Probleme mit der Kette sind an modernen MotoGP-Maschinen eine absolute Seltenheit. Bei Honda trat ein derartiger Defekt zuletzt aber gleich zwei Mal auf. Marc Marquez musste seine Maschine im 4. Freien Training von Argentinien abstellen, Teamkollege Jorge Lorenzo ereilte nun im Q2 von Austin dasselbe Problem.

Beide Male war die Kette einfach vom Ritzel gesprungen und der Vortrieb verloren gegangen. Eine bedenkliche Serie, die die Honda-Piloten mit Sorge auf das MotoGP-Rennen von Austin blicken lässt. "Wir wissen nicht wo das Problem liegt", gestand Marc Marquez am Samstagabend. "Unsere Ingenieure arbeiten bereits an einer Lösung, aber bis wir diese gefunden haben, bleibt es ein Risiko."

Bei Honda haben die entsprechenden Untersuchungen also noch kein zufriedenstellendes Ergebnis gebracht. Oder man ist zu einem Ergebnis gekommen, kann das Problem aber aktuell noch nicht lösen. Das ist der Verdacht von Ex-500ccm-Pilot Simon Crafar, der seit dem Vorjahr als Boxenreporter für die Dorna tätig ist. Er glaubt, dass die Karbonschwinge der RC213V die Ursache für Hondas Kettendefekte sein könnte.

Honda setzt seit 2018 auf Karbonschwinge

Die Karbonschwinge wurde im Vorjahr von Honda zunehmend forciert. Mittlerweile fahren sowohl Marquez als auch Lorenzo und LCR-Pilot Cal Crutchlow ausschließlich diese Konstruktion, die Aluminiumteile sind Geschichte. Mit der Karbonschwinge konnte man bei Honda durch bessere Flexibilität mehr Grip aufbauen und Bodenwellen besser abfedern.

Gerade in der extremen Biegsamkeit des Karbon könnte laut Crafar - der nach seiner Zeit als aktiver Pilot für Öhlins als Techniker tätig war und somit über eine umfangreiche Expertise im Bereich des Fahrwerks verfügt - aber das Problem liegen. "Ich denke, dass sich die Schwinge zu sehr verwindet, vor allem beim starken Herausbeschleunigen aus den Kurven", so Crafar. Bevor ihre Ketten Marquez und Lorenzo im Stich ließen, hatten beide Piloten heftige Rutscher, die zwangsläufig zu großer Belastung an der Schwinge geführt haben müssen.

"Verbiegt sich der Schwungarm zu stark, springt die Kette vom Ritzel. Ich glaube, dass Honda hier ans Limit kommt. Man kann nicht unendlich viel Flexibiliät für mehr Grip gewinnen und gleichzeitig die Kette bei vollem Rausbeschleunigen aus einer engen Kurve unter Kontrolle halten", analysiert Crafar.

Problem für Honda aktuell nicht lösbar

Eine Erklärung, die durchaus stimmig wirkt - sicherlich auch für die hervorragenden HRC-Ingenieure. Das Problem: Die Flexibilität einer fertigen Karbonschwinge kann nachträglich nicht angepasst werden, ganz im Gegensatz zu einem Aluminium-Schwungarm. Diesen kann man nach Belieben bearbeiten. Zumindest für den Sonntag in Austin muss man bei Honda also wohl oder übel mit dem vorhandene Material auskommen und hoffen, dass der Defektteufel an der Kette nicht ein drittes Mal zuschlägt.