"Ich konnte nicht atmen. Das war das härteste Rennen meines Lebens. In den letzten drei Runden bekam ich Panik, weil ich versuchte zu atmen und nicht konnte, ich war extremst besorgt. Als ich in die Boxengasse kam, dachte ich, dass ich sterben würde. Es war hart, konzentriert zu bleiben. In den letzten fünf oder acht Runden, konnte ich meine Referenzpunkte zum Bremsen nicht mehr erkennen. Es war unglaublich, das schlimmste Rennen meiner Karriere." - Mit diesen ebenso heftigen wie beunruhigenden Aussagen überraschte Aprilia-Pilot Aleix Espargaro am Sonntag nach dem Thailand Grand Prix, den er eigentlich auf einem ordentlichen fünften Platz beendet hatte, ehe ihn eine Drei-Sekunden-Zeitstrafe für zu geringen Reifendruck auf P8 zurückwarf.
Doch wie sich im Anschluss herausstellte, wäre es dazu beinahe gar nicht gekommen. Denn der 34-jährige Routinier kämpfte im 26 Runden langen MotoGP-Hauptrennen in Buriram mit extremem Hitzestau in seinem Motorrad, er stand kurz vor dem K.O. - und war damit nicht allein: Auch seine Markenkollegen ereilte im Thailand Grand Prix am Sonntag ein ähnliches Schicksal. "All die Hitze vom Bike, vom Motor, vom Chassis und allem geht in deine Lunge. Wir konnten nicht atmen. Maverick [Vinales, Anm.] hat deswegen aufgegeben und auch Raul [Fernandez] meinte zu mir, dass er nicht atmen konnte. Er musste seine Pace deshalb im letzten Teil des Rennens reduzieren und hat über zehn Sekunden verloren", ließ Espargaro am Sonntagabend wissen.
Tatsächlich war Vinales im Thailand Grand Prix plötzlich in der Boxengasse zu sehen, nachdem er zwei Runden vor Schluss vom zehnten auf den letzten Platz zurückgefallen war. Eine Erklärung lieferte der neunmalige MotoGP-Sieger zunächst nicht, er wollte wie schon am Samstag nicht zu den versammelten Medien sprechen. In einer Pressemitteilung von Aprilia wurde er dann aber wie folgt zitiert: "Ich war nicht schlecht unterwegs, ab einem bestimmten Punkt habe ich aufgrund der Hitze aber meine geistige Klarheit verloren. Speziell auf den Geraden, wenn ich mich auf das Bike legte, war das Hitzegefühl unfassbar. Es war dann die beste Entscheidung, aufzugeben. Noch weiter Risiko einzugehen, machte keinen Sinn. Das ist eindeutig eine Situation, die wir diskutieren müssen."
Aprilia RS-GP historisch anfällig für Hitzeprobleme
Dieses Hitzeproblem ist für Aprilia wahrlich kein neues, der italienische Hersteller aus Noale hat damit seit Jahren zu kämpfen. In der Vergangenheit äußerten sich die Probleme mit dem Wärmefluss der Maschine zumeist in Form von Hotspots, die häufig dazu führten, dass sich die Fahrer an bestimmten Stellen ihres Körpers, etwa an Händen und Füßen, Verbrennungen zuzogen. Über die letzten Jahre hat sich die Situation jedoch extrem verschlechtert - mit negativem Höhepunkt in Thailand. Die heiße Luft aus dem Motor wird mittlerweile hinter der Frontscheibe des Bikes eingeschlossen, was dazu führt, dass die Fahrer beim Versuch, während des Rennens zu atmen, Luft mit einer Temperatur von mehr als 70 Grad einatmen. Dadurch kämpfen sie nicht nur mit der Sauerstoffzufuhrt, sondern können möglicherweise sogar Lungenschäden erleiden.
"Das passiert immer wieder. Jedes Jahr auf den gleichen Strecken, für die letzten vier Jahre. Heute war das aber wirklich sehr, sehr, sehr nah am Limit", fand Espargaro erneut deutliche Worte in Richtung seines Arbeitgebers. Er fordert endlich Lösungen: "Sie probieren viel, momentan funktioniert aber nichts. Im Warm Up haben es Raul und ich mit einem Schlauch versucht, aber der hat nichts bewirkt. Ich weiß nicht, warum unser Bike so heiß wird, es ist verrückt. Ich verbrenne auf diesem Motorrad. Ich kann mich nicht mehr daran erinnnern, wie es [mit Blick auf die Hitze, Anm.] auf anderen Bikes ist, weil es sieben oder Jahre her ist, dass ich auf einem Bike saß, das nicht von Aprilia war. Aber Maverick kommt von Yamaha, Raul von KTM und er hat mir erzählt, dass er letztes Jahr überhaupt keine Probleme mit der Hitze hatte. Daher ist es wirklich seltsam."
Raul Fernandez rätselt: Mit KTM nie Probleme gehabt
Raul Fernandez, mittlerweile RNF-Pilot, bestätigte diese Aussagen wenig später in seiner Medienrunde. Der junge Spanier zeigte sich am Sonntag aber vor allem enttäuscht, dass ihm durch den Hitzestau sein möglicherweise bestes Resultat in der MotoGP geraubt wurde. "Der erste Teil des Rennens lief wirklich gut für mich. Ich bin gut gestartet und habe mit Fabio [Quartararo, Anm.] gekämpft. Ich konnte das Podium vor mir sehen. Ich hätte zwar nicht die Pace gehabt, um ein solches einzufahren, aber ich hätte Fünfter oder Sechster werden können", ist er sich sicher.
Dann aber überkamen auch Fernandez die Hitzeprobleme. "Wir müssen das verbessern, so können wir nicht Rennen fahren. Ich war kurz davor, dass Rennen nicht zu beenden. Nach zehn oder elf Runden wurde die Hitze wirklich stark und die letzten fünf Runden waren überhaupt nicht gut. Ich war kurz davor, aufzugeben und habe nur aus Respekt vor meinem Team und Aprilia durchgezogen, um zumindest noch einen Punkt mitzunehmen", klagte er. "Es ist unmöglich, auf den Geraden zu entspannen und etwas frische Luft zu bekommen. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie sich das anfühlt. Es ist eine Katastrophe. Letztes Jahr war das nie so, mit der KTM hatte ich in solchen Rennen nie Probleme. Sowas habe ich noch nie gespürt, es ist unmöglich, so etwas zu managen."
Teamkollege Miguel Oliveira blieb als einziger Aprilia-Pilot von ähnlichen Qualen verschont, was aber einzig daran lag, dass er schon nach wenigen Runden mit einem technischen Defekt aufgeben musste. Auch das ist keine Neuheit, Aleix Espargaro klagte bereits Anfang Oktober über die zahlreichen technischen Gebrechen der RS-GP in heißen Bedingungen. Besorgniserregend dabei: Der Thailand Grand Prix gehörte mit Temperaturen von knapp über 30 Grad nicht einmal zu den heißesten Rennen des Jahres, sonder eher zum Durchschnitt. Da sind bei der kommenden MotoGP-Station in Malaysia (10. - 12.11.) historisch deutlich höhere Temperaturen zu erwarten. Die Aprilia-Piloten dürften nach den Erfahrungen in Thailand also besorgt nach Sepang blicken.
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