Die MotoGP macht sich nach den ersten drei Rennen der Saison 2019 nach Europa auf. Zeit für eine erste Bilanz und eine Analyse der 22 Stammfahrer: Wer hat die Erwartungen übertroffen? Wer hat sie enttäuscht? Und wer steht nach den GPs in Katar, Argentinien und Austin in etwa dort, wo man das erwarten konnte?

Erwartungen übertroffen

Valentino Rossi: Der Doctor schleppte einen Rucksack von neun podestlosen Rennen in Folge in die neue Saison mit. Bei den Wintertests war Teamkollege Vinales der deutlich schnellere Mann und sehr optimistisch klangen Rossis Aussagen Ende Februar nicht. Trotzdem lieferte der 40-Jährige an jedem der drei bisherigen Rennsonntage ab, war immer beste Yamaha, holte zwei zweite Plätze, liegt in der WM-Wertung nur vier Punkte hinter der Spitze und damit zum x-ten Mal in seiner Karriere voll im Titelfight. Das war in dieser Form nicht zu erwarten.

Jack Miller: Kaum gibt man dem Australier Werksmaterial, schon platzt der Knoten. In Katar noch von einem defekten Sattel ausgebremst, holte er P4 in Argentinien. Beim MotoGP-Auftritt in Austin stand er als bester Ducati-Mann sogar zum ersten Mal seit Assen 2016 auf dem Podium. Hält er diese Form, macht er mächtig Druck auf Danilo Petruccis Platz im Werksteam.

Fabio Quartararo gehört zu den großen Überraschungen, Foto: LAT Images
Fabio Quartararo gehört zu den großen Überraschungen, Foto: LAT Images

Fabio Quartararo: Der Teenager musste im Vorjahr viel Kritik für seinen MotoGP-Aufstieg über sich ergehen lassen, strafte in den ersten drei Rennen aber sämtliche Kritiker Lügen. Dreimal stand er in Q2, in Katar erzielte er die schnellste Rennrunde und zuletzt fuhr er zweimal solide in den Top-10. Die Rookie-Wertung führt er vor Jerez an und mit seinem weltmeisterlichen Teamkollegen Franco Morbidelli hält er voll mit. Die positive Überraschung der Saison!

Miguel Oliveira: Als MotoGP-Rookie direkt auf eine KTM zu wechseln, ist wahrlich keine einfache Aufgabe. Doch Miguel Oliveira meistert diese Herausforderung bislang besser als erwartet. Zweimal konnte er bereits Punkte erobern und dabei sogar Edeltransfer Johann Zarco aus dem Werksteam in Schach halten.

Franco Morbidelli: Mit Platz 5 in Austin holte er das beste MotoGP-Ergebnis seiner Karriere. Der Umstieg auf Yamaha ist geglückt und Morbidelli dürfte in den nächsten Rennen zu den permanenten Top-10-Anwärtern gehören. Das ist eine klare Steigerung zum Vorjahr und war in der Form nicht unbedingt zu erwarten.

Takaaki Nakagami: Ein einziges Mal schaffte es der Japaner in seiner ersten MotoGP-Saison in die Top-10, doch im Winter scheint der Knoten geplatzt zu sein. Nakagami holte in den ersten drei Rennen die Plätze 9, 7 und 10 und liegt aufgrund seiner Konstanz sogar vor seinem deutlich schnelleren Teamkollegen Cal Crutchlow. Den Vorwurf des "Quoten-Japaners" muss sich Nakagami mit seiner bisherigen Saisonleistung nicht mehr gefallen lassen.

Andrea Dovizioso: Sieg in Katar verteidigt, in Argentinien und Austin das beste Ergebnis seit 2015 geholt und mit dem zweitbesten Saisonstart seiner Karriere WM-Leader. Andrea Dovizoso ist tatsächlich noch besser unterwegs als im Vorjahr. Damit ist seine WM-Chance 2019 größer als je zuvor und Andrea der beste Desmo-Dovi, den es je gab.

