Das hat es selbst zu Zeiten von Michael Schumacher nicht gegeben: Ein aktiver Rennfahrer muss in der Startaufstellung von Security-Mitarbeitern abgeschirmt werden, um sich irgendwie seinen Weg durch die Massen hin zum eigenen Rennwagen bahnen zu können. Willkommen in der verrückten Welt des Valentino Rossi. Der 'Motorrad-Gott' bleibt nach dem Wechsel von zwei auf vier Räder ein absolutes Phänomen. Eines, das die Motorsport-Fans auch heute bis zum absoluten Anschlag begeistert. Rossi ist das gigantische Aushängeschild der WEC, in der er dieses Jahr als BMW-Werksfahrer sein Debüt gibt.

"Es gibt wenige Fahrer, wenn überhaupt mehr als einen, der so etwas bei den Fans auslöst", sagt BMW-M-Geschäftsführer Franciscus van Meel gegenüber Motorsport-Magazin.com. "Er ist eine Ikone des Motorsports, insbesondere auf zwei Rädern, aber auch im Gesamtbild. Davon gibt es nicht so viele auf der Welt."

Valentino Rossi mit BMW-WRT beim WEC-Rennen in Katar
Seit 2024 startet Rossi für BMW in der GT3-Klasse der WEC, Foto: LAT Images

Riesengroßer Rossi-Hype in der WEC

Wo Rossi ist, ist mächtig was los. Beim WEC-Rennen in Imola - seinem Heimspiel - drehte sich bei einer Fahrerpräsentation im Stadtzentrum alles nur um den BMW-Werksfahrer, die restlichen Piloten verkamen zu Statisten. An der Strecke waren die knallgelben VR46-Kappen im Fanshop nach kürzester Zeit ausverkauft. Auch beim folgenden Rennen in Spa-Francorchamps herrschte dauerhafter Ausnahmezustand vor der Garage des BMW Team WRT, für das Rossi in der Langstrecken-Weltmeisterschaft startet. Nirgendwo anders, nicht bei Ferrari, Porsche oder Toyota, mussten extra Absperrbänder aufgestellt werden, damit man überhaupt noch durchkommt.

Und jetzt kommen die 24 Stunden von Le Mans (15.-16. Juni 2024), das berühmteste Autorennen der Welt. Mit Rossi, der im vergangenen Jahr seine ersten Gehversuche in der Rahmenrennserie Road to Le Mans unternahm und trotz seines Sieges eher unter dem Radar der Öffentlichkeit fuhr. Jetzt steht er im Rampenlicht und kämpft auf dem #46 BMW M4 GT3 von WRT um den Klassensieg in der neuen LMGT3-Kategorie. Rossi, der als Silber-Fahrer eingestuft ist, teilt sich den BMW mit Werksfahrer Maxime Martin und Bronze-Pilot Ahmad Al-Harthy.

"Der große Moment ist gekommen", sagt Rossi. "Ich werde das erste Mal bei den 24 Stunden von Le Mans, dem berühmtesten Rennen der Welt, an den Start gehen. Ich bin sehr glücklich und stolz, dieses große Rennen gemeinsam mit BMW und dem Team WRT bestreiten zu können. Ich kenne den Kurs seit meinem Start bei den Road to Le Mans-Rennen im vergangenen Jahr und mag den Circuit de la Sarthe sehr. Wir sind bereit für eine lange Woche."

Valentino Rossi vor Debüt bei 24 Stunden von Le Mans

Mit einem Valentino Rossi im Hauptprogramm haben die 24 Stunden von Le Mans einen zusätzlichen Anreiz erhalten, falls es den angesichts der neun Hersteller in der Hypercar-Klasse überhaupt noch gebraucht hätte.

Kein Wunder, dass er sich an den WEC-Rennwochenenden eher rar macht. Exklusive Interviews gibt er höchst selten, lieber ist er Teil von größeren Medienrunden mit weiteren Fahrern. Und während andere WEC-Piloten im offenen Fahrerlager fleißig ein Autogramm nach dem anderen schreiben, wandelt Rossi lieber auf Schleichwegen von Session zu Session und von Termin zu Termin. Verständlich, ansonsten würde er angesichts des Fan-Ansturms wohl überall zu spät erscheinen. Für den Weg durchs Paddock ist ein Golfkart zu Rossis treuem Begleiter geworden, in dem ihn seine Crew zielsicher und rasant ans Ziel bringt.

Zuschauer beim WEC-Rennen im belgischen Spa-Francorchamps
Zuschauerandrang ist für Valentino Rossi alltäglich, Foto: WEC/DPPI

BMW-M-Boss van Meel: "In erster Linie ist Valentino Rossi bei uns Rennfahrer und nicht PR-Gag. Und das macht er sehr gut. PR ist auch ein Thema, aber seine Ausstrahlung und die Tatsache, wie er als Mensch zur Marke steht, reicht schon aus. Man muss ihn jetzt nicht Showrooms eröffnen lassen oder so etwas. Das würde er sowieso nicht machen. Aber es macht einfach sehr viel Spaß, mit ihm zu arbeiten."

Was ist für Rossi und Co. in Le Mans drin?

Rossi, Martin und Al-Harthy können sich sportlich bei den 24h Le Mans durchaus etwas ausrechnen. Zwar war das aus der DTM und vom Nürburgring bekannte Team Manthey mit seinen beiden Porsche 911 GT3 R bislang am stärksten und führt die WM-Tabelle an, doch die BMW-Fraktion brauchte sich nicht zu verstecken: In Imola feierte WRT-BMW einen Doppelsieg, wobei der Rossi-M4 den zweiten Platz hinter dem #31 Schwesterauto (Leung, Gelael, Farfus) belegte.

Rossi gilt auch im Vierradsport als akribischer Arbeiter, der sich sehr detailliert auf die Rennwochenenden vorbereitet - und der sich trotz seines Legenden-Status nicht wichtiger nimmt als seine BMW-Teamkollegen. Wohlwissend, dass er von GT3-Veteranen wie Martin oder Augusto Farfus noch vieles lernen kann. "Da steckt viel harte Arbeit drin", sagte BMW-Motorsportchef Andreas Roos zu Motorsport-Magazin.com. "Man muss den Hut ziehen vor Valentino, wie viel Arbeit und Ehrgeiz er reinsteckt, um wirklich auf einem Top-Level zu fahren."

Zuletzt in Spa-Francorchamps wurde der #46 BMW vorzeitig aus dem Rennen befördert, sodass Rossi - sehr zum Unmut vieler Fans - gar nicht erst ans Steuer kam. In der Gesamtwertung belegt das #46-Trio mit 36 Punkten den vierten Platz hinter Spitzenreiter Manthey (Alexander Malykhin, Joel Sturm und Klaus Bachler), die bislang 72 Zähler sammeln konnten.

Ein ausführliches Exklusiv-Interview mit BMW-M-Geschäftsführer Franciscus van Meel über die Zusammenarbeit mit Superstar Valentino Rossi lest ihr in der kommenden Motorsport-Magazin Print-Ausgabe. Seid schnell, die Ausgaben sind schnell vergriffen! Am besten gleich hier abonnieren: