Knapp zwei Monate mussten sich die MotoGP-Fans gedulden, am Dienstag war es dann endlich so weit: Marc Marquez feierte im Valencia-Test sein Debüt bei Gresini Racing und nahm erstmals auf der Ducati Desmosedici GP23 Platz. Die Erwartungen waren hoch - und der einstige Honda-Superstar lieferte direkt. Knapp zwei Stunden vor Testende führte er das Klassement ein erstes Mal an und landete schließlich auf Platz vier, nur 0,171 Sekunden hinter der Tagesbestzeit.

Dabei hatte sich Marquez am Dienstag Zeit gelassen: Erst gegen 11:15 Uhr, also knapp 75 Minuten nach offiziellem Testbeginn, war er zum ersten Mal auf seinem neuen Arbeitsgerät ausgerückt. Es folgten drei Akklimatisierungsruns, die der Gresini-Neuzugang jeweils schon mit hohen 1:30er-Zeiten beendete. Zum Vergleich: Diese Zeiten fuhr Marquez am vergangenen Rennwochenende auch in seinen langsamsten Umläufen in Sprint und Grand Prix.

Marc Marquez war gleich mit einem Lächeln in der Gresini-Box zu sehen, Foto: Motogp.com/Screenshot
Marc Marquez war gleich mit einem Lächeln in der Gresini-Box zu sehen, Foto: Motogp.com/Screenshot

Entsprechend gutgelaunt war der 30-jährige Spanier gegen Dienstagmittag in seiner Gresini-Box zu sehen. Da Marquez offiziell noch bis Ende 2023 bei Honda unter Vertrag steht und am Valencia-Test nur teilnehmen durfte, weil er von HRC freigestellt wurde, konnte er noch nicht zu den Medien sprechen. MotoGP-Boxengassenreporter Jack Appleyard hatte am Dienstag jedoch die Möglichkeit, mit einem Gresini-Mitglied zu sprechen. Dieser verriet: "Marc ist sehr glücklich, er hat sich gleich wohl gefühlt. Einzig auf der Bremse hat er noch Probleme. Speziell im Kurveneingang fühlt sich die Balance noch nicht korrekt an, die Front drückt noch zu sehr. Das muss noch angepasst werden, ansonsten ist Marc aber schon sehr zufrieden mit seinem Debüt."

Marc Marquez beim Ducati-Debüt gleich auf Honda-Niveau

Tatsächlich bestätigte sich dieser Eindruck mit fortlaufendem Test immer mehr. Ab dem vierten Outing konnte Marquez schon kostant Rundenzeiten im mittleren 1:30er-Bereich fahren, ab dem sechsten Run sogar im niedrigen 1:30er-Bereich. Damit bewegte sich auf Augenhöhe mit seinen Leistungen im Sprint und Grand Prix vom vergangenen Wochenende. Seine schnellste Rundenzeit in 1:29.424 Minuten fuhr der Spanier dann im 46. von insgesamt 49 Umläufen. Im Qualifying am Samstag war der damalige Honda-Pilot nur minimal schneller, knapp anderthalb Zehntel. Allerdings verwendete Marquez damals auch zwei frische Softreifen an Front und Heck, zudem waren die Wetterbedingungen etwas besser.

Wie gut Marquez' Gresini-Debüt einzuordnen ist, zeigt daher ein Vergleich mit den restlichen drei Piloten auf einer Ducati Desmosedici GP23. Marco Bezzecchi war nur 0,078 Sekunden schneller, Bruder Alex Marquez (P6) und VR46-Neuzugang Fabio Di Giannantonio (P7) waren sogar knapp zwei Zehntel langsamer. Auch sie bewegten sich über weite Strecken im mittleren bis hohen 1:30er-Bereich, obwohl sie schon seit ein bzw. zwei Jahren auf Ducatis unterwegs sind und somit einen Erfahrungsvorsprung haben. Selbst Weltmeister Francesco Bagnaia, der bis zum vergangenen Wochenende noch auf der GP23 unterwegs war, bewegte sich am Sonntag im Valencia Grand Prix eher im hohen 1:30er-Bereich. Einzig Sprint-Sieger Jorge Martin konnte einen Tag zuvor über 13 Runden hinweg eine Pace im niedrigen 1:30er-Bereich halten.

