Entscheidung gefallen: Porsche hat nun auch schriftlich bei der FIA Berufung gegen die Disqualifikation von Sieger Antonio Felix da Costa vom Samstagsrennen der Formel E in Misano eingelegt. Der Fall geht demnach vor das Internationale Berufungsgericht des Automobilweltverbandes FIA. Bis zum Abschluss des Verfahrens bleiben das Rennergebnis sowie die aktuellen Meisterschaftsstände vorläufig.
Schon am späten Samstagabend ließ Porsche in Misano verlautbaren, dass gegenüber der FIA die Absicht erklärt worden sei, Berufung einzulegen. Von diesem Zeitpunkt an hatte Porsche 96 Stunden Zeit, dies auch schriftlich zu hinterlegen. Am Mittwoch hat der Autobauer aus Stuttgart diesen Schritt rechtzeitig vor Ablauf der Frist (20:35 Uhr) vollzogen und das gegenüber Motorsport-Magazin.com auch bestätigt. Der offizielle Wortlaut von Porsche lautet: "Wir bestätigen, dass Porsche Berufung eingelegt hat gegen die Entscheidung Nr. 31 der Stewards im Rahmen des Misano E-Prix der FIA-Formel-E-Weltmeisterschaft am 13. April 2024."
Disqualifikation kostet Porsche WM-Führung
Felix da Costa hatte den Samstagslauf in Misano auf der Strecke für sich entschieden, war jedoch rund fünf Stunden nach Rennende disqualifiziert worden. Begründet wurde die Entscheidung der FIA-Stewards mit einer Feder am Strompedal von Felix da Costas 99X, die vom Einheitsbauteilhersteller Spark Racing Technology stammt. Diese war jedoch seit geraumer Zeit nicht mehr auf der Spark-Teileliste angeführt und hätte somit nicht im Porsche-Rennwagen verbaut werden dürfen.
Zwar sorgte Werksfahrer Pascal Wehrlein am Sonntag mit seinem Sieg im zweiten Misano-Rennen für Schadensbegrenzung auf Seiten der Zuffenhausener, dennoch war die Disqualifikation in doppelter Hinsicht bitter: Nicht nur hätte der Sieg für Felix da Costa nach einem schwierigen Saisonstart einen Befreiungsschlag dargestellt, sondern auch in der Weltmeisterschaft wichtige Punkte gebracht. Mit den 25 Zählern würde Porsche nach dem Misano-Wochenende nicht nur die Fahrer-WM (Wehrlein), sondern auch die Team-Wertung anführen. Stattdessen rangiert der deutsche Autobauer mit 19 Punkten Rückstand auf das Jaguar-Werksteam an dritter Stelle.
Porsche und Spark im Widerspruch
Schon in der Urteilsbegründung der Stewards war Verwunderung seitens Porsche über das Szenario durchgesickert. Team-Manager James Lindesay argumentierte, dass Änderungen im rund 100 Seiten umfassenden Spark-Katalog normalerweise hervorgehoben werden, sodass jeder die Änderungen sehen könne. Dieser Darstellung widersprachen hingegen die Spark-Abgesandten Jeremy Boudot und Pierre Prunin laut dem Schreiben der Sportkommissare.
"Wir hatten eine Gaspedalfeder im Auto, die am Beginn der Gen3 in einem Einheitsbauteilkatalog kam, weil neue Federn, die für das Gen3-Auto angedacht waren, noch nicht verfügbar waren vom Einheitsbauteilhersteller", erklärte Teamchef Florian Modlinger am Rande des Porsche Tennis-GP in Stuttgart exklusiv gegenüber Motorsport-Magazin.com den Ursprung des Problems.
"Es wird immer, wenn an den Bauteilen was verändert wird oder genügend Änderungen vorhanden sind, eine neue Version vom Einheitsbauteilhersteller erlassen. Und dort, wenn etwas hinzugefügt wird oder Teile verändert werden, die Änderungen hinterlegt und gelb markiert", bekräftigte Modlinger die Darstellungsweise Porsches zum Prozess bei Änderungen im Spark-Katalog.
Modlinger gibt Fehler zu
Die fragliche Änderung bezüglich der Feder am Strompedal sei Modlinger zufolge bereits während der Saison 2023 geschehen - ohne Markierung. "Von einer Version in die nächste wurden diese Gaspedalfedern, wo es in der ersten Ausführung fünf Stück gab, auf drei reduziert." Dennoch gab der 43-Jährige Versäumnisse bei seinem Team zu: "Bei uns ist der Fehler passiert, dass das übersehen wurde."
Dennoch übte Modlinger am Sonntag im internationalen TV deutliche Kritik an der FIA: "Wir haben etwas den Eindruck und das Gefühl, dass nicht alle Teams gleich behandelt werden. Für eine Weltmeisterschaft muss das die oberste Maxime sein - auch zukünftig."
Modlinger beim Interview mit uns in Stuttgart: "Das war in einer Interviewszene und Karun Chandhok (ehemaliger Rennfahrer und Formel-E-Experte; d. Red.) erklärt, was passiert ist und fragt sich selbst und überlegt, ob das bei einem anderen Team nicht anders gehandelt worden wäre."
"Und als ich gefragt wurde, habe ich gesagt, was passiert ist: Dass das ein Bauteil war, das vom Katalog entfernt wurde, ohne dass es markiert wurde. Und, dass es gewisse Situationen gibt, wo bei uns der persönliche Eindruck entsteht, ob alle Teams hier im Paddock gleich behandelt werden", blieb der Porsche-Teamchef zugleich bei seinem Standpunkt. "Und, dass das für eine FIA-Weltmeisterschaft ein Muss ist, und wir immer dafür kämpfen werden, dass alle Teams gleichbehandelt werden. Diese Aussage habe ich getätigt, und dazu stehe ich auch."
Letzte Porsche-Berufung erst 2023
Es ist nicht das erste Mal, dass Porsche mit der obersten Regelbehörde seit dem Formel-E-Einstieg 2019 aneinandergerät. Erst beim Saisonfinale 2023 in London ging Porsche nach einer 3-Minuten-Zeitstrafe gegen Felix da Costa in Berufung. Der Portugiese hatte damals im Samstagsrennen Platz zwei errungen, war jedoch wegen der Unterschreitung des Reifenmindestluftdrucks bestraft worden. Porsche argumentierte mit einem schleichenden Plattfuß außerhalb der eigenen Kontrolle, Felix da Costa bezeichnete die FIA fuchsteufelswild als "nicht gut genug". Doch das Berufungsgericht hielt die Strafe aufrecht, die am WM-Ausgang ohnehin nichts mehr entscheidend geändert hätte.
Zuvor hatte Porsche schon 2021 im mexikanischen Puebla die Absicht für eine Berufung erklärt, verzichtete jedoch letztendlich darauf. Damals hatten die Zuffenhausener auf der Strecke den ersten Formel-E-Sieg durch Wehrlein errungen, welcher jedoch aufgrund eines Formfehlers bei der Registrierung der Reifen disqualifiziert wurde. Nun möchte Porsche aber, wie vergangenes Jahr in London, das heikle Thema aus Misano vom FIA-Berufungsgericht klären lassen. Fakt ist und von der FIA auch bestätigt, dass Porsche und da Costa durch diesen Lapsus keinen Wettbewerbsvorteil hatten. Im Jahr 2024 steht der Formel E also der nächste Rechtsstreit hinter den Kulissen bevor. Nach dem Porsche-Einspruch von London im vergangenen Jahr vergingen bis zur endgültigen Entscheidung mehr als drei Monate.
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