Die MotoGP hat seit einigen Jahren ein Problem mit den Reifendrücken an der Front der Bikes. Bei zu nahem Hinterherfahren erhitzen sich Reifen aufgrund der komplizierten Aerodynamik wesentlich stärker als früher. Dies führte zu allerlei Tricksereien der Teams, die teilweise unter dem, im Reglement vorgeschriebenen, Mindestdruck starteten. Folgen hatte dies nicht, da die Stewards die Vergehen nicht ausreichend nachweisen konnten. Ein neues Einheitssystem zur Messung der Reifendrücke namens TPMS (Tyre Pressure Monitoring System) sollte Abhilfe schaffen.

Dieses System wurde schon 2022 eingeführt, aber befand sich noch in einer Testphase. Auch 2023 war noch vorgesehen, in den ersten drei Rennen Testläufe zu veranstalten, um korrekte Messungen sicherzustellen. Beim Spanien GP in Jerez an diesem Wochenende wäre die Regel also das erste Mal zur Anwendung gekommen. Konkret heißt das: Die Michelins dürfen im Rennen einen Wert von 1,88 bis 1,90 Bar nicht für mehr als die Hälfte des Rennens unterschreiten, sonst drohen Strafen. Diese wird es aber in Jerez nicht geben. Ohne dies öffentlich zu kommunizieren, hat die MotoGP die Testphase des Systems bis zum Frankreich GP in zwei Wochen verlängert. Erstmals strafbar überprüft würden die Drücke dann also im darauffolgenden Rennen in Mugello.

Die MotoGP will den Reifendruck streng überwachen, Foto: LAT Images
Die MotoGP will den Reifendruck streng überwachen, Foto: LAT Images

Das Chaos rund um die Einführung des Systems ist aber nur die eine Seite der Problematik. Die MotoGP-Fahrer rebellieren gegen die Einführung an sich. Ihre Kritik an den Plänen der Königsklasse ist vernichtend. Kurz gesagt: Die Regel bringe nicht einen Vorteil und nur Nachteile. Wir haben die Stimmen aus Jerez für euch zusammengefasst.

MotoGP-Fahrer unisono gegen neue Reifendruckregel

VR46-Pilot Luca Marini brachte seine Frustration zum Ausdruck: "Das ist nicht richtig. Es geht nicht um die Performance, sondern um die Sicherheit. Zu viel Druck bedeutet ein höheres Sturzrisiko. Es gibt keine Kontrolle darüber, denn du weißt nie, ob du hinter einem anderen Fahrer sein wirst oder allein fährst. Es ist jetzt schon schwierig, aber mit der Regel wird es noch schwerer. Ich weiß nicht, warum die Regelung einen so hohen Wert anstrebt. Mit niedrigerem Druck ist es viel einfacher. Außerdem ist es schlecht für die Show. Es ist kaum möglich mit hohem Reifendruck zu überholen. Du wartest einfach ab und versuchst, einen Sturz zu vermeiden."

Luca Marini ist entschieden gegen die geplante Regelung, Foto: Tobias Linke
Luca Marini ist entschieden gegen die geplante Regelung, Foto: Tobias Linke

Weltmeister Francesco Bagnaia stimmte uneingeschränkt zu und warnte, vor einem kommenden Überholverbot: "Bei Streckenbedingungen wie hier [in Jerez, Anm. d. Red.], wo du hart bremst und große Kräfte auf dem Vorderreifen hast, schnellt die Temperatur nach oben. Es wäre unmöglich zu fahren, mit dem Limit, das ihnen vorschwebt. Du würdest viel mehr Risiko haben und es würde langweilig werden. Im Argentinien Rennen waren die Drücke hoch. Aleix [Espargaro, Anm. d. Red.] und ich sind gestürzt, außerdem war es unmöglich zu überholen. Es ist keine gute Regel, weder für die Sicherheit noch für die Fans."

Auch WM-Leader Marco Bezzecchi ist ein klarer Gegner der Reifendruckregelung. Ihm liegt vor allem die Sicherheit am Herzen: "Ich will das nicht. Das ist zu gefährlich. Das kann die Probleme an der Front bereiten, besonders bei diesen Temperaturen [wie in Jerez, Anm. d. Red.]" Und der Sieger des letzten Rennens, Alex Rins, war froh, dass die Regel in Austin noch nicht galt: "Beim letzten Rennen in Texas wären wir [mit dieser Regel, Anm. d. Red.] alle ausgeschieden."

Vinales erklärt: Reifendruck schwankt viel zu stark, Regel nicht umsetzbar

Aber warum macht es die Regel so schwierig? Es geht um die Unterschiede der Reifendrücke in verschiedensten Rennsituationen. Aprilia-Pilot Maverick Vinales erklärte, dass er die Regel für nicht umsetzbar hält: "Es ist sehr schwierig, das zu kontrollieren. Wenn du von vorne startest, welchen Druck wählst du? Wenn du von hinten startest, welchen Druck wählst du dann? Das ist sehr schwer für die Teams. Die Spannweite kann bis zu 0,5 Bar im Rennen betragen. Wie willst du das kontrollieren?"

Maverick Vinales hing im Sprint von Austin in einem Pulk, die Folge: Hoher Reifendruck, Foto: LAT Images
Maverick Vinales hing im Sprint von Austin in einem Pulk, die Folge: Hoher Reifendruck, Foto: LAT Images

Der Spanier berichtete aus eigener Erfahrung: "In Austin hatte ich einen sehr hohen Druck im Sprint, im Rennen wiederum war es total anders." Im Sprintrennen hatte der Aprilia-Pilot damals einen schlechten Start und hing hinter Konkurrenten fest, der Reifendruck ging nach oben. Im Rennen hingegen fand er sehr schnell freie Fahrt. Kein Team kann voraussagen, welche Situation eintritt. Wählt man den Mindestdruck als Startdruck, so wird er im Verkehr viel zu hoch und es herrscht akute Sturzgefahr über den Vorderreifen. Wählt man einen niedrigeren Druck, so droht bei freier Fahrt die Bestrafung. Wie also das Problem lösen? Fabio Quartararo hatte dazu eine, nicht ganz ernst gemeinte, Antwort parat: "Solange sie es einfach weiter verschieben, ist es ok für mich."