Bei den MotoGP-Testfahrten am vergangenen Wochenende in Sepang warf Honda materialtechnisch alles in die Waagschale, was man irgendwie bereitstellen konnte. Marc Marquez startete mit gleich vier Motorrädern in den ersten Test des Jahres, allesamt in unterschiedlichen Konfigurationen.

Für besonders großes Aufsehen sorgte allerdings eine weitere Maschine, die am letzten Tag von Marquez und Testfahrer Stefan Bradl pilotiert wurde: Eine RC213V ohne jegliche Winglets. Ein Motorrad, wie man es in der MotoGP seit 2015 nicht mehr gesehen hat. Die Tatsache, dass Honda ausgerechnet bei diesen Testfahrten, in denen andere Hersteller die bislang radikalsten Aerodynamikkonzepte ihrer Geschichte zeigten, einen völlig konträren Weg einschlägt, löste im Paddock Verwunderung aus.

Hondas Experiment wurde aber bald aufgeklärt. Der krisengebeutelte Hersteller plant nicht, mit dieser Version jemals ein Rennen zu bestreiten. Die flügellose Maschine ist viel mehr der Ankunft des neuen Technikchefs Ken Kawauchi geschuldet. Der Mann, der in den vergangenen Jahren mit seinem Klemmbrett in der Suzuki-Garage zu einer MotoGP-Kultfigur geworden ist, wurde ja erst vor wenigen Wochen als neuer Verantwortlicher für die Entwicklung der RC213V präsentiert und trat damit die Nachfolge von Takeo Yokoyama an.

Um Hondas MotoGP-Bike und vor allem dessen Probleme richtig zu verstehen, wollte Kawauchi bei den Testfahrten praktisch bei Null beginnen. Die Entfernung der Winglets war also eine Art Reset der Maschine, im Zuge dessen interessante Daten für die Zukunft gesammelt werden konnten. Die wenigen Runden von Marquez und Bradl waren deshalb auch ausreichend.

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"Unser neuer Technischer Direktor will viele Dinge an unserem Konzept verstehen", erklärt Marc Marquez. "Das macht als Fahrer das Leben bei den Testfahrten sehr schwierig, aber ich bin eben der Pilot mit der meisten Erfahrung auf der Honda und deshalb wollen sie, dass ich diese experimentellen Dinge ausprobiere. Was genau der Sinn dahinter ist, weiß ich auch nicht. Sie werden ihre Gründe haben, aber ich habe nicht danach gefragt. Ich bin einfach gefahren."

MotoGP ohne Flügel: So erlebte es Marc Marquez

Für Marc Marquez war die Ausfahrt ohne Winglets eine Zeitreise in die Vergangenheit. Über die letzten Jahre wurden aerodynamische Hilfsmittel zu einem integralen Bestandteil eines MotoGP-Bikes. "Es war wirklich schwierig, das Bike zu fahren, denn die Balance war vollkommen anders", verriet Marquez. "Es war körperlich viel anstrengender, weil das Motorrad ständig gewackelt hat. Aber ich hoffe, dass diese Runden für Honda nützlich waren."