Ducati stellte in der zweiten MotoGP-Saisonhälfte 2018 das beste Motorrad. Darüber herrscht Einigkeit im Paddock der Motorrad-Weltmeisterschaft, sogar Weltmeister Marc Marquez ist überzeugt, dass seine Honda nur in den ersten Rennen des Jahres die stärkste Maschine im Feld war.

Die Stärken der Ducati liegen, neben ihrer traditionell überlegenen Motorleistung, vor allem im schonenden Umgang mit den Michelin-Reifen. Eine Eigenschaft, die in der aktuellen MotoGP-Ära Gold wert ist. Denn die Rennen werden nicht mehr wie vor einigen Jahren lediglich darüber entschieden, welcher Pilot der schnellste am Sonntag ist. Es gilt schnell zu sein und gleichzeitig die Pneus, vor allem am Hinterrad, zu schonen.

Ducati gelang das 2018 am besten. Das zeigt ein Blick auf die Reifenwahl der drei Piloten, die zusammen 16 der 18 Saisonrennen gewinnen konnten: Andrea Dovizioso, Jorge Lorenzo und Marc Marquez. Aufgrund Lorenzos Verletzungspause bei den Überseerennen und der Absage in Silverstone bestritt das Spitzentrio nur 14 Grands Prix gemeinsam. In der Hälfte der Rennen wählten alle drei Fahrer denselben Hinterreifen. Von den verbleibenden sieben konnten die Ducatis aber in fünf GPs einen um eine oder sogar zwei Stufen weicheren Hinterreifen fahren, Marquez war das umgekehrt lediglich bei zwei Events möglich. Von den fünf Rennen, in denen Ducati weichere Hinterreifen verwenden konnte, gewann man nur eines nicht - den Frankreich-GP. Dieser fällt aber in eine Zeit, in der Lorenzo mit der GP18 noch gar nicht zurechtkam. Gleichzeitig stürzte Dovizioso in Führung liegend.

Ducati mit Seamless-Getriebe 2.0

Addiert man alle Rennen, war Dovizioso über das gesamte Jahr gesehen insgesamt fünf Stufen weicher unterwegs als Marquez, Lorenzo sogar um sechs. Doch wie schafft das die Truppe aus Borgo Panigale? Das Geheimnis dürfte unter der Verkleidung der Maschine liegen. Ducati hat seiner Maschine in der abgelaufenen Saison ein neues Getriebe spendiert. Wie genau es funktioniert, will man selbstverständlich nicht verraten. Alvaro Bautista, der dieses System als Ersatz für Jorge Lorenzo auf Phillip Island testen durfte, erklärte aber, dass die Schaltvorgänge an der GP18 deutlich reibungsloser ablaufen als an anderen Maschinen.

Alvaro Bautista durfte das neue Getriebe auf Phillip Island verwenden, Foto: Ducati
Alvaro Bautista durfte das neue Getriebe auf Phillip Island verwenden, Foto: Ducati

Das neue Ducati-System dürfte also eine weitere Ausbaustufe der Seamless-Getriebe werden, die ja seit einigen Jahren in allen MotoGP-Maschinen zum Einsatz kommen. Dabei wird der nächste Gang bereits eingelegt, bevor der vorherige verlassen wird. Somit ist eine fast - wenn auch nicht vollständig - nahtlose Kraftübertragung möglich. Das bringt neben der logischerweise besseren Beschleunigung weitere Vorteile. Das Motorrad wird durch die praktisch nicht vorhandenen Lastwechsel weniger destabilisiert, was Schalten in Schräglagen deutlich vereinfacht und sicherer macht. Gleichzeitig wird der Hinterreifen geschont, weil die am Rad anfallende Energie gleichbleibender ist, es also nicht zu Belastungsspitzen kommt. Eine weitere Verfeinerung des Systems, wie es Ducati nun gelungen ist, bedeutet eine Verstärkung dieser Vorteile.

Ducati-Getriebe: Anderes Gefühl, teuer, komplex

Das neue Getriebe hat aber auch seine Nachteile. Die Piloten müssen sich an ein völlig neues Gefühl beim Gangwechsel gewöhnen. "In einem 'normalen' Getriebe spürst du beim Schalten einen zunehmenden Widerstand", erklärt Bautista bei 'PecinoGP'. "Mit dem neuen Getriebe hast du dieses Gefühl nicht. Der Schalthebel fühlt sich weicher an und am Ende der Bewegung ist es, als würdest du einen Knopf drücken oder einen Schalter umlegen." Bautista stürzte in der Gewöhnung an diese neue Art zu Schalten in Phillip Island zwei Mal. Jorge Lorenzo und Andrea Dovizioso sollen zu Beginn mit ähnlichen Problemen konfrontiert gewesen sein.

Katapultierte das Getriebe Lorenzo von seiner Ducati?, Foto: Screenshot/MotoGP
Katapultierte das Getriebe Lorenzo von seiner Ducati?, Foto: Screenshot/MotoGP

Der Verdacht liegt nahe, dass auch Lorenzos schlimmer Abflug in Thailand, der ihm schließlich die Teilnahme an allen vier Überseerennen im Herbst kostete, zumindest indirekt mit dem neuartigen Getriebe zu tun hatte. Ducati gestand, dass ein technischer Defekt am Motorrad vorlag. Welcher das war, wollte man nicht verraten. In den Onboard-Aufnahmen war aber deutlich zu hören, dass irgendetwas an Lorenzos Bike blockierte. Gut möglich also, dass man lediglich die neue Getriebetechnologie möglichst lange geheim halten wollte.

Fest steht, dass das System extrem komplex, teuer und aufwändig zu betreuen ist. Deshalb werden die Kundenteams Pramac und Avintia, die 2019 mit Vorjahresmaschinen unterwegs sind, nicht dieses Getriebe einsetzen. "Das macht nur Sinn, wenn du um Rennsiege oder den WM-Titel kämpfst. Nicht, wenn du um Platz zehn fährst", stellt Ducati-Technikchef Gigi Dall'Igna klar.