Kurz nach dem anberaumten Zeitpunkt für seine Pressekonferenz von 16:15 Uhr betritt Valentino Rossi den PK-Raum von Spielberg. Ihm wird ein Mikrofon angesteckt und nach einer kurzen Erklärung durch die Dorna-Crew nimmt der MotoGP-Superstar auf dem einzelnen Sessel im Scheinwerferlicht Platz.

Valentino Rossi: Die Gründe für den MotoGP-Rücktritt: (08:29 Min.)

Rossi verkündet mit einem Lächeln im Gesicht seinen Rücktritt. Wir haben seine gesamte Rücktrittsrede im Wortlaut:

"Hallo an alle! Ich habe, wie bereits angekündigt, die Sommerpause genützt, um eine Entscheidung zu treffen. Ich habe mich dazu entschlossen, meine Karriere mit Saisonende zu beschließen. Das wird also leider meine letzte Saisonhälfte als MotoGP-Fahrer sein. Das ist natürlich hart und es ist ein wirklich trauriger Moment für mich. Es fällt mir schwer zu sagen und zu wissen, dass ich im kommenden Jahr keine Motorradrennen mehr fahren werden. Immerhin habe ich das für gut 30 Jahre gemacht. Mein Leben wird sich also verändern. Es war aber eine großartige Zeit, in der ich viel Spaß hatte. Es war eine lange, lange Reise, auf der ich unvergessliche Momente mit all den Leuten erlebt habe, die für mich gearbeitet haben. Mehr kann ich nicht sagen."

Daraufhin begann die Fragerunde für Rossi. MotoGP-Kommentator Steve Day bat ihn um einen kurzen Rückblick auf seine Karriere:

"Es war eine sehr lange Karriere, in der ich glücklicherweise viele Rennen gewinnen konnte. Viele Momente sind unvergesslich. Es sind Momente purer Freude, nach denen ich oft Tage lang nicht zu lächeln aufgehört habe. Es war eine harte Entscheidung, aber im Sport zählen eben die Resultate. Deshalb denke ich, dass die Entscheidung richtig war. Sie ist mir aber nicht leichtgefallen, denn ich hatte die Chance, in meinem eigenen Team zusammen mit meinem Bruder zu fahren. Das hätte mir sehr gefallen, aber es ist auch so in Ordnung. Jetzt habe ich noch eine Saisonhälfte vor mir. Es wird dann sicher schwieriger, wenn die letzten Rennen anstehen. Jetzt habe ich ja nur meine Entscheidung bekanntgegeben. Ich kann mich auf jeden Fall nicht über meine Karriere beschweren."

Valentino Rossi gewann 115 Grands Prix, Foto: Monster Energy
Valentino Rossi gewann 115 Grands Prix, Foto: Monster Energy

Frage: Was hast du deinen Fans zu sagen?
Valentino Rossi: Ich möchte ihnen sagen, dass ich in den mehr als 25 Jahren alles gegeben habe, um an der Spitze zu sein. Es war eine lange gemeinsame Reise, auf der ich immer unglaubliche Unterstützung auf der gesamten Welt genossen habe. Wieso das so war, kann ich selbst nicht wirklich verstehen. Es macht mich aber sehr stolz und ich möchte mich bei allen Fans bedanken. Ich glaube, wir hatten zusammen eine Menge Spaß.

Frage: Wann hast du deine Entscheidung getroffen und wie geht es jetzt für dich weiter?
Valentino Rossi: In der Sommerpause, wie ich es geplant hatte. Zu Beginn der Saison wollte ich eigentlich weitermachen, aber zuerst wollte ich verstehen, ob ich noch schnell genug bin. Leider waren die Resultate nicht das, was wir uns erhofft hatten. Da habe ich dann zu grübeln bekommen. Wie es für mich weitergeht? Ich habe auch Autorennen immer geliebt, nur ein bisschen weniger als mit den Motorrädern. Ich werde also nächstes Jahr Autorennen fahren. Es ist noch nichts Konkretes fixiert, aber ich habe das Gefühl, dass ich mein gesamtes Leben ein Rennfahrer bleibe. Ich wechsle nur vom Motorrad ins Auto. Ich werde nicht auf demselben Niveau sein, aber immer noch Rennen fahren.

Frage: Fällt es dir schwer, dich mit dem Rücktritt abzufinden?
Valentino Rossi: Vor zwei Jahren oder auch letztes Jahr war ich noch nicht bereit, mit der MotoGP aufzuhören. Ich wollte alles probieren. Jetzt ist es aber okay. Ich bin mit mir im Reinen. Natürlich bin ich nicht glücklich, aber das hätte sich auch im nächsten Jahr nicht geändert, denn ich würde am liebsten noch 20 Jahre fahren. Es ist also der richtige Moment. Jetzt habe ich noch eine halbe Saison um noch einmal stärker zu werden und mein Bestes zu geben.

Frage: Warum hast du dich dagegen entschieden, in deinem Team zu fahren?
Valentino Rossi: Ich habe ernsthaft darüber nachgedacht. Wir haben in unserem Team viele tolle Leute, mit denen ich teilweise schon zu meinen 250er-Zeiten zusammengearbeitet habe. Mit ihnen wieder Rennen zu fahren, wäre genial gewesen. Am Ende habe ich mich aber aus unterschiedlichen Gründen dagegen entschieden. Vor allem, weil ich das Motorrad wechseln hätte müssen. Das wäre vielleicht für zwei oder drei Jahre interessant gewesen, aber in nur einem Jahr war das Risiko zu groß.

