Kaum ein MotoGP-Pilot war so eine treue Seele wie Andrea Dovizioso. Von seinen 13 Jahren in der MotoGP hat der Italiener acht im Ducati-Werksteam verbracht. Eine Leistung, die ihm kaum jemand nachmachen kann. Aber auch die schönsten Geschichten und die harmonischsten Beziehungen müssen nicht zwangsläufig ewig halten - wie die zerbrochene Traumehe Dovizioso/Ducati beweist.

Das MotoGP-Rennen in Portimao war für Dovizioso nicht nur das vielleicht letzte Rennen in der Königsklasse überhaupt, es war mit Sicherheit auch sein letzter Ausflug auf einer Ducati Desmosedici GP. Ein merkwürdiges Gefühl für Fahrer und Hersteller, auch wenn man am Ende nur wenig Sympathie für einander übrig zu haben schien. Auch das Ergebnis des Saisonfinales konnte nicht überzeugen. Dovizioso kam lediglich auf Rang sechs ins Ziel und machte damit WM-Rang vier sicher - obwohl er als einer der Favoriten auf den Titel in die WM gestartet war.

Dovizioso: Nicht zufrieden mit P4, aber...

Angesichts der Schwierigkeiten, denen man sich 2020 stellen musste, ist dieser vierte Rang aber noch ein recht akzeptabler Schnitt, befindet Dovizioso am Ende einer harten Saison. "Natürlich ist das objektiv betrachtet kein gutes Ergebnis, weil wir ja Weltmeister werden wollten", erklärt er nach dem Finale in Portimao. "Aber auf der anderen Seite war es eben eine schwierige Saison. Es ist unmöglich, den Leuten zu vermitteln, wie das Gefühl auf dem Bike ist."

Würde er es trotzdem versuchen, ließe sich die Beziehung von Dovizioso und der GP20 wohl in einem Wort zusammenfassen: Schwierig. Vor allem mit den neuen Michelin-Reifen bekam Dovizioso sein Arbeitsgerät nicht zum Laufen, was in wenig herausragende Ergebnisse resultierte. "Wenn das Gefühl nicht gut ist, egal, unter welchen Bedingungen und man auf allen Strecken Schwierigkeiten hat, dann ist die Situation nicht ideal", fasst Dovizioso seine letzte Saison als Ducati-Pilot zusammen.

"Im Training und im Qualifying lagen wir immer weit zurück, im Rennen haben wir oft Ränge gut gemacht. Aber so zu fahren ist nicht einfach", so der Italiener weiter. "Ich mochte meine Art zu fahren in diesem Jahr nicht. Vor allem, wenn man bedenkt, dass wir in den letzten drei Jahren so ein gutes Gefühl hatten."

Von 2017 bis 2019 konnten Dovizioso und Ducati als einzige mit Marc Marquez im Titelfight mithalten und, wenn auch nicht gewinnen, wenigstens den Vize-Titel einfahren. Davon konnte Dovizioso in diesem Jahr nur träumen, das neue Bike und die neuen Michelin-Pneus zwangen ihm eine veränderte Fahrweise auf, mit der er die Ergebnisse aus dem Vorjahr nicht wiederholen konnte, egal, ob Rivale Marquez nun anwesend war oder nicht.

"Wenn man diese Schwierigkeiten bedenkt, dann ist WM-Rang vier am Ende gar kein so schlechtes Ergebnis", ist Dovizioso überzeugt.

Stolz auf die letzten acht Jahre

In seinen acht Jahren bei Ducati kann der Italiener jedoch auf weitaus schönere Momente zurückblicken als WM-Rang vier in dieser Saison. Dovizioso ist einer der erfolgreichsten Piloten in Rot, toppen konnte seine Leistungen wohl nur Casey Stoner. Dementsprechend glücklich kann der 34-Jährige jetzt auf seine Vergangenheit bei Ducati zurückblicken.

"Ich bin sehr, sehr glücklich mit allem, was ich in den letzten acht Jahren erreicht habe", erklärt er. "Über was man glücklich sein kann, entscheidet sich immer dadurch, von wo man kommt. Ich denke, das vergessen viele Leute. Es ist nicht einfach, sich daran zu erinnern, was vor sieben oder acht Jahren war, aber ich erinnere mich noch sehr gut und bin glücklich über das, was wir erreicht haben."

Dass es ihm im Gegensatz zu Stoner nicht gelungen ist, einen WM-Titel nach Borgo Panigale zu holen, kratzt aber natürlich trotzdem an dem Glück des Italieners. "Mit dem Titelgewinn wäre es perfekt gewesen, aber grundsätzlich bin ich zufrieden mit allem. Mehr als andere Leute bei Ducati", schickt Dovizioso eine Spitze gegen seinen nun ehemaligen Arbeitgeber hinterher.

Dovizioso: Haltung enttäuscht mich

"Das ist etwas, wovon ich wirklich enttäuscht bin", erläutert der WM-Vierte seine Bemerkung. "Die letzten drei Jahre waren für uns wirklich speziell und wir haben sie in keiner Weise besonders gefeiert oder durchlebt. Das macht mich traurig." Auch wenn Dovizioso in den letzten drei Jahren der einzige Fahrer im gesamten MotoGP-Feld war, der Marquez herausfordern und in einigen Rennen auch besiegen konnte, war man im Ducati-Lager nie ganz zufrieden mit ihm. Stattdessen wurde Dovizioso kritisiert und seine Forderungen nach Anpassungen an der Desmosedici GP, die für einen endgültigen Triumph über Marquez seiner Meinung nach nötig waren, wieder und wieder übergangen.

Kein Wunder, dass aus der einstigen Traumehe über die Zeit eher ein Albtraum geworden ist. Dovizioso macht auch keinen Hehl daraus, dass diese Behandlung für seine jetzige Entscheidung, nicht mehr Teil der Ducati-Familie sein zu wollen, ausschlaggebend war. "Diese Erfahrungen haben die Situation jetzt beeinflusst und sind der Grund dafür, weshalb es so gekommen ist", stellt Dovizioso klar. Die lange COVID-Pause Anfang des Jahres hat hingegen nichts damit zu tun gehabt: "Davon war die Situation zwischen mir und Ducati nicht betroffen, an meiner Entscheidung hat diese Pause nichts geändert", versichert der Italiener.

Nach Ducati-Aus: Was Dovizioso fehlen wird

Nachdem das Kapitel Ducati für ihn nun geschlossen ist, fühlt Dovizioso sich endlich wieder frei. "Sicher werde ich viele Dinge vermissen, aber im Moment fühle ich mich sehr leicht", schwärmt er. "Es gab einfach Dinge, die ich an meiner vorherigen Situation nicht mochte. Diese jetzt hinter mir gelassen zu haben, ist ein gutes Gefühl. So wollte ich nicht weitermachen."

Dovizioso kann seine Zeit in Rot jedoch nicht hinter sich lassen, ohne über diejenigen zu reden, die ihm fehlen werden: "Ich habe gute Beziehungen zu einigen Leuten bei Ducati, vor allem zu meiner Crew. Wenn man acht Jahre mit denselben Leuten verbringt und viele Siege einfährt, dann entwickelt man eine gute Beziehung. Das ist auch etwas, was ich vorher nicht hatte."