Es war sein großer Auftritt. In den ersten Minuten des MotoGP-Rennens in Katar blickte die Weltöffentlichkeit nicht etwa auf Yamahas Neuen Maverick Vinales, nicht auf Jorge Lorenzo, der zum ersten Mal in einem Grand Prix Ducati-Rot trug, oder auf den Weltmeister Marc Marquez. Nein, es war der 26-jährige Rookie Johann Zarco, der die Objektive der TV-Kameras auf sich zog.

Denn die versammelte MotoGP-Welt traute in den ersten Minuten ihren Augen nicht. War es wirklich der zweifache Moto2-Weltmeister, der die komplette Motorrad-Elite hier unter schwierigen Bedingungen düpierte? Ja! Allerdings hatte der Spuk nach nur sechs Runden und zwei Kurven ein jähes Ende. Zarco stürzte in Führung liegend und konnte nach einem kleinen Fehler das erste MotoGP-Rennen seiner Karriere nicht beenden.

Zarco pokert wie ein Altmeister

Doch alles der Reihe nach: Gestärkt durch solide Wintertests, hatte Zarco in Katar am Freitag im dritten Training mit der viertschnellsten Zeit der beiden Trainingstage aufhorchen lassen. Da das Qualifying am Samstag wegen des sintflutartigen Regens abgesagt werden musste, entsprach dieses Ergebnis zugleich dem Startplatz des Franzosen. P4 in der zweiten Reihe - vor Granden wie Dani Pedrosa, Valentino Rossi oder Jorge Lorenzo. Kein schlechter Einstand für den Mann, der die Moto2 zwei Jahre lang dominiert hatte.

Doch am Sonntag wurde es knifflig. Unmittelbar vor dem geplanten Start setzte Regen ein und zwang die Rennleitung zu einer rund 45-minütigen Verschiebung. Lange Gesichter im Grid und verunsicherte Fahrer waren die Folge. Einige schlaue Füchse erkannten die Chance, die sich durch die Verkürzung um zwei Runden ergab, und wechselten vom mittelharten auf den weichen Hinterreifen. Unter ihnen: Zarco, der zockte, als würde er das Fahrverhalten der MotoGP-Maschine schon seit Jahren kennen.

Vinales tadelt Zarcos Aggressivität

"Als ich gesehen habe, dass es nur noch über 20 Runden geht, dachte ich mir: Probieren wir es einfach, ich habe ja nichts zu verlieren", erklärte Zarco nach dem Rennen. Der Poker ging zunächst auf: Nach den von der Rennleitung verordneten zwei Aufwärmrunden erwischte er aus Reihe zwei einen sehr guten Start und katapultierte sich an die Spitze.

Nicht jedoch, ohne schon in der ersten Kurve zu ersten Mal anzuecken. Wer die Moto2 in den vergangenen Jahren verfolgt hat, kennt Zarcos Herangehensweise an Zweikämpfe, die er mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln wie Ellbogen oder Knie, ausfechtet. Auch beim Einstand in der MotoGP setzte er seine Waffen ein. "In der ersten Kurve wäre er mit fast in mein Motorrad gefahren", sollte der spätere Sieger nach dem Rennen anprangern.

Zarcos Worte beschrieben die Situation freilich anders: "Ich habe einen guten Start erwischt und ein hervorragendes Bremsmanöver in der ersten Kurve gesetzt. Ich habe viele Gegner überholt, die Führung übernommen und konnte einen Fluchtversuch antreten." Der geplante Sololauf schien zunächst zu funktionieren: In den Runden vier, fünf und sechs war Zarco der schnellste Mann im gesamten Feld.

Seine 1:55,990 aus Lap vier sollte bis zur Zielflagge die schnellste Rennrunde bleiben und nach sechs Umläufen wies der Zeitenmonitor Zarco bereits einen Vorsprung von 1,640 Sekunden auf die Konkurrenz aus. Der Grundstein zu einem Märchen schien gelegt. Doch wenige Sekunden später sollte alles anders kommen.

In Turn zwei ging der Franzose zu Boden und das perfekte Debüt war ruiniert. Selbst verschuldet, wie Zarco zugab: "Ja, es war der Fehler eines Rookies. Ich habe bereits gespürt, dass ich am Limit war. In Kurve zwei war ich dann ein kleines bisschen zu weit von der Linie und da passierte es auch schon." Seine Yamaha rutschte seitlich weg und Zarco schlitterte hinterher. Immerhin blieb er dabei unverletzt. "Der einzige Schmerz ist in meinem Herzen", gestand er.

Lob von Rossi für den Rookie

Von der MotoGP-Elite gab es nach den sechs Traumrunden aber durch die Bank Anerkennung. "Mit Ausnahme der ersten Kurve hat er sehr beeindruckt. Ich konnte ihn vor mir beobachten und er hat sich gut geschlagen", sagte Sieger Vinales. Auch Valentino Rossi adelte Zarco: "Ich habe mich schon mehrfach mit Franco (Morbidelli; Moto2-Fahrer und VR46 Academy Rider) über Zarco unterhalten und er hat mich schon gewarnt, dass ich auf diesen Kerl aufpassen muss. Heute haben wir gesehen: Ja, er ist auch in der MotoGP schnell." Das hat Moto2-Doppelweltmeister Johann Zarco schon im ersten Rennen in der Königsklasse bewiesen.