Rossi und Bruder Luca Marini im gleichen Team: Daraus wird nichts, Foto: LAT Images
Rossi und Bruder Luca Marini im gleichen Team: Daraus wird nichts, Foto: LAT Images

Frage: Welche Momente definieren für dich deine Karriere?
Valentino Rossi: Drei WM-Titel ragen heraus: 2001, als ich letzter 500ccm-Weltmeister wurde. 2004, als ich erstmals mit Yamaha gewonnen habe. Und 2008, denn angeblich war ich damals schon alt und am Ende. Wenn du nach fünf Titeln in Serie zwei Mal nicht gewinnst, dann ist deine Karriere normalerweise vorbei. Mit dem Wechsel auf Bridgestone-Reifen habe ich es aber geschafft, noch einmal gegen Jorge Lorenzo, Casey Stoner und Dani Pedrosa zu kämpfen und zwei weitere Titel zu holen.

Frage: Bereust du eine Entscheidung in deiner Karriere?
Valentino Rossi: Ehrlich gesagt nicht. Die Zeit bei Ducati war hart, weil wir nicht gewinnen konnten, aber es war dennoch eine tolle Herausforderung. Wenn ich als italienischer Fahrer auf einem italienischen Motorrad gesiegt hätte, wäre das historisch gewesen. Ich bin auch etwas traurig, dass mir der zehnte Titel nicht gelungen ist. Ich finde, dass ich das verdient hätte. Ich kann mich über meine Karriere aber nicht beschweren.

Frage: Was bedeutet der Rücktritt für dein Privatleben?
Valentino Rossi: Aus irgendeinem Grund habe ich es geschafft, viele Leute für den Motorradsport zu begeistern. Ohne mich hätten viele gar nicht gewusst, was die MotoGP ist. Irgendwie habe ich diese Leute emotional erreicht. Darauf bin ich sehr stolz. Gleichzeitig macht es das aber schwer, ein normales Leben zu führen. Vieles verändert sich. Das ist die andere Seite der Medaille. Ich habe mein Leben aber dennoch immer genossen.

Frage: Was ist deiner Meinung nach dein Vermächtnis in diesem Sport?
Valentino Rossi: Die Tatsache, dass ich so viele Menschen zum Motorradsport gebracht habe ist das Wichtigste - zusammen mit meinen Resultaten. Ich konnte am Sonntagnachmittag viele Leute unterhalten und sie haben das genossen. In diesen ein zwei Stunden können sie alles andere vergessen und einfach die Rennen genießen. Das ist das Beste. Selbst jetzt, wo meine Ergebnisse nicht mehr so toll waren, freuen sich die Leute unglaublich, mich zu sehen. Manche beginnen sogar zu weinen. Das ist auch für mich sehr emotional.

Valentino Rossi ist in Italien ein Volksheld, Foto: Giandomenico Papello
Valentino Rossi ist in Italien ein Volksheld, Foto: Giandomenico Papello

Frage: Du bist eine dieser Persönlichkeiten, die größer ist als dein Sport. Was bedeutet dir das?
Valentino Rossi: Es ist ein großartiges Gefühl. Die Menschen erkennen mich überall, selbst an den entlegensten Orten der Welt. Wenn du irgendwo in Thailand plötzlich einen 46-Sticker auf einem Scooter siehst, ist das schon etwas Besonderes. Zu Beginn war das auch schwierig für mich, aber jetzt kann ich besser damit umzugehen.

Frage: Du wirst im nächsten Jahr GT3-Rennen fahren. Was ist da dein Ziel?
Valentino Rossi: Ich habe Autorennen immer geliebt, weil ich ja auch im Go-Kart begonnen habe. Graziano (Valentinos Vater, Anm.) hatte Angst davor, dass ich Motorradrennen fahre, weil er sich dabei selbst oft verletzt hat. Er dachte, Autos wären etwas sicherer. Nach zwei oder drei Jahren mit dem Go-Kart habe ich dann aber ein Mini-Bike ausprobiert und mich für Motorradrennen entschieden. Ich weiß nicht, ob ich im Auto auch so erfolgreich gewesen wäre. Wahrscheinlich nicht, also war es eine gute Entscheidung. In meinem Herzen hatten Autos aber immer einen Platz und ich habe stets versucht, mich da zu verbessern und Rennen zu fahren, um irgendwann dafür bereit zu sein. Ich weiß nicht genau, wie mein Level ist. Es ist sicher nicht so hoch wie auf dem Bike. Wenn du ein echter Racer bist, fährst du aber nie nur zum Spaß. Du versucht, das bestmögliche Resultat zu holen.

Frage: Wieso war diese Saison so schwierig für dich?
Valentino Rossi: Ich weiß es nicht. Es haben sicher mehrere Faktoren zusammengespielt. 2018 war noch eine super Saison, die ich als Dritter beendet habe. Mir ist kein Sieg gelungen, aber ich habe viele Punkte geholt und hätte die letzten beiden Rennen gewinnen können. 2019 hat auch noch gut begonnen, aber dann hat sich irgendetwas verändert. Auch im Vorjahr war ich zu Beginn noch ganz gut, gegen Ende der Saison ist es aber immer schwieriger geworden.

Frage: Was wird dir an der MotoGP am meisten fehlen?
Valentino Rossi: Ich glaube, dass ich einfach das Sportlerleben vermissen werde. Ich mag es sehr, jeden Morgen aufzustehen und auf ein Ziel hinzuarbeiten. Am meisten wird mir aber sicher fehlen, ein MotoGP-Bike zu fahren. Das ist einfach ein großartiges Gefühl. Auch die Arbeit mit dem Team werde ich vermissen. Das Arbeiten mit herausragenden Ingenieuren und Mechaniker wird mir fehlen. Und natürlich auch dieses Gefühl am Sonntagmorgen. Du fühlst dich nicht wohl, hast auch Angst, aber es ist sehr emotional. Diese Dinge sind schwer zu ersetzen.