Gary Paffett erklimmt die nächste Stufe auf der Karriereleiter bei McLaren: Der zweifache DTM-Champion übernimmt zusätzlich zu seinen Aufgaben in der Formel E die Rolle des Sportdirektors für das Extreme-E-Team der Briten. Das gab McLaren wenige Tage vor dem nächsten Formel-E-Rennwochenende in Saudi-Arabien (27./28. Januar 2023) offiziell bekannt.

Ein neuer und zusätzlicher Posten für Paffett, der das Formel-E-Team bislang als Teammanager unterstützt hatte und dieser Aufgabe auch weiterhin nachgeht. McLaren hatte zum Einstieg in die Formel E nicht nur die Startlizenz des zweifachen Weltmeisters Mercedes übernommen, sondern auch einen Großteil des Teams. Dazu zählte neben Teamchef Ian James auch der langjährige Mercedes-Werksfahrer Paffett.

2018/19 Teamkollegen in der Formel E: Stoffel Vandoorne und Gary Paffett, Foto: LAT Images
2018/19 Teamkollegen in der Formel E: Stoffel Vandoorne und Gary Paffett, Foto: LAT Images

Paffett macht Platz für Weltmeister

Der 41-Jährige begleitet Mercedes/McLaren bereits seit 2019 abseits der Rennstrecke, nachdem er eine Saison in der Formel E für Mercedes-Vorhut HWA Racelab aus Affalterbach bestritten hatte. Nach der Saison 2018/19 räumte er sein Cockpit an der Seite des amtierenden Weltmeisters Stoffel Vandoorne und machte Platz für Nyck de Vries, der 2021 den WM-Titel für die Silberpfeile einfahren sollte.

Zwar nicht mehr im Cockpit, aber seitdem bei jedem Rennen dabei: Paffett, der sich in seiner neuen Rolle zu einem ganz wichtigen Baustein innerhalb des Erfolgsteams gemausert hat. "Er macht das mit einer Leidenschaft, die man von einem Rennfahrer erst mal gar nicht erwarten würde", sagte Teamchef James letztes Jahr zu Motorsport-Magazin.com. "Ich bin sehr stolz auf ihn. Das ist ein neues Kapitel in seiner Karriere. Er ist nicht nur Teammanager, sondern hat auch ein Gefühl dafür, wie die Fahrer denken. Das ist ein Riesenvorteil."

An den Kommandostand gewechselt: Gary Paffett, Foto: LAT Images
An den Kommandostand gewechselt: Gary Paffett, Foto: LAT Images

Keine Überschneidungen zwischen Formel E und Extreme E

Mit der Offroad-Elektroserie Extreme E, in der sich McLaren seit 2022 engagiert und dieses Jahr mit dem Fahrerduo Emma Gilmour/Tanner Foust an den Start geht, betritt Paffett Neuland. Nur fünf Rennen sind für die Saison 2023 geplant, er kann sich also weiter voll auf seine Aufgaben in der Formel E konzentrieren. Terminüberschneidungen gibt es zwischen den Elektro-Rennserien, die beide aus der Feder von Alejandro Agag stammen, nicht.

In der ersten elektrischen Formel-Serie der Welt gab McLaren vor knapp zwei Wochen sein Debüt beim Saisonauftakt in Mexiko-City. Rookie Jake Hughes - wie Paffett vom früheren Formel-1-Fahrer Mark Blundell betreut - fuhr nach einer überraschend starken Performance auf den fünften Platz und bescherte McLaren die ersten WM-Punkte. Teamkollege und Formel-E-Rückkehrer Rene Rast ging nach einem vorzeitigen Ausfall leer aus.

"Ich freue mich sehr auf den Diriyah ePrix", sagte Rast. "Es ist eine meiner Lieblingsstrecken. Hoffentlich wirkt sich das positiv aus und ich kann mehr Erfolg haben als in Mexiko, wo ich nicht das Wochenende hatte, das ich wollte. Ich freue mich darauf, in Diriyah das Ruder herumzureißen."

