Marc Marquez muss sich aktuell manchmal wie im falschen Film wähnen. Noch vor einem Jahr war er der gefeierte MotoGP-Doppelweltmeister und kaum jemand hätte ihm einen dritten Titel in Serie nicht gegönnt. Seine Beliebtheitswerte stiegen ständig, ebenso wie die Anzahl seiner Rekorde. Marquez fuhr mit Leichtigkeit Sieg um Sieg ein, Probleme waren praktisch nicht zu erkennen. 2015 sollte sich das aber alles ändern. Marquez konnte an seine Leistungen aus den Vorjahren nicht anschließen und verabschiedete sich bald aus dem Kampf um den WM-Titel. Als er sich dann auch noch Mühe gab, Valentino Rossi aus diesem zu entfernen, ging bei Marquez nicht nur der Erfolg, sondern auch die Anerkennung der Fans verloren. Motorsport-Magazin.com blickt auf ein Jahr zurück, wie es Marc Marquez wohl nie wieder erleben möchte:

Der Fahrer

Marquez war schon immer ein Vollgaspilot. Das ging in den Nachwuchsklassen gut und zwei Jahre lang auch in der MotoGP. Weil er sich da auf seinem Motorrad wohlfühlte und so auch Fehler oft noch korrigieren konnte. Damit war aber 2015 Schluss. Auf der neuen Honda waren kleine Schnitzer meist gleichbedeutend mit Stürzen, gleich sechs Mal musste Marquez ein Rennen nach einem Crash vorzeitig beenden. Zum Vergleich: In seinen ersten beiden MotoGP-Saisons war das je einmal der Fall. Die falsche Entwicklungsrichtung bei Hondas 2015er-Bike liegt nicht unbedingt im Entscheidungsbereich von Marquez, sie kann man ihm daher nicht wirklich vorwerfen. Sehr wohl aber mangelnde Rennintelligenz. Spätestens nach den unnötigen Stürzen zu Saisonbeginn in Argentinien oder Barcelona hätte Marquez umdenken müssen und vielleicht einmal lieber 20 als 25 Punkte mitnehmen sollen, doch er flog in Silverstone und Aragon erneut in aussichtsreicher Position liegend ab. Nicht jede Saison wird Marquez so dominieren können wie 2014. Geht es enger her, wird er in den Rennen taktisch klüger werden müssen.

Das Motorrad

Die 2015er-Honda ist mit Sicherheit zu einem Großteil Schuld am sportlichen Abstieg von Marc Marquez in dieser Saison. Trotz der größten Ressourcen aller Hersteller ging die Entwicklung der neuen RC213V völlig in die falsche Richtung. Viel zu aggressiv gab der Motor die Leistung frei, doch das bemerkten Fahrer und Ingenieure erst, als es zu spät war, nämlich in Katar. Bei den Testfahrten vor Saisonbeginn in Sepang funktioniert die Maschine einwandfrei. Die große Hitze in Malaysia hatte dem Motor Pferdestärken geraubt, durch das weitläufige Layout in Sepang wurde das Getriebe noch dazu lange übersetzt, was insgesamt zu einer sanfteren Leistungsentfaltung führte. Sobald die Temperaturen aber kühler waren oder die Übersetzung kürzer ausfiel, war die RC213V kaum zu bändigen. Das galt insbesondere für Marquez, der ein anderes Chassis als Teamkollege Pedrosa verwendete, welches zwar einen Performance-Gewinn brachte, allerdings noch weniger Fehler verzieh. Nach drei Stürzen in den ersten sieben Rennen wechselte Marquez zurück auf das Vorjahreschassis, erst dann ging es langsam bergauf.

Marquez' Highlight

Was Marquez im Rennen von Phillip Island gezeigt hat war einfach nur überragend. Da spielt es auch keine Rolle, ob er im Laufe des Grands Prix lediglich mit seinen Reifen haushaltete oder doch mit Rossi spielte. War ersteres der Fall dann haben wir ein taktisch perfektes Rennen von Marquez gesehen, ist zweiteres passiert, war es zwar nicht fair von ihm, was das rennfahrerische Können angeht aber umso beeindruckender. Es sagt viel über das Talent des Youngsters aus, dass es ausgerechnet er war, der aus diesem Vierkampf mit Rossi, Lorenzo und Iannone als Sieger hervorging. Auf Phillip Island konnte er seinen herausragenden Speed in Kombination mit seiner unglaublichen Zweikampfstärke perfekt ausspielen. Wie er in der letzten Runde, trotz eines Zweikampfs mit Iannone Lorenzo über eine Sekunde abnahm und sich so noch den Sieg schnappte, war sensationell. Von diesem Marquez würden wir wohl alle gerne mehr sehen.

In der letzten Runde fing Marquez Lorenzo noch ab, Foto: Bridgestone
In der letzten Runde fing Marquez Lorenzo noch ab, Foto: Bridgestone

Marquez' Lowlight

Nur eine Woche nach seinem außerirdischen Rennen in Australien zeigte Marquez in Malaysia leider seine ganz menschliche Seite. Er stellte, wohlgemerkt wie auch Valentino Rossi, persönliche Eitelkeiten über den Sport und ließ es gegen Rossi auf ein Duell ankommen, das so nicht sein hätte müssen. Während Lorenzo ohne Gegenwehr an Marquez vorbeigehen durfte, machte sich der gegen Rossi so breit es nur geht. Natürlich zeigte Marquez auch in diesem Duell seine Zweikampfstärke und sein beinahe unerschöpfliches Talent, war der Battle der beiden Superstars bis zur Kollision doch einer der besten der letzten Jahre. In Erinnerung bleibt aber nur der Hintergrund des Sepang-Clash und der wirft auf keinen der beiden Beteiligten ein gutes Licht.