Seine Debütsaison bei Yamaha hätte für Maverick Vinales nicht besser beginnen können. Nachdem er bereits bei allen Wintertestfahrten die Bestzeit markiert hatte gewann er auch direkt die ersten beiden Rennen in Katar und Argentinien. Vinales war auf Wolke sieben, seine Gelassenheit und sein riesiges Selbstbewusstsein im Fahrerlager deutlich sichtbar, ja schon beinahe spürbar.

Vinales gerät ins Straucheln

Vinales' Erfolgslauf hielt aber nicht unvermindert an, auch wenn er mit dem Sieg in Le Mans sowie Platz zwei in Mugello weitere Spitzenresultate einfuhr und zur Saisonhalbzeit nur fünf Punkte hinter WM-Leader Marc Marquez auf Rang zwei liegt. In Austin stürzte Vinales nämlich aus dem Rennen und vermutete daraufhin einen defekten Vorderreifen von Michelin als Ursache. In der Hitze von Jerez und Barcelona war er - übrigens ebenso wie Teamkollege Valentino Rossi - völlig chancenlos und machte aus seinem Ärger darüber keinen Hehl.

Die Frustspirale Vinales' drehte sich mit dem Crash im Rennen von Assen und einem bis zum Sonntag desaströsen Sachsenring-Wochenende weiter. Im Rahmen des Deutschland-Grand-Prix gewann man schon den Eindruck, Vinales sei der Meinung, die Himmel und Erde hätten sich gegen ihn verschworen: Michelin, der Wettergott oder WM-Rivale Marc Marquez, dem er nach dem Qualifying eine absichtliche Kollision vorwarf. Jeder bekam sein Fett weg.

Im Sachsenring-Qualifying krachte es zwischen Vinales und Marquez, Foto: Repsol
Im Sachsenring-Qualifying krachte es zwischen Vinales und Marquez, Foto: Repsol

Ein Verhalten, dass Yamaha-Motorsportchef Lin Jarvis durchaus an Vinales' Vorgänger Jorge Lorenzo erinnert. "Maverick und Jorge sind zwei völlig unterschiedliche Menschen mit einem komplett anderen Charakter. Sie haben aber auch gewisse Gemeinsamkeiten", verrät er gegenüber 'As'. "Beide sind wahnsinnig ungeduldig. Wenn sie ihre Ziele nicht erreichen, dann kann diese Ungeduld auch ganz schnell zu Frustration werden. Maverick will heute gewinnen, morgen das nächste Mal und übermorgen gleich wieder."

'Nur' Zweiter: Vinales enttäuscht

"Der Stand in der Gesamtwertung ist natürlich enttäuschend für mich. Ich habe in den letzten vier Rennen viel zu viele Punkte verloren. Eigentlich müsste ich die WM anführen", gab Vinales nach dem Deutschland-GP ganz offen zu. "Die erste Phase der bisherigen Saison hat gezeigt, dass ich sehr stark sein kann. Die zweite Phase hat aber gezeigt, dass ich auch noch viel lernen muss. Das werde ich aber auch machen."

Vor allem die Einstellung, jeden Grand Prix unbedingt gewinnen zu müssen, scheint Vinales Schritt für Schritt abzulegen: "Aus dem Rennen von Assen habe ich etwa schon meine Lehren gezogen und am Sachsenring nicht mehr so viel riskiert. Manchmal kann man eben nicht der Beste sein, dann muss man sich auch mit Platz vier, fünf oder sechs begnügen. In Assen habe ich trotzdem versucht zu gewinnen. Es ist eben mein erstes Jahr, in dem ich um den MotoGP-Titel kämpfe. Sonst hätte ich vielleicht nicht so viel riskiert und würde jetzt die WM anführen."

Bei seinem Sturz in Assen hatte Vinales großes Glück, Foto: Tobias Linke
Bei seinem Sturz in Assen hatte Vinales großes Glück, Foto: Tobias Linke

Diesen unbändigen Ehrgeiz sieht Jarvis aber gleichzeitig auch als einen der Gründe dafür, warum Lorenzo einer der erfolgreichsten Piloten der MotoGP-Geschichte ist und Vinales sich auf dem besten Weg dorthin befindet. "Sie teilen neben ihrem riesigen Talent dieses enorme Verlangen nach Erfolg. Deshalb bin ich auch überzeugt, dass Maverick zahlreiche MotoGP-Titel gewinnen wird, genauso wie es Jorge geschafft hat."

Lob erhält Vinales nach seiner starken ersten Saisonhälfte nicht nur von seinem Yamaha-Chef, sondern auch von zahlreichen Legenden der MotoGP:

Motorrad-Asse adeln Vinales

Giacomo Agostini: "Es war schon vergangene Saison ersichtlich, dass er in guter Fahrer ist, aber was er jetzt zeigt, ist herausragend. Ich habe auch mit einigen Leuten bei Yamaha gesprochen und sie sind sehr glücklich mit Maverick. Er ist extrem talentiert und sehr intelligent, braucht lediglich noch etwas mehr Erfahrung."

Kevin Schwantz: "Vor der Saison war wohl jedem klar, dass Maverick den Speed hat, um zu gewinnen. Die Frage war aber, ob er das auch in den Rennen so umsetzen kann, dass er erfahrene Piloten wie Rossi oder Marquez schlagen kann. Maverick hat dann genau das gezeigt."

Mick Doohan: "Wenn er so stark und fokussiert bleibt, wird er nur ganz schwer zu schlagen sein. Maverick ist talentiert, schnell, hungrig und hat mit der Yamaha das wohl kompletteste Motorrad zur Verfügung."

Alberto Puig: "Maverick ist unglaublich ehrgeizig. Er denkt nicht daran, sich bei Yamaha ein Jahr Zeit zu geben, um das Motorrad zu verstehen. Er will den WM-Titel holen. Seine Chancen stehen auch gut, denn er verfügt über das Können, den Willen und das Motorrad dazu."

Casey Stoner: "Jeder konnte schon im vergangenen Jahr sehen, wozu er in der Lage ist. Das hat er auch in den Wintertest bewiesen. Für mich war es daher keine Überraschung, dass er vom ersten Rennen an stark war."

Alex Criville: "Maverick ist ein großartiges Talent. Er war schon auf Suzuki sehr stark und seit den Testfahrten vor dieser Saison ist er der schnellste Fahrer im Feld."

Kenny Roberts Junior: "Für mich sind seine Leistungen keine Überraschung. Maverick hat die richtige Mentalität und ist auch zum richtigen Zeitpunkt auf dem richtigen Motorrad. Ich glaube, dass das vergangene Jahr sehr gut für ihn war, weil er da noch härter für den Erfolg arbeiten musste."