Neu bei McLaren in der Formel E: Rene Rast, Foto: LAT Images
Neu bei McLaren in der Formel E: Rene Rast, Foto: LAT Images

Paffett und Rast: Früher Rivalen, heute Teamkollegen

Bei McLaren in der Formel E treffen mit Paffett und Rast jetzt alte DTM-Rivalen aufeinander. 2018 entschied Paffett den Titelkampf trotz einer unnachahmlichen Aufholjagd des damaligen Audi-Werksfahrers Rast knapp für sich. Für Paffett war es nach 2005 die zweite DTM-Meisterschaft und für Mercedes-Benz die letzte vor dem werksseitigen Ausstieg.

Schon damals brachte er sich bei Mercedes mehr ein als manch anderer Fahrer, übernahm eine Führungsposition bei Kundenteams wie ART oder kümmerte sich um die DTM-Neulinge der Marke mit dem Stern im Wappen. "Rennen zu gewinnen ist toll, keine Frage", sagte Paffett 2018 in seinem Meister-Jahr zu Motorsport-Magazin.com. "Aber etwas mehr Einfluss im Team zu haben und eine etwas größere Rolle zu spielen ist auch toll."

Paffett: Karriereende nie bekanntgegeben

Nach 186 DTM-Rennen für Mercedes bestritt Paffett als Fahrer 2019 nur noch eine Saison in der Formel E sowie wenige Einsätze im Mercedes-AMG GT3. Eine geplante Rückkehr in die DTM zur Saison 2021 mit dem Mercedes-Kundenteam Mücke Motorsport platzte. Offenbar hatte sich Paffett da schon komplett auf seine Rolle 'am Kommandostand' fokussiert, wenngleich er nie das Ende seiner aktiven Karriere als Rennfahrer bekanntgegeben hat.

Stattdessen hat sich Paffett in der Formel E zum integralen Verbindungsstück zwischen dem Team und den Einsatzfahrern gemausert. So hilft er nicht nur bei der Organisation der Teamabläufe an den eng gestrickten Renntagen, sondern arbeitet auch bei der Strategie mit und ist sich nicht zu schade, nach einem Rennen abends tatkräftig anzupacken und die Teamgarage mit abzubauen. "Ohne ihn geht es eigentlich gar nicht mehr", sagte schon 2021 ein Team-Insider zu Motorsport-Magazin.com, bevor Mercedes zwei Fahrer- und Team-Titel in Folge errang.

Schnappte Paffett 2007 das F1-Cockpit weg: Lewis Hamilton, Foto: Sutton
Schnappte Paffett 2007 das F1-Cockpit weg: Lewis Hamilton, Foto: Sutton

Paffett: Rückkehr nach Woking

Für Paffett war die Übernahme von McLaren gleichzeitig eine Rückkehr an alte Wirkungsstätte. Schon 2006 war er für den Rennstall aus Woking tätig, damals als permanenter Test- und Ersatzfahrer für das Formel-1-Team. Paffett verzichtete zugunsten dieses Jobs auf eine Titelverteidigung in der DTM und machte sich nach dem Abgang von Kimi Räikkönen leise Hoffnungen auf ein Stammcockpit an der Seite von Fernando Alonso.

Als sich McLaren für die Verpflichtung eines aufstrebenden Talents namens Lewis Hamilton entschied, kehrte Paffett in die DTM zu Mercedes zurück. Hätte es laut Paffett auch anders laufen können?

"Kein Zweifel, ja", sagte er 2018 zu Motorsport-Magazin.com. "Ich hätte genauso Weltmeister werden können, wie Lewis es geschafft hat. 2006 bin ich alle Testfahrten für McLaren gefahren und war da sehr gut. Das waren bestimmt 14.000 Test-Kilometer. Ich stand sehr kurz davor, das Cockpit zu bekommen. Bei Lewis war aber klar, dass er Formel 1 fahren würde, sobald er bereit ist. Bei einem Test in Jerez war er dann gut. Nicht so gut, dass er alle anderen in den Schatten gestellt hätte. Aber gut genug für das Team."