Marc Marquez bewegte sich mit der Ducati GP23 gleich auf Honda-Niveau, Foto: LAT Images
Marc Marquez bewegte sich mit der Ducati GP23 gleich auf Honda-Niveau, Foto: LAT Images

Ex-Honda-Teamchef Alberto Puig war wenig überrascht von den guten Rundenzeiten seines einstigen Schützlings. "Das war ja zu erwarten, wir kennen sein Potenzial und wissen, wie gut die anderen Motorräder sind. Daher bin ich nicht verwundert", sagte er im offiziellen MotoGP-Livestream. Dort war zuvor auch Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti zu seinen ersten Eindrücken von Marquez auf einem seiner Motorräder befragt worden. Der Italiener verriet: "Sie haben mir gesagt, dass er mit einem Lächeln von den ersten Runden auf der Ducati zurückkam. Ich bin nicht überrascht. Wenn ein Hersteller mit sechs unterschiedlichen Fahrern gewinnen kann, muss das Bike sehr gut sein. Es kann leicht an unterschiedliche Fahrstile angepasst werden. Ich hatte nichts Schweres für Marc erwartet, er ist ein achtfacher Weltmeister. Sein Bruder hat ihm wahrscheinlich schon ein paar Tipps gegeben, wie gut das Motorrad und das Gresini Team sind."

Alex Marquez wollte am Dienstag nicht über die Eindrücke seines älteren Bruders sprechen, zeigte sich von dessen Ergebnissen aber nicht überrascht. Gleiches gilt für Gresini-Teamchef Michele Masini, der sich mit den ersten Eindrücken bereits sehr glücklich zeigte: "Wir haben auf beiden Seiten der Garage gute Arbeit geleistet, uns ist heute ein fantastisches Ergebnis gelungen. Das erste Aufeinandertreffen [mit Marc Marquez, Anm.] war großartig, ein toller Start dieses neuen Kapitels." Gleichzeitig war der Italiener aber auch darum bemüht, die Erwartungen gering zu halten. Er meint: "Wir haben mit beiden Fahrern noch viel Arbeit vor uns."

MotoGP-Fahrer nicht von Marc Marquez überrascht: 2024 wird schwerer!

Lob gab es dagegen von VR46-Pilot Bezzecchi. "Ich habe ihn ein paar Mal gesehen und er fährt schon sehr gut", berichtete er am Dienstagabend. "Jeder weiß, dass Marc schnell ist. Daher bin ich nicht überrascht, ich habe das erwartet. Eigentlich denke ich, dass niemand hier überrascht ist. Das Bike ist konkurrenzfähig und er ist ein Weltmeister." Tatsächlich fiel das Resümee fast aller MotoGP-Kontrahenten des Spaniers identisch aus. "Ich habe genau das erwartet. Ich habe sogar gesagt, dass er eine 1:29.4 fahren wird und genau so kam es auch", meinte etwa Fabio Quartararo und Weltmeister Bagnaia erinnerte: "Ich habe euch schon damals gesagt, als Marc seinen Vertrag unterschrieben hat, dass er im Test gleich Erster sein würde. Ich war nah dran. Ich denke, er kann sehr glücklich und zufrieden mit unserem Bike sein. Das sah alles sehr reibungslos aus."

Das MotoGP-Feld sieht in Marc Marquez 2024 eine große Bedrohung , Foto: LAT Images
Das MotoGP-Feld sieht in Marc Marquez 2024 eine große Bedrohung , Foto: LAT Images

Diesen Eindruck hatte auch Ducati-Teamkollege Enea Bastianini: "Ich habe die Daten bereits gecheckt, um seinen Fahrstil zu analysieren. Ich muss sagen, dass das von Anfang an sehr gut aussah, er hat nicht lange gebraucht, um schnell zu sein. Die Ducati ist dafür aber auch ein sehr gutes Motorrad, der erste Eindruck fällt leicht." Anschließend musste der Malaysia-Sieger eingestehen: "Seine Zeitattacke war schon sehr gut. In Kurve acht ist er wahrscheinlich schon der schnellste Ducati-Pilot. Dort ist er wirklich beeindruckend."

Bastianini sieht deshalb eine schwere Zeit auf das restliche MotoGP-Fahrerfeld zukommen. "Ich bin gespannt, wie das nächste Saison werden wird. Wenn das nämlich so bleibt, wird die nächste Saison deutlich schwieriger für uns alle", lacht er. Das sieht wohl auch Davide Tardozzi so. Der Ducati-Teamchef war im Interview im offiziellen MotoGP-Livestream schon von den ersten Runden von Marquez auf der Ducati begeistert. Er sieht den Spanier daher "mit Sicherheit" in den Top 3 der Weltmeisterschaft 2024.