Performance wie erwartet

Marc Marquez: Aufgrund seiner Schulteroperation und den dadurch beeinflussten Testfahrten konnte man den amtierenden MotoGP-Champion zu Saisonbeginn nicht bei voller Fitness erwarten. Das war ein Trugschluss, denn in Katar und Argentinien präsentierte sich Marquez von seiner besten Seite. Auch in Austin war er stark unterwegs, schrieb am Ende aber doch wieder eine Null in den ersten drei Saisonrennen - so wie in drei der vergangenen vier Jahre. Somit liegt MM93 in etwa auf Erwartungskurs und bleibt trotz seiner neun Punkte Rückstand in der WM Top-Favorit auf den Titel.

Marc Marquez: So stark wie erwartet, aber wie schon so oft sturzanfällig, Foto: LAT Images
Marc Marquez: So stark wie erwartet, aber wie schon so oft sturzanfällig, Foto: LAT Images

Cal Crutchlow: Für Crutchlow gilt Ähnliches wie für Marquez. Er war lange verletzt, hatte dadurch keine reibungslosen Wintertests, war aber vom ersten Rennen an vorne dabei. Podest-Pace hatte der Brite in allen drei Rennen, doch ein Fehlstart in Argentinien und ein Sturz in Austin verhinderten wieder einmal, dass Crutchlow ganz vorne mitmischt. Das ist ein Schema, dass sich bereits seit Jahren durch Cals Karriere zieht.

Alex Rins: In Austin gewann das Suzuki-Ass sein erstes Rennen. Das war allerdings auch das ausgegebene Ziel vor Saisonstart. Rins konnte seine gute Form aus dem Vorjahr konservieren, Suzuki die GSX-RR an ein paar Stellen ein wenig konkurrenzfähiger machen und heraus kommt Rang drei in der WM-Wertung für den Austin-Sieger. Das entspricht den gestiegenen Erwartungen seines japanischen Arbeitgebers.

Pol Espargaro: In allen drei Rennen in den Punkten und in Austin den besten Startplatz einer KTM in der MotoGP-Geschichte geholt. Pol Espargaro zeigt, was mit der RC16 aktuell möglich ist. Die in ihn gesteckten Erwartungen erfüllt er damit ebenso wie seine Führungsrolle in der Werkstruppe. Im Laufe der Saison muss aber eine weitere Steigerung erfolgen, damit KTM sein Saisonziel erreicht.

Aleix Espargaro: Mit zwei Top-10-Plätzen in den ersten beiden Rennen stellte Aleix Espargaro das Potenzial der Aprilia unter Beweis. In Austin stürzte er, doch die Teamleader-Rolle ist ihm auch in diesem Jahr sicher. Wunderdinge sind nicht zu erwarten, stattdessen harte Arbeit um die RS-GP endlich weiter nach vorne zu bringen und vor allem den Vergleich mit KTM zu gewinnen.

Francesco Bagnaia: Sein 9. Rang in Austin rehabilitierte den amtierenden Moto2-Weltmeister für zwei verkorkste Rennen zum Saisonauftakt. Um den angestrebten Titel als "Rookie of the Year" zu erobern, wartet auf der Vorjahres-Ducati aber noch ein hartes Stück Arbeit auf Bagnaia.

Joan Mir: Mit Platz 8 in Katar legte der Rookie ein starkes Debüt hin, danach folgte ein Defekt in Argentinien und ein Fehlstart in Austin. Erwartungsgemäß musste Joan Mir in den ersten Saisonrennen also etwas Lehrgeld bezahlen. Dass der Spanier mit Teamleader Rins mithalten kann, hatte ohnehin niemand erwartet. MotoGP-Potenzial hat Mir aber auf jeden Fall.

Karel Abraham: Da es kaum Erwartungen in den letzten verbliebenen Payrider der MotoGP gab, konnten diese auch nicht enttäuscht werden. Null Punkte nach drei Rennen auf der Vorjahres-Ducati liegt in etwa auf dem Niveau, das man von Abraham erwarten kann.

