR46 Racing in die Situation, dass 2025 voraussichtlich komplett von der eigenen Teamphilosophie abgewichen werden muss, um überhaupt ein konkurrenzfähiges Fahrer-Lineup zustande bringen zu können. Denn ein Nachwuchspilot aus der eigenen Talentschmiede steht nicht als Bezzecchi-Ersatz parat. Immerhin: Die Truppe von Valentino Rossi muss dabei nicht zwangsläufig vollständig auf einen offiziellen VR46-Academy-Piloten verzichten. Denn es gibt da schließlich noch Franco Morbidelli, der 2024 für Pramac Racing fährt.

Der Vertrag des MotoGP-Vizeweltmeisters von 2020 läuft mit Saisonende jedoch aus und ein Verbleib bei Pramac ist nicht gesichert. Denn den Rennstall von Teamgründer Paolo Campinoti zieht es 2025 voraussichtlich zu Yamaha, wo händeringend nach einem neuen Kundenteam gesucht wird. Da sich Morbidelli erst zur laufenden Saison von Yamaha trennte, wirkt es unwahrscheinlich, dass er mit Pramac nun schon wieder zum japanischen Hersteller zurückkehren wollen würde. Damit wäre der Weg für einen Wechsel zu VR46 Racing also frei - zumindest auf dem Papier.

Bei Pramac-Wechsel zu Yamaha: Muss VR46 Fermin Aldeguer unterbringen?

Denn ein Problem gibt es noch: Mit dem wahrscheinlichen Wechsel von Pramac zu Yamaha würde im Ducati-Lager der Slot als oberstes Kundenteam der Roten freiwerden und damit auch zwei aktuelle Werksmaschinen. 'Sky Italia' berichtete bereits im April, dass Ducati gerne VR46 Racing ab 2027 zum neuen 'Kundenteam Nr. eins' machen würde, dies könnte nun schon 2025 passieren. Gut möglich allerdings, dass Ducati dann Moto2-Pilot Fermin Aldeguer, der direkt beim italienischen Hersteller unter Vertrag steht und zur kommenden Saison in die MotoGP befördert wird, im Rossi-Team unterbringen will, womit bei einem Verbleib von Di Giannantonio kein Platz für Morbidelli mehr frei wäre.

Dann stünde VR46 Racing doch wieder ohne eigenen Academy-Piloten dar und muss wohl auch unabhängig von der Fahrerbesetzung der kommenden Saison seine Daseinsberechtigung hinterfragen. Denn der Sinn des Teams ist es schließlich, junge Piloten auf einen Wechsel in größere Teams vorzubereiten, wie man es mit Marini und Bezzecchi auch geschafft hat. Nicht aber, in Werksteams gescheiterten Piloten wie Morbidelli eine zweite Chance zu verschaffen, um überhaupt noch einen Fahrer aus der eigenen Akademie im Team zu haben. Und da - von Vietti abgesehen - auch in mittel- bis langfristiger Zukunft keine ernsthaften MotoGP-Anwärter aus der VR46-Academy in Sicht sind, wird die kuriose Situation der Saison 2025 wohl auch keine Ausnahme bleiben, sondern eher zur Normalität werden.

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