KTM ist in der MotoGP derzeit eine Zweiklassengesellschaft. Während Brad Binder regelmäßig um Spitzenpositionen kämpft, fahren Teamkollege Jack Miller und die beiden Fahrer des GASGAS-Satellitenteams zunehmend hinterher. Beim Thailand GP erreichte diese Entwicklung ihren Gipfel. Binder fuhr gegen Jorge Martin und Francesco Bagnaia bis zum Schluss um den Sieg, während Miller, Augusto Fernandez und Pol Espargaro geschlossen die Plätze 16 bis 18 belegten und damit als einzige Fahrer im Ziel keine Punkte holten. Auf den drittplatzierten Binder verloren sie dabei in 26 Runden um die 20 Sekunden.

"Ich mühe mich ab mit diesem Bike. Ich habe das Gefühl, das gilt auch für Augusto [Fernandez] in den Rennen. Heute hatte auch Jack [Miller] große Probleme" bilanzierte Pol Espargaro nach dem Rennen in Buriram ernüchtert. KTM war im Verlauf der Saison fleißig an der Update-Front, unter anderem mit einen Karbon-Chassis. Abgesehen von Binder scheint damit aber nur noch Testfahrer Dani Pedrosa zurechtzukommen. Jack Miller verzweifelt an seinem Motorrad: "Jedes Mal, wenn wir diesen Rahmen benutzen, dann leide ich. Ich kann einfach nicht damit fahren. So fühlte es sich in der Vergangenheit nicht an."

Pol Espargaro mit seinen Ingenieuren in der GASGAS-Box beim Thailand GP der MotoGP
Pol Espargaro ist zunehmend ratlos, Foto: LAT Images

Espargaro: Binder kann mit jedem Bike schnell fahren

"Es ist kein massives Durchdrehen, aber ich verliere einfach drei Bike-Längen, jedes Mal, wenn ich aus einer Kurve komme. Das hängt dir dann die gesamte verdammte Gerade nach", seufzte der Australier. Espargaro berichtete ähnliches und wunderte sich über Binder: "Es [der Hinterreifen, Anm. d. Red.] dreht durch, und das überall: In Schräglage und beim Beschleunigen. Irgendwie kann Brad damit klarkommen, egal worauf du ihn setzt." Bei Espargaro selbst sieht das gänzlich anders aus: "Ich bin nicht in der Lage dieses Bike zu fahren. Ich kann nicht schnell sein, obwohl ich es versuche."

Miller wollte keine Ausreden suchen: "Sicherlich funktioniert das Bike gut, wenn man sich Brads Resultate ansieht. Er macht einen fantastischen Job. Das heißt, dass wir uns da herausarbeiten müssen." Und auch Espargaro wollte seine Aussagen keineswegs als Kritik an den KTM-Entwicklungen verstanden wissen, sondern als Lob an Binder: "Nur Brad bringt Leistung, die anderen haben Probleme. Ich sage nicht, dass das Bike für Brad gemacht wurde, ganz im Gegenteil. Ich möchte eigentlich zum Ausdruck bringen, dass Brad so gut ist, dass er auf jedem Bike schnell sein kann."

Jack Miller beim Thailand GP der MotoGP
Jack Miller verliert an jedem Kurvenausgang, Foto: LAT Images

Binder in WM-Tabelle und auf der Bremse in anderer Liga

Die Unterschiede zwischen dem Südafrikaner und den anderen KTM-Piloten werden immer eklatanter. 249 Punkte hat Binder in der Saison 2023 bisher eingefahren, und ist damit klar bester Nicht-Ducati-Pilot in der WM-Tabelle. Die drei anderen KTMs kommen mit Jack Miller, Augusto Fernandez, Pol Espargaro sowie dessen zwischenzeitlichen Ersatzpiloten Jonas Folger am Steuer zusammen nur auf 232 Zähler. Angesichts dieses gewaltigen Leistungsunterschiedes konnte Espargaro nur den Hut vor Binder ziehen: "Wenn du ihm ein Moto2-Bike geben würdest, dann wäre er in der Lage damit MotoGP-Rennen zu gewinnen. Sein Niveau ist superhoch."

Doch wie verschafft sich Binder diesen Vorteil? "Irgendwie kann er etwas später Bremsen und dann dennoch den Speed in die Kurve mitnehmen. Normalerweise fahren wir sehr ähnlich wie Brad, aber er hat seinen Fahrstil über das Jahr entsprechend den Änderungen am Bike angepasst", analysierte Espargaro. "Es war in Sektor 1, da war er schneller als alle anderen. Da machte er auf jeden zwei Zehntel gut" verortete Miller. Wie Binder das jedoch genau gelang, bleibt für seine Kollegen ein Rätsel.