Der amtierende Weltmeister Stoffel Vandoorne nimmt seine fünfte Saison in der Formel E mit der neugeschaffenen Team-Kollaboration DS Penske in Angriff. Mit dem zweifachen Champion Jean-Eric Vergne trifft der Belgier nach dem Formel-E-Ausstieg von Mercedes auf einen neuen Teamkollegen.

Während Vergne die DS-Mannschaft, die nach der Trennung von Techeetah nun mit Dragon/Penske unter der Leitung von Jay Penske kooperiert, bestens kennt, erwartet Vandoorne Neuland.

Der Gen3-Bolide bei Testfahrten von DS Automobiles, Foto: DS Automobiles
Der Gen3-Bolide bei Testfahrten von DS Automobiles, Foto: DS Automobiles

Vandoornes Wechsel zu DS Automobiles, das zum Stellantis-Konzern gehört, galt in der Szene seit Monaten als offenes Geheimnis. Kommuniziert wurde er erst in der vergangenen Woche, gemeinsam mit dem Teamwechsel zu Penske.

Zuvor trat der 30-Jährige in der Saison 2018/19 für HWA Racelab aus Affalterbach an, bevor er im Zuge der Mercedes-Werksübernahme beim Team blieb und drei Saisons für die Silberpfeile startete - zwei Fahrer-Titel durch ihn selbst und Nyck de Vries (2021) sowie zwei Team-Meisterschaften inklusive.

Mit dem seit August 2021 feststehenden Ausstieg von Mercedes musste sich Vandoorne nach einem neuen Arbeitgeber umschauen. Große Teile des bisherigen Teams samt Erfolgs-Teamchef Ian James wechseln zu Formel-E-Neueinsteiger McLaren - für Vandoorne und seinen Teamkollegen de Vries (2023 mit AlphaTauri in der Formel 1) ging es allerdings nicht weiter.

Stoffel Vandoorne und Jean-Eric Vergne im Vergleich

StatistikStoffel VandoorneJean-Eric Vergne
Rennen55 seit 201898 seit 2014
Siege310
Titelgewinne1 (2022)2 (2018, 2019)
Podestplätze1530
Durchschn. Rennplatzierung9,68,3
Pole Positions715
Schnellste Rennrunden34
Punkte417887

Dabei hätte Vandoorne bei McLaren an seine Vergangenheit anknüpfen können. 2013 wurde er in das McLaren Young Driver Programme aufgenommen, 2014 wurde er Formel-1-Testfahrer, gewann 2015 dominant die GP2-Meisterschaft und bestritt sein erstes F1-Rennen 2016 in einem McLaren als Ersatz für den verletzten Fernando Alonso, bevor er 2017 sowie 2018 zwei schwierige Jahre als Stammfahrer beim Rennstall aus Woking erlebte.

Die Gründe für seine Entscheidung verriet Vandoorne jüngst in einer digitalen Medienrunde seines neuen Arbeitgebers DS: "Bei McLaren ist es zwar die gleiche Gruppe an Leuten (wie bei Mercedes), aber es ändert sich einiges. Sie sind ein Kundenteam anstelle eines eigenständigen Herstellers. Das darf man nicht unterschätzen."

Während Mercedes einen eigenen Antriebsstrang für seine Formel-E-Autos entwickelte, nutzt Nachfolger McLaren die Motoren von Nissan. Einem Kundenteam stehen in der Formel E deutlich weniger Testtage zur Verfügung als einem Hersteller. Ein wichtiger Fakt vor allem mit Blick auf den bevorstehenden Generationswechsel, wenn die neuen Gen3-Autos auf die bisherigen Gen2-Fahrzeuge folgen.

Vandoorne: "Die Formel E ist eine dieser Meisterschaften, in denen es nicht ganz so sehr schmerzt, ein Kundenteam zu sein. Das haben wir bei Venturi (bisheriges Mercedes-Kundenteam, 2023 mit Maserati/DS) gesehen, die die gleichen Chancen hatten wie Mercedes. Für mich war es aber wichtig, bei einem Hersteller zu bleiben, vor allem wegen des Wechsels zum neuen Auto. Hersteller haben viel mehr Testmöglichkeiten als Kunden. Dadurch erhoffe ich mir einen Vorteil für den Beginn der Gen3-Ära."

