Der Sprintsamstag von Jerez wurde zu einem der erfolgreichsten Tage in der MotoGP-Geschichte von KTM. Brad Binder siegte, Jack Miller stand als Dritter ebenfalls auf dem Podium und Wildcard-Pilot Dani Pedrosa rundete als Sechster ein hervorragendes Mannschaftsergebnis ab. Als Motorsport-Magazin.com am Samstagabend Pit Beirer zum Interview trifft, lässt der KTM-Motorsportchef auf der Hospitality-Terrasse gerade mit Berater Heinz Kinigadner und Ex-Team-Manager Mike Leitner den erfolgreichen Tag bei einem Gläschen Wein Revue passieren.

Motorsport-Magazin.com: Gratulation Pit! Heute habt ihr wirklich Grund zu feiern.
Pit Beirer: Ja, das ist schon ein sehr schöner Moment. Auf solche Erfolge arbeitet man ja hin. Wir haben in diesem Projekt auch schon viele Rückschläge hinnehmen müssen. Es hat gedauert, bis wir alle Bereiche abgedeckt haben. So ein MotoGP-Projekt ist brutal komplex, aber wir haben vor etwa einem Jahr ein paar Dinge umgestellt, für die wir jetzt die Früchte ernten, weil wir nun über ganz andere Möglichkeiten und vor allem eine bessere Datenbasis verfügen.

Welche Möglichkeiten eröffnet das eurem Projekt?
Ich glaube, dass wir mit unserem Projekt jetzt in die zweite Phase gehen, wo wir an Details arbeiten können. Früher hat uns dafür einfach die Zeit gefehlt und wir hatten auch nicht die nötigen Leute an Bord. Menschen wie Mike Leitner haben den Grundstein gelegt. Ohne sie wären wir nicht hier. Wir haben uns über die Jahre hinweg aber immer wieder verändert. Jetzt drei KTMs in den ersten beiden Startreihen zu haben ist schon eine große Genugtuung, weil das Qualifying lange unsere große Schwäche war. Wir haben immer gesagt, dass wir von den ersten beiden Reihen aus ums Podium kämpfen können und das haben wir heute bewiesen.

Ihr konntet bislang an allen vier Rennwochenenden - zumindest was die Performance betrifft - vorne mitmischen. Habt ihr endlich die Konstanz gefunden, die euch in den vergangenen Jahren gefehlt hat?
An den ersten drei Rennwochenenden hatten wir tatsächlich viele Highlights, die auf dem Papier aber leider nicht alle sichtbar sind, weil etwa Jack in Austin auf Platz drei gestürzt ist. Der Punktestand spiegelt also nicht unser wahres Leistungslevel wider. Der Trend stimmt also definitiv. Wir verfügen über eine breitere Basis und haben auf vier völlig unterschiedlichen Strecken gute Performances gezeigt. Jerez ist immer ein guter Gratmesser. Da musst du performen und das haben wir geschafft. Das macht mich sehr glücklich. Das Eis ist aber immer noch dünn. Sich jetzt zurücklehnen wäre falsch. Wir müssen hart weiterarbeiten, denn in dieser Szene schläft keiner deiner Gegner.

Binder und Miller lieferten sich im Sprint ein packendes Duell, Foto: LAT Images
Binder und Miller lieferten sich im Sprint ein packendes Duell, Foto: LAT Images

Jerez scheint das bislang stärkste Rennwochenende für KTM in diesem Jahr zu sein. Ihr habt hier mit Dani Pedrosa viel getestet. Inwiefern hilft euch diese Vorerfahrung jetzt? Euer Motorrad hat sich ja über den Winter doch massiv verändert.
Von der Testarbeit, die Dani hier erledigt hat, werden unsere Einsatzfahrer erst beim Test am Montag und dann vielleicht an den nächsten Rennwochenenden profitieren. Er fährt ein ganz anderes Paket.

Was genau bringt euch ein Wildcard-Einsatz sonst noch?
So ein Renneinsatz ist wichtig, um das Testteam zu schärfen. Testtage sind langwierig. Da gibt es nicht diesen Druck, dass du zu einer bestimmten Zeit performen musst. Am Rennwochenende ist beispielsweise auch wichtig, wie ein Teil verbaut wird und wie einfach oder schwierig es für einen Mechaniker ist, es zu tauschen. Ein Testteam, das hier im Sprint auf Platz sechs fährt, weiß genau worum es geht. Deshalb sind solche Wildcards wichtig, um das Testteam in diesem Rennszenario zu halten.

Die Überraschung des Wochenendes: Wildcard-Mann Dani Pedrosa, Foto: LAT Images
Die Überraschung des Wochenendes: Wildcard-Mann Dani Pedrosa, Foto: LAT Images

Pedrosa scheint sich in diesem Rennszenario sehr wohl zu fühlen.
Diese Balance, dass sowohl das Rennteam als auch das Testteam wirklich geil performen, macht uns aktuell so stark. Dafür brauchst du extrem gute Leute und ich glaube, dass wir diesbezüglich eine echt einzigartige Qualität in unseren Teams haben. Die Stimmung im Projekt ist auch besser als jemals zuvor und auf so einer positiven Stimmung kannst du dann Erfolge aufbauen. Unser Erfolg hat also nicht nur technische Gründe. Da spielen auch menschliche Werte eine sehr große Rolle.

Die Chemie zwischen deinen Fahrern Brad Binder und Jack Miller scheint auf jeden Fall zu stimmen. Heute haben sie sich auf der Strecke aber ein knallhartes Duell um den Sieg geliefert. Mit welchen Emotionen habt ihr das verfolgt?
Wir waren natürlich besorgt! So viele Rennen haben wir noch nicht gewonnen, dass wir da ganz cool zusehen können, wenn sich unsere Jungs duellieren. Wenn da ein kleiner Fehler passiert, dann kämpfst du plötzlich nicht mehr um das Podium. Wir waren also definitiv angespannt. Die ganze Box hat geschwitzt.

Dieses Duell könnte sich am Sonntag im Hauptrennen wiederholen, vielleicht mischt auch Dani Pedrosa noch mit. Gibt es jetzt von eurer Seite besondere Verhaltensregeln?
Wir gehen All-In, wie immer. Unsere Jungs haben sich heute zwar auf der Strecke bekriegt aber dann im Ziel umarmt. Das trägt zu dieser coolen Stimmung im Team bei.

Was ist unter diesen Umständen am Sonntag für euch möglich?
In der Vergangenheit mussten wir am Samstagabend oft eine Kerze anzünden und auf diesen Binder-Effekt im Rennen hoffen, obwohl das die Daten gar nicht hergaben. An diesem Wochenende zeigen die Daten seit Freitag eindeutig, dass wir vorne mitmischen können. Wir starten gut und stehen mit drei Motorrädern in den ersten beiden Reihen. Es spricht also nichts gegen einen erfolgreichen Sonntag. Einen Sieg zu erwarten wäre vermessen, aber ich traue mich zu sagen, dass wir um das Podium kämpfen werden. Wir werden auch am Sonntag ein ordentliches Feuerwerk abfackeln.