Die MotoGP-Saison 2015 war an Dramatik kaum zu überbieten und hatte zweifelsohne einige Highlights, aber auch Tiefpunkte. Mein absolutes persönliches Highlight in der Saison 2015 waren die letzten Runden in Aragon. Und zwar nicht, wie Jorge Lorenzo in Führung liegend locker den Sieg heimfuhr, sondern der Kampf um Rang zwei. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich je zuvor bei einem MotoGP-Rennen vor Spannung so lange die Luft anhalten musste. Sechs Runden vor Schluss setzte Valentino Rossi zum Angriff auf Dani Pedrosa an und ich dachte, wie wahrscheinlich die meisten Fans, dass der Dottore mit dem gerade erst wieder genesenen Katalanen leichtes Spiel hat. Immerhin ist Pedrosa gemeinhin nicht als besonders ausgefuchster Zweikämpfer bekannt. Falsch gedacht. Jede Runde mehrere Überholmanöver und Konter, ein Zweikampf auf höchstem Niveau bis zur Ziellinie, der dennoch immer fair blieb - genau so will ich die MotoGP sehen.

Wer hätte gedacht, dass sich der kleinste MotoGP-Pilot so breit machen kann?, Foto: Repsol
Wer hätte gedacht, dass sich der kleinste MotoGP-Pilot so breit machen kann?, Foto: Repsol

Dass ausgerechnet Pedrosa gleich sechs Angriffe von Rossi abwehren konnte, damit hätte vor Aragon wohl kaum jemand gerechnet. Immerhin hatte der Katalane wegen seiner Armpump-OP sogar drei Rennen aussetzen müssen und wurde in der Vergangenheit oft als wenig hart in Zweikämpfen kritisiert. Sein Team aber glaubte an ihn und zeigte ihm eine Boxentafel mit "Titanium". Das sollte bedeuten, dass er jetzt hart wie Titan sein musste. Und das war er. Eine bessere Belohnung als diesen zweiten Platz hätte er sich selbst nach seiner langen Leidenszeit wohl nicht schenken können.

Schade, dass dieses packende Duell neben den Kontroversen in den folgenden Rennen beinahe untergegangen ist. Besonders im Licht der späteren Eskalation im Titelkampf 2015 ist es das Duell von Aragon, das mir gezeigt hat, wie Fairness und Sportlichkeit aussehen sollten. Zwei Rivalen schenken sich auf der Strecke keinen Millimeter, Pedrosa macht sich breiter, als man es vom kleinsten Fahrer im MotoGP-Feld je erwartet hätte, Rossi sticht in die winzigste Lücke, nur um an schier unmöglichen Stellen wieder überholt zu werden, beide kämpfen am absoluten Limit - und doch schütteln sie sich auf der Auslaufrunde die Hände, auch in der folgenden Pressekonferenz gratulieren sie sich gegenseitig und erklären, wie viel Spaß ihnen dieser Zweikampf gemacht hat. Rivalität auf der Strecke ist toll für die MotoGP, doch wenn die Ziellinie überquert ist, finde ich es wichtig, seinen Gegner ebenfalls als einen der besten Fahrer der Welt zu respektieren. All das verkörpert das Duell von Aragon für mich. Definitiv das Highlight der Saison und ein Rennen, an das ich auch noch in vielen Jahren zurückdenken werde.