Die Enttäuschungen

Andrea Iannone: Aprilia wollte durch den Transfer des Italieners eigentlich einen Stallrivalen auf Augenhöhe zu Aleix Espargaro aufbauen. Dieser Versuch ist bislang grandios gescheitert. Iannone hat genauso wenig eine Chance gegen den Katalanen wie Scott Redding und Sam Lowes vor ihm. Nach desaströsen Tests und einem letzten Platz in Argentinien zeigte die Formkurve in Austin (P12) endlich ein wenig nach oben. Von den in ihn gesetzten Erwartungen ist Iannone aber noch weit entfernt.

Andrea Iannone ist auf Aprilia noch nicht so stark wie erhofft unterwegs, Foto: LAT Images
Andrea Iannone ist auf Aprilia noch nicht so stark wie erhofft unterwegs, Foto: LAT Images

Jorge Lorenzo: Ja, nach seinen unzähligen Verletzungen steht Jorge Lorenzo noch immer nicht bei einhundert Prozent Fitness. Dass er nach drei Rennen aber bei lediglich sieben Punkten hält und bislang nicht einmal Top-10-Potenzial aufwies, ist eine herbe Enttäuschung. Die Anpassung an die Honda dürfte ihm anscheinend nicht leichter fallen als vor zwei Jahren der Umstieg von Yamaha auf Ducati. In der JL99-Box sollten alle Alarmglocken schrillen.

Danilo Petrucci: Der Italiener ist zwar konstant, doch Ducati braucht im Werksteam einen Wingman für Dovizioso, der dessen Gegnern regelmäßig Punkte im Podestkampf rauben kann. Diese Erwartungen konnte Petrucci bislang noch nicht erfüllen. Drei sechste Plätze machen ihn aktuell nur zur Nummer drei in Ducatis Hackordnung und könnten seine Position für 2020 gefährden.

Hafizh Syahrin: Es war klar, dass der Umstieg von Yamaha auf KTM nicht einfach werden würde. Dass er für Syahrin aber derart desaströs endet, war nicht zu erwarten. In Katar und Austin abgeschlagen Letzter und in Argentinien Vorletzter, hat er selbst gegen seinen Rookie-Teamkollegen Miguel Oliviera bislang nicht den Funken einer Chance.

Tito Rabat: Der Spanier kann sich glücklich schätzen, nach seinen schlimmen Beinverletzungen überhaupt wieder auf einem MotoGP-Bike zu sitzen. Doch wer den ehrgeizigen Rabat kennt, der weiß, dass ihm das nicht reicht. Nur ein Punkt nach drei Rennen - diese Ausbeute enttäuscht Rabat selbst wohl am meisten.

Johann Zarco: Sein Debüt als offizieller Werksfahrer hatte sich Johann Zarco wahrlich anders vorgestellt. In den ersten drei Rennen fielen von Seiten des Franzosen und seines Arbeitgebers sogar scharfe Worte wie "schockiert" und "Eskalation". Fünf Punkte nach drei Rennen machen ihn aktuell nur zum WM-19. und zur Nummer drei bei KTM. Eine rasche Lösung der Probleme ist nicht in Sicht.

Maverick Vinales: Bei den Wintertests sah Vinales stark aus und Yamahas Hoffnungen auf den Turnaround manifestierten sich auf seinen Schultern. Doch nach drei Rennen ist klar: 2019 wird für Maverick noch schwieriger als 2018. Nur 14 Punkte aus drei Rennen bedeuten den schwächsten Saisonstart seiner gesamten Karriere. Er ist aktuell nur die Nummer vier unter den Yamaha-Fahrern und seine Start-Schwäche ist besorgniserregend. Wenn dann auch noch Pannen wie die versehentlich absolvierte Long Lap in Austin hinzukommen, ist das Schlamassel komplett. Seine Pace in Austin war aber gut und in Argentinien schied er unverschuldet aus - Hoffnungsschimmer am sonst tristen Himmel des Maverick Vinales.