Sein Sturz im Italien-GP bedeutete für Marc Marquez den vierten Ausfall in seinen letzten vier MotoGP-Grand-Prix-Rennen. Eine derartige Misere erlebte der Superstar in seiner 2008 begonnenen Karriere in der Motorrad-Weltmeisterschaft noch nie. Im Sonntagsrennen von Mugello kam Marquez keine sechs Runden weit, ehe er mit seiner Honda im Kiesbett der Zielkurve landete.

Marquez gestikulierte anschließend in Richtung seines Motorrads. So als wollte er es fragen, was denn nun schon wieder schiefgelaufen sei. "Ich habe heute wirklich versucht, mich selbst zu kontrollieren", erklärt der für seine Risikobereitschaft bekannte Honda-Pilot. "Ich habe zwar den weichen Hinterreifen aufgezogen, aber damit nicht attackiert, weil ich den Reifen schonen wollte. Mir war klar, dass nicht mehr als Platz sechs oder sieben möglich sein wird. Aber schon in der ersten Runde hat in Turn 10 mein Vorderrad blockiert und ich wäre fast gestürzt. Ich habe nicht verstanden warum. Das war ähnlich wie in Portimao (Marquez kollidiert dort mit Miguel Oliveira und Jorge Martin, Anm.). Dann ist beim Anbremse der Zielkurve dasselbe passiert und ich bin weitgegangen. Ich hatte nicht mehr Schräglage als sonst, aber die Strecke war dort etwas schmutzig und ich habe das Vorderrad verloren. Über eine schnelle Runde im Qualifying oder elf Runden im Sprint kann ich das Motorrad mit viel Präzision, Konzentration, all meinem Können und viel körperlichem Aufwand kontrollieren. Über 23 Rennrunden ist das aber unmöglich."

Wie schwierig die Honda RC213V generell und speziell auch an diesem Wochenende in Mugello zu fahren war, zeigt ein Blick auf Marquez' Markenkollegen. Joan Mirs Italien-GP endete schon am Freitag mit einer Handverletzung. Alex Rins brach sich am Samstag bei einem Abflug das rechte Schien- und Wadenbein. Takaaki Nakagami kam als einziger Honda-Fahrer am Sonntag ins Ziel. Auch er sprach aber von ständiger Sturzgefahr.

Das MotoGP-Projekt des größten Motorradbauers befindet sich zweifelsohne in einem desolaten Zustand. Marquez fordert eine Reaktion: " Ich versuche mit dem Material, das mir zur Verfügung steht, das Beste herauszuholen. In Le Mans habe ich um einige neue Teile gebeten, aber die haben wir an diesem Wochenende leider nicht erhalten. Die drei Wochen Pause waren wohl nicht genug Zeit. Wir müssen uns völlig neu ausrichten. Für die nächsten Rennen, für die zweite Saisonhälfte und vor allem für nächstes Jahr. Am Freitag hat es Mir erwischt, am Samstag Rins und heute mich. Ich bin zum Glück glimpflich davongekommen. Auf so einer schnellen Strecke bedeutet ein Sturz auch oft eine Verletzung, wie man an diesem Wochenende gesehen hat. Und wir Honda-Fahrer stürzen einfach zu oft. Wir sind Fahrer mit einer Siegermentalität. Wenn du Fahrern mit einer Siegermentalität nicht die Chance gibst, an der Spitze zu sein, dann werden sie oft stürzen. Wir müssen schließlich viel härter pushen, um die gleichen Rundenzeiten zu erreichen wie unsere Gegner. Und all die Stürze sind auch mental schwer wegzustecken."

Marquez beendete 2023 noch kein MotoGP-Rennen, Foto: Tobias Linke
Marquez beendete 2023 noch kein MotoGP-Rennen, Foto: Tobias Linke

Als wäre das Fahrverhalten der Honda RC213V nicht Problem genug für Marquez, kamen in Mugello noch weitere Patzer hinzu. "Ich hatte ein Problem am Start, das mir viele Positionen gekostet hat. Das war nicht mein Fehler", verriet Marquez nach dem Sonntagsrennen. "Im Sprint hatte ich schon dasselbe Problem und mit den höheren Temperaturen heute war es noch schlimmer. Mein Start war eigentlich gut, aber dennoch haben mich alle überholt. Das ist ein echtes Problem, das wir lösen müssen." Marquez führte das Problem nicht genauer aus, dass die Honda RC213V immer wieder unter Hitzestau leidet, ist aber bekannt. Möglicherweise wirkte sich das auf das Verhalten der Kupplung an Marquez' Bike aus.

Schlussendlich äußerte Marquez noch Kritik an der Abstimmungsarbeit seines Teams: "Wir hatten über das gesamte Wochenende nicht den perfekten Plan, was das Setup angeht. Es wäre mehr drinnen gewesen." Aufgeben kommt für den sechsfachen MotoGP-Champion aber trotz aller Probleme nicht in Frage. " Körperlich bin ich absolut bereit. Ich war hier auf einem sehr ähnlichen Motorrad wie im Vorjahr deutlich schneller. Ich werde weiterhin pushen. Alles andere ist mir egal. Ich ziehe mein Ding durch, denn ich weiß, was ich kann. Das habe ich in der Vergangenheit schon gezeigt."