Die Mathematik für Weltmeister Fabio Quartararo ist schnell erledigt: Nur mit einem Sieg beim Saisonfinale in Valencia hat er überhaupt noch eine Chance auf die Titelverteidigung. Mit Platz 4 im Qualifying hat sich der Yamaha-Pilot eine ordentliche Ausgangslage verschafft und steht damit auch deutlich vor WM-Leader Francesco Bagnaia auf Ducati, der achter wurde. Dessen Markenkollege Luca Marini hat dennoch keinerlei Zweifel am WM-Triumph seines Landsmannes.
Der Halbbruder von MotoGP-Legende Valentino Rossi erklärte: "Die Pace von Pecco [Bagnaia, Anm. d. Red.] macht es ihm leicht die Meisterschaft zu gewinnen. Er muss ja eigentlich nur ins Ziel kommen. Was Fabio angeht, so ist es aus meiner Sicht für ihn unmöglich das Rennen morgen zu gewinnen." Tatsächlich muss Bagnaia nur Platz 14 erreichen und dann reicht Quartararo selbst ein Sieg nicht aus.
Marini: Quartararo kann nicht im Pulk fahren
Doch warum kann der Franzose nicht gewinnen? Marini hat die Rennen genau beobachtet und analysiert schonungslos: "Es ist nicht, weil er keine Pace hätte. Er hat eine tolle Pace. An jedem Wochenende sehen wir, dass seine Longruns stark sind. Am Sonntag im Rennen ist er aber umgeben von anderen Fahrern und da hat er Probleme, wenn ihn jemand überholt oder vor ihm ist. Es sieht so aus, als könnte er dann seine Linie nicht halten." Tatsächlich holte Quartararo seine drei Saisonsiege indem er das Rennen von der Spitze aus kontrollierte. Deswegen betont der Franzose auch immer die enorme Wichtigkeit seines Qualifyings.
Doch wer wird dann gewinnen, wenn nicht Quartararo? Wenig überraschend schielt der am Sonntag von Rang 11 startende VR46-Pilot auf seine Markenkollegen: "Ich denke Jack [Miller, Anm. d. Red.] ist hier sehr stark. In den letzten Jahren hat er hier immer um den Sieg mitgekämpft. Auch Martin hat heute einen Schritt nach vorne gezeigt." Der Schlüssel zum Sieg ist dem Italiener auch klar: "In diesem Rennen wird das Reifenmanagement wichtig. Wir werden sehen, ob sich eine große Gruppe bildet. Mit Sicherheit werden die Jungs, die vorne starten und in den Top 4 bleiben können den Sieg unter sich ausmachen." Ob Quartararo Marinis Erwartungen widerlegen kann? Der Yamaha-Pilot wird seine Chance nutzen wollen, egal wie klein sie laut der Konkurrenz auch sein mag.
Aleix zweifelt ebenfalls, Crutchlow sieht alle Möglichkeiten in Valencia
Aprilia-Pilot Aleix Espargaro, der lange mit Quartararo und Bagnaia um die WM kämpfte sieht ebenfalls kaum Chancen für den französischen Titelverteidiger: "Es wird sehr schwer für ihn. Fabio ist schneller, als ich das vor dem Wochenende erwartet hatte. Er hat die Pace, um zu gewinnen. Die anderen Dinge sind schwieriger: Ein Nuller von Pecco ist unwahrscheinlich. Und wenn Pecco wirklich einen Nuller schreibt, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass die anderen Ducati-Fahrer zulassen, dass Fabio gewinnt." Auch er denkt, dass Quartararo im Pulk nicht nach vorne kommen kann: "Wenn du keine Ducati hast, dann kannst du auf der Geraden nicht überholen. Das wird sehr schwer."
Für Quartararos Yamaha-Kollegen Cal Crutchlow ist sowohl die Strecke als auch die Ausgangslage vieler Fahrer eine Wundertüte: "Fabio kann das Rennen gewinnen oder ausfallen. Bagnaia könnte das Rennen auch nicht beenden. Das geht ganz schnell auf dieser Strecke. Es ist eine eigenartige Situation. Es gibt so viele Fahrer, die nichts zu verlieren haben. Sie werden einfach alles geben und es wird ihnen egal sein, wer wer ist." Von Quartararo ist der Brite überzeugt: "Fabio hat gute Pace, er kann Lücken zufahren. Spät im Rennen wird er sicher einer der Stärksten sein. Also hoffen wir mal, ich drücke die Daumen." Dennoch muss er auch zugeben: "Wenn es eng auf dem Papier ist, heißt es normalerweise, dass es kein gutes Rennen wird, weil dann niemand überholen kann. Das habe ich hier in der MotoGP über die Jahre hinweg gelernt."
Top-3-Qualifier: Fabio mit Chance
Die ersten drei des Qualifyings werden morgen vor Quartararo ins Rennen gehen und stehen einem möglichen Sieg des Yamaha-Piloten somit direkt im Weg. Polesitter Jorge Martin hat als Ducati-Pilot eine überraschend positive Ansicht der Chancen des Weltmeisters: "Seine Situation ist viel besser als im letzten Jahr, er ist jetzt ein stärkerer Fahrer. Er war der Beste in FP1, danach haben wir die Lücke geschlossen. Ich denke 4 oder 5 Fahrer werden eng beisammen sein. Er hat seine Chance, aber es ist schwer zu überholen. Er muss aggressiv vorgehen, aber er kann gewinnen."
Der zweitplatzierte Marc Marquez probierte es mit Sportpsychologie und sah ebenfalls Licht am Ende des Tunnels für Quartararo: "Wenn ich an Fabios Stelle wäre, dann hätte am Donnerstag noch alles schwarz ausgesehen und jetzt ist es viel klarer und besser. Pecco startet von 8, da weiß man nie. Er war von FP1 weg stark, hat voll angegriffen. Dann sind die anderen nähergekommen. Peccos Ausgangslage ist schlechter, aber er hat auch er hat immer noch ein paar Optionen."
Wem der drittplatzierte Jack Miller im WM-Finale die Daumen drückt, ist allerseits bekannt. Doch auch der australische Freund Bagnaias lehnte sich mit einem Verweis auf die Vergangenheit nicht so weit aus dem Fenster wie Marini: "Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist. Alles kann passieren, das hat uns die Geschichte hier in Valencia gezeigt. Pecco muss einen guten Job machen, aber ich habe vertrauen in ihn, dass er es packen wird."
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