"Ich denke, es ist mehr oder weniger vorbei. Er muss einfach nur weiter punkten und hat alles unter Kontrolle." Sebastien Buemi warf nach dem zweiten von sechs Rennen beim Formel-E-Saisonfinale in Berlin schon einmal verbal das Handtuch.

Nicht zu Unrecht, in der Meisterschaft ist die Vorentscheidung vier Rennen vor dem Abschluss gefallen. Antonio Felix da Costa dominierte das erste Doppel-Event auf dem stillgelegten Flughafen Tempelhof und ist in der Gesamtwertung mit großem Vorsprung enteilt. 127 Punkte hat der Techeetah-Pilot auf dem Konto, 58 davon holte er allein in der deutschen Hauptstadt.

Seine ärgsten Verfolger, Audi-Pilot Lucas di Grassi und Mercedes-Fahrer Stoffel Vandoorne, liegen mit je 57 Zählern dahinter schon meilenweit zurück. Die Rechnung ist einfach: Hat Felix da Costa nach dem nächsten Berlin-Rennen (Samstag, 19:00 Uhr live auf Eurosport 1) 23 Punkte mehr als der Zweitplatzierte, ist er vorzeitig Meister.

"Es wird sehr schwierig, Antonio einzuholen", sagte di Grassi, der nach dem Rennen am Donnerstagabend nicht einmal wusste, dass er dank seiner Konstanz auf den zweiten Platz in der Tabelle vorgerutscht ist. "Der spielt in seiner eigenen Liga." Das belegen auch die Zahlen: Felix da Costa gewann Corona-übergreifend die letzten drei Rennen in der Formel E und startete jedes Mal von der Pole Position.

Techeetah vor Titel-Hattrick

Techeetah schickt sich an, zum dritten Mal in Folge die Fahrer-Meisterschaft in der Elektro-Rennserie zu gewinnen. In den vergangenen beiden Jahren sicherte sich Jean-Eric Vergne - damals noch mit Andre Lotterer als Teamkollegen - den Titel. Der Mitbesitzer des chinesisch geführten Rennstalls erlebte im Gegensatz zu Felix da Costa keinen guten Auftakt in die drei Doppel-Rennen in Tempelhof ("Ein Albtraum!") und ist nur Zwölfter in der Gesamtwertung.

"Was Antonio macht, ist beeindruckend", stellte Mercedes-Werksfahrer Vandoorne fest. "Er lässt das alles sehr einfach aussehen." Wie im Qualifying zum zweiten Rennen, als er in der Superpole-Runde Nissan-Fahrer Buemi mit gigantischen vier Zehntelsekunden Vorsprung auf den zweiten Startplatz verwies.

Formel E 2020 Berlin, Rennen 2: Highlights und Zusammenfassung: (06:53 Min.)

Da Costa: Von hinten an die Spitze

"Ich bin nicht vier Zehntel schneller als die anderen Fahrer", zeigte sich der frühere DTM-BMW-Fahrer demütig. Schon der vergangenen Saison, als Felix da Costa in der Formel E noch für BMW an den Start ging, zählte er in der frühen Phase zu den Titelanwärtern. Eine zu konservative Herangehensweise und starke Performance-Schwankungen der Münchner ließen ihn am Ende chancenlos.

Mit dem überragenden Team Techeetah, das auf Antriebsstränge von DS Automobiles setzt - Buemi: "Wo haben die nur ihren Topspeed her..." - steht Felix da Costa nun kurz davor, das große Ziel zu erreichen. Er, der schon seit der ersten Saison der Formel E am Start ist mit Teams wie Aguri und Andretti (heute BMW) oftmals hinterherfuhr.

"Ich weiß, wie es ist, wenn du immer nur hinten oder im Mittelfeld herumfährst", blickte der 28-Jährige zurück. "Deshalb weiß ich alles, was gerade passiert, noch viel mehr zu schätzen. Tage wie diese sind selten. Ich weiß, wie schwierig es ist, dorthin zu kommen. Tag für Tag wird der Wettbewerb jetzt noch enger und die nächsten Rennen werden hart!"

Berlin-Debakel für Konkurrenz

Während Felix da Costa von Erfolg zu Erfolg eilt und auf Podestplätze in fünf aufeinanderfolgenden Rennen zurückblickt, strauchelt die Konkurrenz gewaltig beim Re-Start der Saison in Berlin. Seine bis dato ärgsten Verfolger - Jaguar-Pilot Mitch Evans sowie das BMW-Duo Max Günther und Alex Sims - erlebten wahre Debakel.

In Zahlen ausgedrückt: Evans, Sims und Günther holten an den beiden Renntagen insgesamt nur zwei Zähler - Felix da Costa alleine 58 Punkte! Titelanwärter Evans verzweifelte in Berlin: "Das ist ein anderes Auto als zuletzt in Marrakesch. Wir haben nicht im Ansatz die Ergebnisse, die wir uns erhofft hatten. Verwirrend, frustrierend, enttäuschend und schwer zu verdauen."

BMW-Duo in Schwierigkeiten

Ähnlich sah es beim ambitionierten BMW-Team aus. Günther, der als Gesamtvierter zum Heimspiel gereist war, ging komplett leer aus. Eine Disqualifikation kostete den Allgäuer Platz acht am Mittwoch, einen Tag später fiel er in Folge einer Kollision mit Sam Bird vorzeitig aus. "In den Qualifyings hat nicht alles perfekt zusammengepasst", sagte Günther. "Wir kennen die Gründe, es geht um Details."

Teamkollege Sims holte zum Auftakt immerhin zwei Punkte. Im Rennen am Donnerstag startete er nach einem Batteriewechsel jedoch aus der Boxengasse. "Für Alexander war das Rennen mit dem Start aus der Boxengasse und der zusätzlichen Strafe schon gelaufen, bevor es überhaupt begonnen hatte", stellte Teamchef Roger Griffith fest.