Jack Miller holte am Sonntag in Jerez seinen ersten MotoGP-Sieg für Ducati und den zweiten seiner Karriere. Für den italienischen Hersteller war es der erste Sieg auf dem andalusischen Traditionskurs seit Loris Capirossi 2006. Francesco Bagnaia sorgte sogar für einen Doppelsieg für Ducati und übernahm mit seinem dritten Podium im vierten Rennen zudem die WM-Führung. Wie kam es zu diesem überraschenden Erfolg am Sonntag? Die Renn-Analyse zum Grand Prix von Spanien:

Ducati in den Trainings Underdog

In den Trainings-Sessions am Freitag und Samstag hatte Ducati nicht viel zu melden. Am Freitag konnte Francesco Bagnaia zwar die Tagesbestzeit erzielen, doch der Italiener war der einzige Ducati-Fahrer, der es in einer der beiden Sessions in die Top-8 schaffte. Im entscheidenden 3. Training war Bagnaia erneut bester der Ducatisti - allerdings nur als Siebenter. Der spätere Sieger Jack Miller schaffte es als Zehnter nur mit Ach und Krach direkt in Q2.

Im für die Rennpace meist aussagekräftigen 4. Training war Miller als bestes Ducati-Ass auf Platz 8 zu finden - mit fast acht Zehntelsekunden Rückstand auf Fabio Quartararo. Im Qualifying waren die Ducatisti plötzlich zur Stelle: Miller landete in der ersten Reihe, Bagnaia und Johann Zarco in der zweiten. Eine solide Basis für den Grand Prix am Sonntag.

Der schnelle Fabio Quartararo

Der große Favorit für Sonntag war allerdings Fabio Quartararo. Der Franzose hatte nicht nur beide Rennen im Vorjahr in Jerez gewonnen, sondern kam auch mit Siegen in Katar und Portimao im Rücken an seine Lieblingsstrecke. Am Samstag erzielte er nicht nur die beste Rundenzeit in FP4, sondern schnappte sich auch die Pole Position.

Am Start ließ er sich aber überrumpeln und lag nach wenigen Sekunden nur noch auf dem vierten Rang. Allerdings nicht lange, denn in der letzten Kurve nahm er sich einen Rivalen nach dem anderen vor: in Runde 2 war dort Francesco Bagnaia fällig, einen Umlauf später Franco Morbidelli und schließlich in Lap 4 auch Jack Miller.

Sobald Quartararo freie Bahn hatte, hob er sofort die Rundenzeiten in neue Sphären. Zwischen Runde 5 und 9 blieb er fünfmal in Folge unter der Marke von 1:38,0 Minuten. Im gesamten Rennen konnten außer Quartararo nur Miller (3x) und Morbidelli (1x) diesen Wert unterbieten.

Alle Rennrunden unter 1:38,000:

P Fahrer Zeit Runde
1. Fabio Quartararo 1:37,770 Lap 8
2. Fabio Quartararo 1:37,797 Lap 5
3. Fabio Quartararo 1:37,804 Lap 7
4. Fabio Quartararo 1:37,814 Lap 6
5. Jack Miller 1:37,908 Lap 6
6. Fabio Quartararo 1:37,909 Lap 9
7. Jack Miller 1:37,913 Lap 7
8. Jack Miller 1:37,958 Lap 8
9. Franco Morbidelli 1:37,993 Lap 7

Quartararo fuhr in diesem Zeitraum nicht nur die schnellste Rennrunde sondern sogar die vier schnellsten Einzelzeiten, die in diesem Rennen erzielt wurden. Zwischen den Laps 5 und 13 war er achtmal der schnellste Mann im gesamten Feld. Bei Halbzeit sah er bereits wie der sichere Sieger aus und hatte nach 13 der 25 Runden 1,427 Sekunden Vorsprung auf Miller und 3,992 auf den Drittplatzierten Morbidelli.

Doch es sollte nicht reichen für Fabio Quartararo. In der 14. Runde sackte seine Rundenzeit plötzlich um eine Sekunde ab: Von 1:38,049 auf 1:39,035 Minuten. In der 18. Runde stieg seine Rundenzeit auf 1:40,629 Minuten und bis inklusive der vorletzten Lap war er der langsamste Fahrer im gesamten MotoGP-Feld. Alle Zuseher fragten sich: Wie konnte es dazu kommen? Die Antwort: Körperliche Probleme.

Armpump zerstört Quartararos Rennen: MotoGP-Analyse Jerez-GP: (10:44 Min.)

Quartararo wurde von Arm-Pump ereilt und verlor mitten im Rennen das Gefühl in seinem rechten Arm. "Ich hatte absolut keine Kraft mehr. Es war richtig gefährlich, aber ich wollte nicht aufgeben, weil auch diese drei Punkte im Kampf um die Weltmeisterschaft entscheidend sein können", sagte er sichtlich gezeichnet in seinem Videocall am Nachmittag nach dem Rennen.

In diesem körperlichen Zustand wurde Quartararo rasch durchgereicht und statt des sicheren Sieges reichte es am Ende nur für drei WM-Punkte. Auf Sieger Miller verlor der Franzose in den letzten zwölf Runden des Rennens satte 20,334 Sekunden. Bereits eineinhalb Runden nach dem Auftreten der Probleme war Quartararo seine Führung los, zwei Runden später auch seinen Podestplatz.

Millers Leistung im Rennen

Auch wenn Fabio Quartararo der stärkste Fahrer im Rennen war, so konnte Jack Miller in der ersten Rennhälfte einigermaßen mithalten und damit den Grundstein zu seinem späteren Sieg legen. Er führte in den ersten drei Runden das Rennen an und konnte nach einem kurzen Schockmoment in Runde 5 - als er mehr als eine halbe Sekunden auf den Franzosen verlor - ab dem 6. Umlauf seine Zeiten unter die Marke von 1:38,0 Minuten drücken.

Binnen fünf Runden verlor er dadurch nur weitere 0,788 Sekunden auf Quartararo, ehe er in Lap 11 zum ersten Mal seit dem Verlust der Führung wieder schneller war als der Franzose. Quartararo konterte zwar, sodass er am Ende von Lap 13 auf einen Rekordvorsprung von 1,427 Sekunden ausbauen konnte, aber dann nahmen ihn seine körperlichen Probleme aus dem Rennen um den Sieg.

Miller fand sich in einer komfortablen Situation wieder, denn er hatte seinen Vorsprung auf seine beiden Verfolger Francesco Bagnaia und Franco Morbidelli zu diesem Zeitpunkt bereits auf fast drei Sekunden ausgebaut. In Runde 14, als Quartararos Rundenzeiten absackten, hatte Miller auf Rang zwei 2,978 Sekunden Vorsprung zu Platz drei. Zu keinem anderen Zeitpunkt im Rennen war dieser Abstand größer.

Denn gegen Ende holte vor allem Francesco Bagnaia noch ordentlich auf seinen Teamkollegen auf. In den neun Runden von Lap 15 bis 23 verringerte der spätere WM-Leader seinen Rückstand auf Miller um 1,870 Sekunden. Am Ende der drittletzten Runde war er mit 1,113 Sekunden so knapp am Leader dran wie zuletzt in Runde 5. Allerdings sollte es nicht mehr für eine Schlussattacke reichen, sodass Bagnaia in den letzten zwei Umläufen nicht mehr ans letzte Limit gehen musste. Den Kampf gegen Franco Morbidelli hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits gewonnen.

Für Bagnaia wäre aber durchaus mehr drin gewesen. Doch eine verkorkste Anfangsphase warf ihn nach drei Runden auf den 5. Rang hinter Aleix Espargaro zurück. Hinter dem Aprilia-Fahrer hing Bagnaia sechs Runden lang fest und büßte in diesem Zeitraum 1,690 Sekunden auf Miller ein. Das entspricht beinahe seinem kompletten Rückstand im Ziel (1,912 Sek.).

Doch auch hinter Morbidelli verlor Bagnaia Zeit. Er schloss in Runde 10 auf den Italiener auf und konnte ihn erst in Lap 15 hinter sich lassen. Dadurch hatte Bagnaia weitere 0,709 Sekunden auf Miller verloren, ehe er seine Aufholjagd im letzten Renndrittel starten konnte. Immerhin durfte sich Bagnaia im Ziel über die WM-Führung freuen.

Rins vergibt Siegchance

Dass Jack Miller am Ende leichtes Spiel hatte, liegt aber nicht nur an den körperlichen Problemen von Fabio Quartararo, sondern auch an einem Fahrfehler eines anderes Piloten: Alex Rins. Dessen Grand Prix war schon in der 3. Runde zerstört. Der Suzuki-Fahrer stürzte und konnte das Rennen erst mit einer Verspätung von über einer halben Minute als abgeschlagener Letzter wieder aufnehmen. Dabei riss er sich sogar eine Seite seiner Winglets komplett ab, legte im Anschluss aber eine beachtliche Pace hin.

Rennen Lap 4 - Ziel:

P Fahrer Rückstand
1. Alex Rins
2. Jack Miller +1,024
3. Francesco Bagnaia +2,268
4. Taka Nakagami +2,998
5. Franco Morbidelli +3,023

Denn von der 4. Runde bis ins Ziel war Rins am Sonntag der schnellste Mann im gesamten Feld. Im Soloflug am Ende des Feldes nahm er in den 22 letzten Runden sogar Sieger Jack Miller etwas mehr als eine Sekunde ab, während die Podestfahrer Francesco Bagnaia und Franco Morbidelli sogar zwei beziehungsweise drei Sekunden auf Rins einbüßten.

Fazit: Miller gewinnt Ausscheidungsrennen

Ducati fuhr in Jerez einen verdienten Doppelsieg durch Jack Miller und Francesco Bagnaia ein. Bei körperlich anstrengenden und fahrerisch schwierigen Bedingungen hielten sich die beiden Ducatisti schadlos. Zwar hatten an diesem Tag Fabio Quartararo und auch Alex Rins die Pace für einen möglichen Sieg, doch bei einem streikte der Körper, beim anderen schlich sich ein Fehler ein.

In der WM bekommt der lange als Favorit gehandelte Jack Miller endlich Aufwind, während sich sein Teamkollege Francesco Bagnaia, der in seiner dritten MotoGP-Saison nach wie vor auf seinen ersten Sieg wartet, als solider Punktehamster entpuppt und nach drei Podien in vier Rennen die Gesamtwertung anführt. Die Konkurrenz sollte spätestens jetzt gewarnt sein.