Mercedes-Benz und HWA bilden seit Jahrzehnten eine der stärksten Einheiten in der Geschichte des Motorsports. Auch in der Formel E, wo das Unternehmen aus Affalterbach in der Saison 2018/19 unter eigener Bewerbung die Vorhut für den nachfolgenden Werkseinstieg der Silberpfeile übernahm.

Dieses Kapitel endet in Bälde, nachdem HWA die Trennung von Mercedes ("HWA AG verliert Rennsportprojekt in der Formel E") offiziell bekanntgegeben hat. Sogar bekanntgeben musste, weil für börsennotierte Unternehmen bei Veränderungen mit einer wirtschaftlichen Tragweite Kommunikationspflicht herrscht.

Die Adhoc-Meldung am Mittwochmittag zum Aus nach der Formel-E-Saison 2021 lässt auf die finanzielle Bedeutsamkeit schließen. Ähnliche Meldungen im Motorsportbereich publizierte die HWA AG auch nach den Trennungen von Mercedes-Benz sowie später R-Motorsport Anfang 2020 in der DTM.

In der ersten Saison von Mercedes als Werksteam in der Formel E war HWA an Bord des Projekts geblieben. Stoffel Vandoorne sicherte sich die Vize-Meisterschaft, in der Teamwertung sprang auf Anhieb der dritte Platz heraus. HWA war in dieser Rolle unter anderem für den operativen Renneinsatz sowie Entwicklungsumfänge zuständig. Mit Franco Chiocchetti ist der Mercedes Head of Formula E Track Operations als Führungsmitglied des Teams bei HWA angestellt.

Mercedes zieht zum Formel-1-Team

In den künftigen Planungen des Formel-E-Teams ist für das von Hans Werner Aufrecht gegründete Unternehmen kein Platz mehr. Stattdessen zieht die Werksmannschaft ins britische Brackley, wo auch das Formel-1-Team beheimatet ist.

Mercedes-Teamchef Ian James hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass die Arbeit aufgrund unterschiedlicher Standorte eine Herausforderung sei. Der Antriebsstrang stammt wie die Formel-1-Power-Unit aus dem Motorenwerk in Brixworth. "Das Team bestünde aus genau den gleichen Leuten mit derselben Expertise, aber alles konzentriert an einem Standort", hatte James im Februar dieses Jahres zu Motorsport-Magazin.com auf die Frage nach seiner Wunschaufstellung gesagt.

Nach der bevorstehenden HWA-Trennung sagte James an diesem Donnerstag zu Motorsport-Magazin.com: "Im Zuge der Diversifizierung des Standorts Brackley bekommen wir ab Saison 8 nun die Möglichkeit, das Formel E-Rennteam an unseren Standort zu holen. Davon erwarten wir uns zusätzliche Synergien und Wissenstransfer zwischen dem Formel E- und dem Formel 1-Team."

So sieht der Mercedes-Silberpfeil für die Formel-E-Saison 2021 aus, Foto: Daimler AG
So sieht der Mercedes-Silberpfeil für die Formel-E-Saison 2021 aus, Foto: Daimler AG

Prominenter Neuzugang

Personelle Veränderungen mit Blick auf die Zukunft gab es bereits. Mit Nick Chester hat Mercedes im Juli dieses Jahres einen Mann mit 30 Jahren Formel-1-Erfahrung an Bord geholt. Der Brite übernahm den Posten des Technischen Direktors und bekleidet damit die Position, die er bis 2019 bei Renault F1 inne hatte.

Chesters Qualitäten sind vor allem für die Einführung der Gen3-Autos zur Saison 2022/23 (Saison 9) gefragt. Da sich das Team entschieden hat, für die kommende Saison 7 (2021) einen neuen Antriebsstrang zu entwickeln, ist die Entwicklung für die folgende Saison 8 (2021/22) eingefroren. Auf diese und weitere Kostensparmaßnahmen hatten sich alle Teams und die Formel E im Zuge der Corona-Pandemie geeinigt. All diese Maßnahmen lassen auf eine längerfristige Zugehörigkeit des Mercedes-Werksteams in der Formel E schließen.

Mercedes und HWA: Gegensätzliche Aussagen

Ob Mercedes erwägt, aktuelles Formel-E-Personal von HWA abzuwerben, sei zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht entschieden, teilte ein Mercedes-Sprecher mit. Teamchef James versicherte bei Motorsport-Magazin.com: "Wichtig ist, dass wir die Zusammenarbeit mit HWA nach Saison 7 nicht beenden, sondern sie werden auch darüber hinaus insbesondere in der Entwicklung ein wichtiger Partner für das Formel E-Team bleiben. Schließlich sind unsere Erfolge in der Formel E gemeinsame Erfolge."

In der Adhoc-Meldung von HWA liest sich das anders. In aller Deutlichkeit teilte das Unternehmen mit: "Die Zusammenarbeit mit der HWA AG als Dienstleister für das Mercedes-Benz EQ Formula E Team endet somit nach der nächsten Saison; kleinere Engineering-Dienstleistungsumfänge bleiben der HWA erhalten."

James zusammen mit HWA-Mann Franco Chiocchetti, Mercedes Head of Formula E Track Operations, Foto: LAT Images
James zusammen mit HWA-Mann Franco Chiocchetti, Mercedes Head of Formula E Track Operations, Foto: LAT Images

HWA sucht nach Kompensationsmöglichkeiten

Der Vorstand um Uli Fritz kündigte zudem an, umgehend Optionen zur Kompensation dieses zukünftigen Umsatzausfalls im Bereich Automobilrennsport zu prüfen. Außerdem stellte HWA fest: "Die Entscheidung der Daimler AG hat nichts mit der Leistung und Performance der HWA AG in der ABB FIA Formel E Meisterschaft oder ihrer Dienstleistungsqualität grundsätzlich zu tun."

Im Bereich Fahrzeuge / Fahrzeugkomponenten werde sich an der Zusammenarbeit mit der Daimler AG nichts ändern, versicherten die Affalterbacher zudem. Mit Programmen in der FIA Formel 2, FIA Formel 3, der neuen Extreme E mit eigenem Team sowie zahlreichen GT-Projekten bleibt HWA im Rennsport prominent vertreten.

Neue Leute fürs Hyraze-Projekt

Zuletzt verkündete Unternehmensgründer Aufrecht zusammen mit Vorstand Uli Fritz die Schöpfung einer neuen Rennserie mit dem Namen Hyraze. Hier sollen ab dem Jahr 2023 Wasserstoff-Rennwagen gegeneinander antreten. Mit Schaeffler, Dekra und dem DMSB sind bereits namhafte Partner an Bord des Projekts.

Für die weitere Entwicklung dieser Rennserie kehrt Gordian von Schöning zurück nach Affalterbach. Bis Ende Oktober war er als Direktor des Geschäftsbereichs Sport und Technik bei der DTM-Dachorganisation ITR angestellt. Neben von Schöning verlässt auch Geschäftsführer Marcel Mohaupt die ITR zum Jahresende, wie Motorsport-Magazin.com am 23. Oktober exklusiv berichtet hatte.