Noch ist kaum etwas bekannt über die Performance der neuen, rund 475 PS starken Rennwagen. Die Testfahrten der Hersteller DS, Porsche, Jaguar, Nissan, Mahindra und NIO laufen streng geheim hinter verschlossenen Türen ab. Heraus kam lediglich, dass alle Marken sich mit massiven Problemen bei Einheitsbauteilen herumplagen und zahlreiche Testtage ins Wasser fielen.

Zusätzliche Tests unter FIA-Beobachtung wurden anberaumt, um den Rückstand aufzuholen. Der neue Reifenpartner Hankook und erstmalig ein weiterer Motor an der Vorderachse, der nur zur Rekuperation genutzt werden darf, bilden die größten Herausforderungen. Zum ersten und einzigen Mal treffen alle Hersteller und Teams bei den offiziellen Testfahrten in Valencia (13.-16. Dezember 2022) aufeinander. Die neunte Saison der Formel E soll wenig später am 14. Januar 2023 in Mexiko-City beginnen.

Mit DS, das sich bereits seit 2015 in der Formel E engagiert - zunächst mit Virgin (heute Envison) und von 2016 bis 2022 mit Techeetah - rechnet sich Vandoorne die besten Chancen auf weitere Erfolge aus. Wie der 55-fache ePrix-Starter verriet, gab es die ersten Gespräche mit dem französischen Autobauer schon im Februar dieses Jahres, rund um das Rennen in Mexiko.

Vandoorne: "Da war die Saison noch jung, aber von beiden Seiten herrschte Interesse. Und es war ja kein Geheimnis, dass Mercedes aussteigen würde. Deshalb war es normal, dass ich mit einigen Leuten sprach. Die wussten ja, dass ich verfügbar war und es half natürlich auch, gut zu performen."

Bei Mercedes hatte Vandoorne ein Team um sich, das über viele Jahre hinweg zusammenarbeitete und später von den Erkenntnissen der 'Vorhut' HWA Racelab profitierte. Bei DS erwartet ihn ein neues Umfeld, dass sich nach der Trennung von Erfolgsteam Techeetah zunächst an die Abläufe mit dem nicht immer einfachen Teambesitzer Jay Penske, Sohn von US-Ikone Roger Penske, gewöhnen muss. Auch, wenn ein Großteil des Teams aus Techeetah-Leuten besteht.

Foto: Stellantis
Foto: Stellantis

Interessanter Einblick von Vandoorne: "Hier sind die Abläufe etwas anders. Mercedes war sehr strukturiert, weil sie wie ein Formel-1-Team operiert haben, um es mal so auszudrücken. Sie hatten mehr Leute zur Verfügung als andere Teams. Mit dem Budget Cap wäre es für Mercedes schwierig geworden, ähnlich zu operieren. Bei DS sind es vielleicht nicht so viele Leute, aber sie teilen die Verantwortung und Aufgaben mehr untereinander auf als bei Mercedes."

Eine weitere Herausforderung für Vandoorne ist sicherlich der neue Teamkollege Vergne, der nicht nur als extrem schnell, sondern auch nicht immer einfach im Umgang gilt. Die beiden bilden definitiv eines der stärksten Fahrer-Duos im Starterfeld der Formel E und vereinen drei Titelgewinne auf sich.

Vandoorne: "Ich denke, es ist einfach wichtig, dass man Richtlinien zu Beginn der Saison setzt. Das macht jedes Team. Da ist die Formel E eine der härtesten Meisterschaften, weil es hier kein konventionelles Racing gibt. Es gibt immer Dinge, bei denen die Teams nicht ganz genau wissen, wie sich das Energie-Management verhält. Die Richtlinien sollten simpel sein: kein Kontakt und faires Racing unter Teamkollegen, keiner ist Nummer 1 oder Nummer 2. Jeder hat die gleichen Chancen."