Nach einem monatelangen Tauziehen war der Wechsel von Marc Marquez zu Gresini Racing für die MotoGP-Saison 2024 Mitte Oktober endlich perfekt. Ein Sensationstransfer, von dem sich Motorradlieferant Ducati schon vor der offiziellen Bekanntgabe nicht begeistert zeigte. Der kompromisslose und siegeshungrige Marquez als Neuzugang in einem ohnehin mit vielen hochkarätigen Fahrern gespickten Kader - da sah die Chefetage in Borgo Panigale großes Konfliktpotenzial.

Bei Gresini Racing handelt es sich aber um ein Kundenteam im klassischen Sinne. Im Gegensatz zu einem Rennstall wie Pramac Racing besteht hier also nur eine Zusammenarbeit auf technischer Ebene, Ducati hat keinerlei Einfluss auf die Fahrerwahl des Teams. Und so kam es zur Verpflichtung von Marc Marquez und seinem Debüt Ende November beim Valencia-Test. "Die Position von Ducati war immer, dass wir Marc nicht wollen. Aber jetzt bin ich gespannt, was er sagen wird, wenn er zum ersten Mal vom Motorrad steigt", bekräftigte Ducati Corse General Manager Gigi Dall'Igna damals.

Marc Marquez liefert Kampfansage: Starkes Ducati-Debüt! (06:51 Min.)

Die Sorgen der Ducati-Bosse sind seither nicht verschwunden, wie Sportdirektor Paolo Ciabatti im Interview mit 'GPone' verrät: "Wenn man sich die Resultate von Ducati in der abgelaufenen Saison ansieht, mit drei Motorrädern an der Spitze, war es meiner Meinung nach nicht nötig, die Situation noch weiter zu verschärfen. Marc ist ein Siegertyp. Wenn er sich für Ducati entscheidet, dann macht er das, weil er wieder gewinnen will. Für uns ist das eine neue Situation, die wir richtig managen müssen."

So weit, so bekannt. Im selben Gespräch stellt Ciabatti wenig später allerdings einen möglichen Aufstieg von Marquez' innerhalb der Ducati-Hierarchie in Aussicht. "Wir alle kennen das Talent von Marc Marquez. Darüber muss man nicht viel sagen. Als Ducati-Mann erfüllt es mich aber natürlich mit großem Stolz, einen Champion wie Marc auf einer Desmosedici zu sehen. Da wir unseren Fahrerkader für 2025 noch nicht fixiert haben, kann ich ohne jegliches Zögern sagen, dass Marc einer der Kandidaten für das Werksteam sein wird", so Ciabatti.

Ciabatti und seine Kollegen in der Ducati-Führungsebene sitzen also offensichtlich zwischen zwei Stühlen. Einerseits wollen sie die bestehenden Hierarchien innerhalb des ohnehin höchst erfolgreichen Fahrerkaders nicht zu sehr aufbrechen, andererseits bietet sich ihnen die Möglichkeit, den erfolgreichsten und möglicherweise immer noch stärksten Fahrer der MotoGP langfristig zu binden. Marquez' erfolgreiches Debüt in Valencia, bei dem er auf dem vierten Rang der Zeitenliste landete, scheint ihnen Lust auf mehr gemacht zu haben.

Marc Marquez 2025 auf Factory-Ducati? Alles offen

Ende 2024 laufen die Verträge von allen acht Ducati-Fahrern aus: Francesco Bagnaia und Enea Bastianini im Werksteam, Jorge Martin und Franco Morbidelli bei Pramac, Marco Bezzecchi und Fabio Di Giannantonio bei VR46 und die Marquez-Brüder Marc und Alex bei Gresini. Eine Vertragsverlängerung von Weltmeister Bagnaia im Werksteam gilt als reine Formsache. Um den Platz in der Box neben ihm wird also wohl ein heftiger Kampf entbrennen. Entscheidet diesen Marc Marquez für sich, könnte Ducati einen oder mehrere seiner Fahrerjuwelen verlieren. "Das ist ein Risiko, dem wir uns absolut bewusst sind", so Sportdirektor Ciabatti. "Ich denke da beispielsweise an Jorge Martin. Wenn ein Fahrer wie er nicht in unser Werksteam kommt, könnte das natürlich das Interesse anderer Hersteller wecken. Er ist aber nicht der einzige Pilot."