Die MotoGP-Wintertestsaison 2023 biegt auf die Zielgerade. Am kommenden Wochenende stehen in Portimao noch einmal zwei Testtage auf dem Programm, ehe auf der portugiesischen Strecke in zwei Wochen der erste Grand Prix des Jahres über die Bühne geht. Motorsport-Magazin.com tickert wie gewohnt live von den Testfahrten (Samstag und Sonntag jeweils 11:00-19:15 Uhr) und versorgt euch mit allen wichtigen Infos aus Portimao. Zuvor werfen wir aber noch einen Blick auf alle fünf Hersteller und sehen es an, welche Probleme sie bei den letzten Wintertests zu lösen haben.

Ducati

Die Weltmeister aus Borgo Panigale erlebten einen fast reibungslosen Sepang-Test. Die für 2023 ausgegebene Strategie, wonach das neue Motorrad nach Jahren der radikalen Weiterentwicklung nun eine Evolution anstatt einer Revolution sein solle, scheint aufzugehen. In Sepang standen Experimente mit unterschiedlichen Aerodynamik-Konzepten wie Downwash-Ducts und Ground-Effect-Verkleidungen im Vordergrund. Hier wird man sich in Portimao für eine Lösung entscheiden müssen. Davon abgesehen wartet noch eine kleine Baustelle auf die Ducatisti, wenn es nach Francesco Bagnaia geht. "Pecco hat eine Schwäche im Vergleich mit dem 2022er-Bike erkannt, an der wir arbeiten müssen", erklärt Teammanager Davide Tardozzi. "Er hat uns dafür nicht viel Zeit gegeben. Bis Portimao will er das Problem gelöst haben." Um welches Problem es sich dabei genau handelt, wollte Tardozzi nicht verraten. Die Tatsache, dass das 2022er-Motorrad in Sepang sogar noch eine Spur stärker wirkte als die aktuelle Maschine, verunsichert Ducati nicht. "Beim alten Motorrad ist bereits das volle Potenzial ausgeschöpft", analysierte Enea Bastianini nach den Testfahrten in Malaysia. "Mit der neuen Maschine müssen wir noch einige Dinge erkunden. Ich denke, dass wir erst 70 oder 75 Prozent des Leistungsvermögen abgerufen haben."

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Yamaha

Mit dem Wunsch, endlich die eklatante Topspeedschwäche der vergangenen Jahre zu beseitigen, ging Yamaha in Sepang-Test. Die Mission war erfolgreich, Fabio Quartararo und Franco Morbidelli konnten in der Rangliste der besten Höchstgeschwindigkeiten durchaus vorne mitmischen. Ein zufriedenes Fazit konnte Yamaha am Ende des ersten Testblocks dennoch nicht ziehen. Denn die Qualifying-Simulation am Abschlusstag wurde zum Desaster. Quartararo und Morbidelli belegten lediglich die Ränge 19 und 20, beide Fahrer verloren mehr als eine Sekunde auf die Bestzeit. "Wir haben keine Ahnung, wieso wir so weit von der Spitze entfernt sind. Wir haben ja versucht, schnelle Zeiten zu fahren. Das ist das größte Problem", gab ein verdutzter Quartararo zu Protokoll. Mit einem derart schwachen Speed über eine Runde wird das Yamaha-Duo in den Rennen der MotoGP-Saison 2023 kaum etwas ausrichten können. Diese Schwachstelle wird also im Fokus stehen. Außerdem will man noch Teile im Bereich von Chassis und Schwungarm aussortieren.

Aprilia

Im Sepang-Test war Aprilia hinter Ducati die klare Nummer zwei und konnte als einziger Hersteller die Dominanz der Weltmeister durchbrechen. "Es sieht so aus, als hätte Ducati immer noch eine etwas bessere Pace, aber wir sind nicht weit entfernt. Und unsere weiteren Rivalen sind nicht überragend und scheinen sich nicht besonders gesteigert zu haben", analysierte Aleix Espargaro. Besonders erfreulich für Aprilia: Man hat für Portimao noch ein Ass im Ärmel. Der neue Motor für 2023 wird hier sein Debüt geben und soll einen deutlichen Fortschritt im Vergleich zum Fortschritt darstellen. Zeit für Fehler bleibt dem Hersteller aus Noale aber nicht mehr, in nur zwei Tagen muss man die endgültige Spezifikation finden, die dann vor dem ersten Saisonrennen homologiert und nicht mehr verändert werden darf. Eine Gratwanderung!

Honda

Im Honda-Lager nach einzelnen Baustellen zu suchen ergibt aktuell wenig Sinn. Das gesamte Projekt gleicht aktuell einer großen Baustelle. Jener radikale Prototyp, der in Sepang seine Premiere feierte, wurde sofort wieder verworfen. Eine Evolution des gnadenlos unterlegenen Vorjahresmodells soll nun das Einsatzmotorrad für 2023 werden. Echte Fortschritte waren damit nicht zu erkennen, Speerspitze Marc Marquez lobte lediglich ein etwas besseres Gefühl für das Vorderrad. "Wir sind eindeutig nicht dort, wo wir hinwollen", musste Teammanager Alberto Puig zugeben. Mut machen kann Honda für Portimao hingegen der Fitnesszustand von Marc Marquez. Er sollte in den vier Wochen seit dem Sepang-Test physisch weiter zugelegt haben und nah an voller Fitness sein. Gut möglich, dass er so ein paar Zehntelsekunden mehr aus der RC213V herauskitzeln kann.

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KTM

Große Erwartungen hegte KTM vor dem Sepang-Test. Erfüllt wurden sie aber nur teilweise. "Wir sind nicht völlig zufrieden. Vielleicht waren die Erwartungen etwas zu hoch. Vor uns liegt noch eine Menge Arbeit", gestand Teammanager Francesco Guidotti. KTM hatte seine RC16 über den Winter grundlegend umgebaut. In Sepang verbaute man Downwash-Ducts und Ground-Effect-Verkleidungen zusammen, was so bislang noch kein MotoGP-Hersteller praktiziert hatte. Außerdem brachte man neue Rahmen und einen völlig anders konfigurierten Motor zu den Testfahrten. Dieses umfangreiche Paket an Updates in Verbindung mit drei neuen Fahrern (Jack Miller, Pol Espargaro, Augusto Fernandez) scheint das österreichische Projekt etwas überfordert zu haben. Ob zwei Tage in Portimao reichen, um das Steuer noch herumzureißen, ist fraglich.